Wirft man den Namen „Soko Linx“ in den Raum, denken die meisten wahrscheinlich direkt an Hausdurchsuchungen im Leipziger Süden oder den Prozess gegen Lina E. in Dresden. Doch während die behördliche Soko immer öfter in die Kritik gerät, gründete sich 2019 eine Connewitzer Band, die nach eigener Aussage dem Namen ein positives Image verleihen möchte.
Im Gespräch mit der Leipziger Zeitung (LZ) erzählt die dreiköpfige Punk-Gruppe von ihrem provokanten Namen, ihrem polizeilichen Namensvetter und anstehenden Live-Auftritten.
Soko Linx ist ja ein sehr provokanter Name für eine Band. Wie kam es denn dazu? Fans seid Ihr von denen ja augenscheinlich eher nicht, oder?
OXON: Zu Beginn erst einmal der freundliche Hinweis: Die korrekte Schreibweise von uns lautet SOKO LiNX. Alles groß, außer das „i“. Wir wollen damit etwaigen Verwechslungen sofort den Wind aus den Segeln nehmen.
Verantwortlich für den Bandnamen ist diese Ermittlertruppe aus dem SMI und die Presse. Wir waren auf der Suche nach einem Namen für die Band und haben unsere Ideen immer wieder für nicht akzeptabel befunden. Und dann gab es in der Silvesternacht 2019/2020 am Connewitzer Kreuz ein eingerissenes Ohrläppchen, welches sofort notoperiert werden musste.
Das gab natürlich bundesweit Schlagzeilen und überall war zu lesen: „Soko Linx ermittelt wegen Ohrläppchen“. Und dann tauchte quasi täglich dieser Name in der Zeitung auf. Das hat sich bei uns eingebrannt. Da aber das Internet kein gutes Haar an diesem sympathischen Namen gelassen hatte, wollten wir den Begriff wieder positiv besetzen.
SiKO: Empfindest du ihn als so provokant? Die Suche nach einem Bandnamen ist ja doch unter anderem die größte Herausforderung im Bandleben. Denn er ist ja dann auch das Aushängeschild der Band und bleibt in den meisten Fällen zumindest bis zur Auflösung. Der muss schon gut überlegt sein, sonst muss sich eine Band wie Itchy nach Jahren doch umbenennen, weil der Bandname zu peinlich geworden ist.
Oxon kam recht früh mit dem Namen um die Ecke und da haben wir auch nicht lange diskutiert. Der hat sich instant gut angefühlt. Wer sich jedoch davon provozieren lässt, ist selbst dafür verantwortlich.
Die neue Single „Sorgenkind des Lebens“
Euch gibt es ja schon ein paar Jahre. Gab es da mal den Versuch eurer Namensvetter, euch „kennenzulernen“?
SiKO: Nö. Also zumindest nicht von meiner Seite. Wir wollten Wöller ein Exemplar unseres Debütalbums zusenden. Aber das hat sich ja jetzt von selbst erledigt.
OXON: Augenscheinlich nicht. Vor kurzem ist ja der aktuelle Verfassungsschutzbericht Sachsen erschienen und man würdigt uns mit keiner Zeile. Das macht uns schon traurig. Zumal jetzt unser erstes Album „Auf die Fresze. Fertig. Los!“ erscheint und wir haben auf etwas Amtshilfe der Kolleg/-innen aus Dresden gehofft. Pustekuchen.
Der alte Innenminister war, wie wir aus internen Kreisen gehört haben, auf jeden Fall großer Fan von uns. Aber Roland wurde ja abgesägt und der neue Innenminister hört wohl nur klassische Musik.
Ihr zeigt euch nur maskiert bei Auftritten. Befürchtet ihr, dass die „echte“ Soko sonst mal vor der Tür steht? Ihr kommt ja aus Connewitz, da schauen die ja regelmäßig mal vorbei.
OXON: Nein, das hat ästhetische Gründe. So attraktiv sind wir jetzt nämlich auch nicht. Und wir haben uns intensiv mit der Populärkultur beschäftigt. Die erfolgreichste Zeit hatten viele Leute mit einer Maske. Wir denken da an Kiss, Sido oder Batman. Da gilt das alte Sprichwort „Mask sells“. Und grundsätzlich sind wir sehr gastfreundlich. Nur sollten sich unsere Gäste vorher auch ankündigen. Mal schauen, vielleicht fahren wir auch bald mal unangekündigt nach Dresden.
SiKO: Mir persönlich geht es klar darum, Kunstfigur und Privatperson voneinander zu trennen und über dieses Stilmittel eine klare Grenze zu ziehen. Ich habe auch festgestellt, dass ich dadurch etwas freier beim Texten bin und radikalere Gedanken so auch einmal ihren Platz finden können. Wie im Fall Lina E. zu sehen ist, braucht es außerdem nicht viel, um in der U-Haft zu landen. Da macht eine Maske jetzt auch nicht so einen großen Unterschied.
Was sagt ihr denn zur Arbeitsweise eures „großen Bruders“? Vor allem im Fall von Henry A. in Connewitz, der nach außen anmutet wie eine Privatfehde eines Beamten, oder auch im Fall um Lina E. sowie den möglichen Verbindungen zum rechten Compact-Magazin, fällt es einem als Außenstehenden ja schwer, mal nicht mit dem Kopf zu schütteln.
SiKO: Macht schon oft sprachlos. Aber selbst der Polizei in anderen Bundesländern ist nicht entgangen, dass die sächsische Polizei ein massives Naziproblem hat. Und das sagen Behörden, die selbst ein Naziproblem haben. Das muss man erst mal schaffen.
OXON: Da hast du ja schon ein paar Punkte genannt, die einen immer wieder mit Erstaunen zurücklassen. Was im SMI und im Speziellen der Polizei und ihren Organen abgeht, ist unfassbar. Da gibt es mittlerweile ganze Bücher darüber, sodass wir hier gar nicht weiter darauf eingehen können. Es bleibt nur zu sagen: Soko Linx abschaffen! Und: Free Lina!
Wie reagieren Menschen auf euch bei Auftritten? Bei dem Namen wird man wahrscheinlich nicht unbedingt auf der Jubiläumsfeier vom Kleingarten gebucht, oder? Gab’s schon mal lustige Situationen wegen des Namens?
OXON: Tatsächlich können wir da gar nicht so viel Erstaunliches berichten. Die Leute sind durch die sozialen Netzwerke vermutlich alle abgestumpft. Letztens meinte eine Person, dass sie den Plan hinter unserem Konzept nicht verstanden hat und sich deshalb das Konzert anschaute. Das fanden wir in Ordnung so. Was interessant ist, dass sich Veranstalter/-innen immer wieder eigene Schreibweisen des Namens ausdenken. Das ist spannend.
SiKO: Speziell in Sachsen hatten manche Veranstalter/-innen Sorge, unseren Namen sofort auf Flyern und in Programmheften oder auf den eigenen Webseiten zu erwähnen. Da ging es darum, die Bewilligung von Förderanträgen nicht zu gefährden, die für viele Vereine in der Provinz und anderswo existentiell und notwendig sind, um ihre Mitarbeitenden bezahlen und halten zu können. Deshalb hatten wir in dem Punkt natürlich großes Verständnis.
Ein geplantes Live-Stream-Konzert wurde aus Vorsicht vorerst nur aufgezeichnet. Aber das hat uns schon etwas erschrocken aufhorchen lassen, dass die Kunstfreiheit über diesen Weg eingeschränkt werden kann und in unserem Fall auch etwas getan wurde.
SOKO LiNX ft. Yetundey – muszichnich (Offizielles Video)
Wie ist denn momentan die Situation für Musiker/-innen? Ich nehme an, Corona hat’s euch nicht leichter gemacht, von der Musik auch mal zu leben?
OXON: Wir leben nicht von der Musik, sondern mit der Musik. Seinen Lebensunterhalt von Musik zu bestreiten, war ja schon vor dem bösen Wort mit C für viele in der Branche nicht einfach. Selbst Bands, die größere Venues füllen und regelmäßig auf Tour sind, müssen ab und an arbeiten gehen.
Von daher stellt sich die Frage nach dem „von der Musik leben“ für uns gar nicht. Das war in Teenagerjahren sicherlich ein schöner Gedanke. Aber diese Jahre liegen hinter uns.
SiKO: Eigentlich lebt unsere Musik von unserer schnöden Lohnarbeit.
Dass man euch ständig mit den Ärzten vergleicht, ist euch ja nicht neu. Kommt es vor, dass ihr aufgrund der Vermummung für ein geheimes Nebenprojekt der Jungs gehalten werdet?
SiKO: Ständig ist schon ziemlich pauschal formuliert. Aber es gibt schon Vermutungen in diese Richtung.
OXON: Also in diesem ominösen Internet spekulieren schon ein paar Leute. Besser dort als an der Börse.
Wo kann man euch denn in nächster Zeit mal live erleben? Darf man das verraten? Vielleicht mal auf einem Polizei-Betriebsfest? Damit würden die Beamten ja direkt mal Humor beweisen.
SiKO: Die wenigen Konzertdaten für dieses Jahr haben wir bereits im Neuland Internet veröffentlicht. Partys für Bullen schließe ich zumindest kategorisch aus. Aber der Gedanke ist schon witzig und hat mich temporär schon ziemlich gut unterhalten.
Aber vielleicht melden sich ja mal die Betroffenen der Hausdurchsuchungen. Nach dem Motto: „Nach der SoKo LinX kommt die SOKO LiNX. Wohnzimmerkonzerte statt Hausdurchsuchungen.“
OXON: Also auf der internen Weihnachtsfeier der Soko Linx aufzutreten, das wäre schon funny. Party auf Staatskosten. Quasi ein Neun-Euro-Ticket für Musiker/-innen. Allerdings sehen wir da zwei Hürden: Erstens sind wir keine Coverband und zweites hätten wir, wenn wir eine wären, keine Songs von Störkraft, den Onkelz oder Freiwild im Repertoire.
Und beides ist laut der Bookingabteilung des Innenministeriums ein must-have für Polizei-Partys. Schade.
Zu finden ist die Band samt Musik unter:
https://de-de.facebook.com/sokolinx/
https://www.instagram.com/soko_linx/?hl=de
https://www.youtube.com/channel/UCaa0pKktbKznONHqN3NQ3cg
https://open.spotify.com/artist/1OPu1Y19CGH7urbsrq0Vwb
„Nicht nur Gewalt und Repressalien: Die Band SOKO LiNX im Gespräch über ihren provokanten Namen, ihre Vermummung und Lina E. “ erschien erstmals am 24. Juni 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ).
Unsere Nummer 103 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
Keine Kommentare bisher