Manchmal muss man einfach zugeben, dass einem Musikwelten verschlossen bleiben. Seit April liegt die CD „Red And Blue Don’t Make Purple“ auf dem Tisch und auch nach dem x-ten Anhören bleibt einem die Musik verschlossen. Auch wenn sie Jazz-Freunden bestimmt Welten erschließt. Immerhin traf sich dazu das Leipziger Avantgarde-Jazz-Ensemble Die Unwucht im März 2021 mit dem Pianisten Achim Kaufmann, um gemeinsam neun Stücke einzuspielen. „Ohne konzeptionellen Überbau“, wie es so schön im Pressetext heißt.
Das heißt: Christopher Kunz und Florian Fischer von Die Unwucht ließen sich mit dem Berliner Achim Kaufmann an jenen zwei fernen Märztagen im LOFT in Köln einfach aufeinander ein, um ihre „erste und letzte“ gemeinsame CD aufzunehmen.
Im Begleittext liest sich das noch etwas poetischer: „März 2021. Köln. Eingefangen im Blitzlicht einer Kamera: Späte Schneeflocken und drei Musiker, die wenige Augenblicke später und sobald die Wärme zurückgekehrt ist, gemeinsam in dieser Konstellation ihr erstes und zugleich letztes Album aufnehmen werden.“
Dokumentation einer Begegnung
Rund ein Jahr nach der ersten Begegnung von Saxofonist Christopher Kunz, Schlagzeuger Florian Fischer und Pianist Achim Kaufmann erscheint „Red And Blue Don’t Make Purple“ nun auf Label 11 und erzählt in neun Stücken vom gemeinsamen Aufnahmeprozess der drei Musiker an zwei Tagen im LOFT Cologne, die sich dem Musizieren ohne konzeptionellen Überbau hingegeben haben, um einzeln und als Ensemble eine Zeit lang ein musikalisch klares Statement zu setzen.
„‚Red And Blue Don’t Make Purple‘ ist als Dokumentation einer Begegnung zu hören; als momentanes Innehalten und Eingeständnis zueinander in der fortwährenden Bewegung dreier Musiker, die es verstehen, laufenden Prozessen einen schlüssigen Abschluss zu geben.“
Aber was macht man, wenn man zwar staunt, wie drei Musiker sich so intensiv aufeinander einlassen können, ohne dass es dissonant wird und zerbricht, man aber auch am eigenen Verständnis scheitert, unbedingt Melodien und Strukturen darin erkennen zu wollen?
Alle Jazz-Kenner werden sich natürlich kringeln bei so einer Frage.
Vehemenz und Achtsamkeit
Da kann ich also nur zitieren, wie der mitgeschickte Pressetext das Ergebnis beschreibt: „Drängend und wuchtig eröffnet das Trio mit ‚Präliminar‘ das Album. Dem Wortsinn nach eine einleitende Bemerkung oder Vorverhandlung, wird das Stück seinem Namen gerecht. Aus der Ruhe heraus anschwellend, bringen sich alle Spieler nach und nach mit Vehemenz zu Gehör, ohne einander dabei übertönen oder übertrumpfen zu wollen. Vielmehr wird durch gegenseitiges achtsames Aufeinanderzugehen und zeitweiliges flirrendes Überlappen ein Fundament für das nachfolgende Experimentierfeld gelegt.“
So sind dann auch die nachfolgenden Stücke. Bis zum letzten.
„Das Titelstück ‚Red And Blue Don’t Make Purple‘ bildet den Abschluss des Albums und korrespondiert gewissermaßen mit dem eröffnenden ‚Präliminar‘, welches als Auslotung des gemeinsamen Experimentierfelds am Beginn stand und dessen atemlose Impulsivität in den letzten gemeinsamen Momenten von Kunz, Kaufmann und Fischer wieder aufgegriffen wird. Auffallend ist hier erneut die Präsenz der einzelnen Spieler, die jeder für sich und gemeinsam als temporäres Ensemble ihre Freude an überbordenden Klangeskapaden ausreizen, dabei einander jedoch nie in diesen Ausschweifungen verlieren, sondern vielmehr durch Zuhören und Aufeinanderzugehen individuell besondere Momente stets in einen gemeinsamen Klang zu überführen wissen.“
So schön hätte ich das gar nicht sagen können. Aber das mit den Ausschweifungen gefällt mir.
Das erinnert mich so ein bisschen an lebendige Familien, Teams und Freundeskreise, wo man ja genauso versucht, miteinander zu einer gemeinsamen Musik zu kommen. Das hört sich manchmal auch ganz schön schräg an. Doch wenn alle zuhören, was die anderen so treiben …
Das kann klappen.
Das Resümee: „Titel um Titel wird offenbarer: ‚Red And Blue Don’t Make Purple‘ ist nicht für Nebenher gemacht.“ (Auweia – und ich hab’s immer wieder nebenher angehört am Computer!) „Dieses Album muss gehört werden! Was meint: Die Unwucht feat. Achim Kaufmann haben kein vorübergehendes akustisches Rauschen kreiert, sondern vielmehr einen 49:12 Minuten umfassenden musikalischen Raum geschaffen, der aufgrund seiner Details zum aktiven Zuhören, Innehalten und Wiederhören einlädt.“
Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.
Die Unwucht feat. Achim Kaufmann „Red And Blue Don’t Make Purple“, Label 11, Nürnberg 2022.
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