So entstehen neue Ideen und nicht nur die LZ staunte 2016 darüber, wie es ein paar profilierungssüchtige Leipziger Politiker fertigbrachten, das Bachfest zur Disposition zu stellen und es in einem großen Leipziger Musikfest verwursten zu wollen. Ein Vorstoß, der damals glücklicherweise abgewendet wurde. Der aber auch in eine Idee mündete, die 2020 mit weltweitem Echo umgesetzt werden sollte. Aber dann kam Corona.
Und damit das Aus für ein Bachfest 2020 in Präsenz. Und das ausgerechnet bei einem Programm, für das eigentlich über 50 Bach-Chöre aus aller Welt anreisen sollten. Aber da waren sämtliche Grenzen dicht. Das Programm wurde eingedampft und war nur in Teilen als Livestream erlebbar – auch wenn diese Online-Konzerte trotzdem zeigten, wie groß das Interesse am Leipziger Bachfest weiterhin war.
Der Slogan für diese 2020er Bachfest wart so schön aussagekräftig: „BACH – We Are FAMILY.“
Da steckte nicht nur die Geschichte der Bachfamilie drin, die sich in Thüringen einst regelmäßig zum gemeinsamen Musizieren traf.
Da steckte auch ein Gedanke drin, den Leipzigs große Reformer 2016 fast zu vergessen schienen: Dass Bachs Musik Menschen rund um den Globus verbindet und Bachs Wirkungsort Leipzig für viele Musikbegeisterte wie ein Mekka ist, an das man wenigstens einmal im Leben gepilgert sein muss. Einmal an seinem Grab stehen und seine Musik in seiner Thomaskirche zu erleben, das zieht Menschen aus aller Welt jedes Jahr nach Leipzig.
Und dass das nach zwei Jahren Pandemie ganz und gar nicht vergessen ist, zeigen die jüngsten Verkaufszahlen, wie Bachfest-Intendant Michael Maul am Freitag, 3. Juni, mitteilte. Es sind zwar keine Rekordanmeldungen. Das ist auch gar nicht zu erwarten, denn noch immer gelten für etliche Länder Reisebeschränkungen.
Und das Bachfest selbst wird – obwohl das amtlicherseits nicht mehr gefordert wird – trotzdem mit einem Sicherheitskonzept gefahren, so Maul. Man versuche wirklich zwischen allen Ticketkäufern möglichst jeweils einen Platz freizuhalten.
Buchende Gruppen und Familie sitzen zwar beisammen. Aber zum nächsten Ticketkäufer soll Platz bleiben, um zumindest ein gewisses Maß an Sicherheit in den Konzerten zu schaffen und sie nicht zum Hotspot werden zu lasen.
Was die Platzkapazität um 25 bis 39 Prozent senkt.
20 Bach-Chöre singen in sechs Kantatenkonzerten
Aber dafür wird etwas möglich, was sich 2020 so kurzfristig zerschlagen hat, als 55 Bach-Chören aus aller Welt kurzfristig abgesagt werden musste. Etlichen von ihnen begegneten die Online-Zuschauer des Bachfestes damals trotzdem online, da sie rund um die Erde musikalische Grüße nach Leipzig sandten.
Jetzt alle damals eingeladen Chöre zugleich nach Leipzig zu holen, war dann freilich auch Michael Maul etwas zu gewagt. Weshalb es „nur“ ein etwas kleineres „BACH – We Are FAMILY“ im Rahmen des Bachfestes geben wird – mit 20 Chören, die ihre Reise nach Leipzig zusagen konnten.
Im Programmheft erläutert Michael Maul die Hintergründe für das Motto: „Die Planungen für unseren neuen Bachfest-Jahrgang reichen weit zurück und sollten eigentlich schon 2020 Realität werden. Die Corona-Pandemie hat unser großes Vorhaben vereitelt, doch nun soll es 2022 und 2024 umgesetzt werden.
Am Anfang stand die Vision, ein Fest zu feiern, wie es die Bachfamilie einst in Thüringen zu feiern pflegte. Einmal im Jahr traf sich die weitverzweigte Musikerfamilie an einem bestimmten Ort, um gemeinsam zu musizieren und die legendären Quodlibets zu singen. Heute ist die Bachfamilie eine globale. Überall auf der Welt gibt es Menschen, die sich wegen ihrer Liebe zu Johann Sebastian Bach in Gesellschaften oder Chören zusammenschließen.
Die älteste dieser Vereinigungen, die Neue Bach-Gesellschaft, feiert regelmäßig gemeinsam mit uns ihr jährliches Bachfest. Aber diesmal wollten wir alle weiteren ‚Familienmitglieder‘ ebenfalls einladen, also sämtliche Bach-Vereinigungen, die wir auf dem Globus fanden. Die Resonanz hat all unsere Erwartungen übertroffen.“
Trailer Bachfest Leipzig „BACH – We Are FAMILY“
Über 50 BachChöre und -Ensembles von allen Kontinenten wollen zu den originalen Bach-Stätten nach Leipzig pilgern, um aktiv am Bachfest teilzunehmen. Nicht alle werden schon 2022 dabei sein können, zu unsicher sind derzeit noch die Planungen speziell für Bach-Chöre von fernen Kontinenten.
„Deshalb haben wir beschlossen, einen Teil unseres Vorhabens auf 2024 zu verschieben“, so Maul. „Und dennoch kann ich voller Stolz und Vorfreude ankündigen: Die Bachfeste 2022 und 2024 werden die größten Familienfeste, die die weltweite Bach-Community je gefeiert hat. Da passt das Motto ‚BACH – We Are FAMILY!‘ für beide Jahrgänge perfekt, denn es steht für dieses wunderbare Zusammengehörigkeitsgefühl, das uns alle verbindet. Und das wird sich in dem zweiteiligen Festivalkonzept immer wieder – und immer wieder anders – zeigen.“
Die Auftritte der Bachchöre findet man im Programmheft unter „Cantate Domino!- Bachchöre aus aller Welt, Teil1“.
„Eigentlich wollten wir in unserem Bachfest mit Bach-Chören von allen Kontinenten in 18 Konzerten Bachs großen Choralkantaten-Jahrgang aufführen. Angesichts diverser Unsicherheiten können wir dieses große Vorhaben aber erst im Bachfest 2024 – wenn der Jahrgang 300 Jahre alt wird – umsetzen“, heißt es da.
„In den sechs Kantaten-Konzerten von Bach-Chören aus Paraguay, Kanada, Dänemark, Österreich und Deutschland werden wir aber einen lebendigen Vorgeschmack auf die dann geplante Fortsetzung von ‚BACH – We Are FAMILY‘ bekommen.“
Die Konzerte
Freitag, 10. Juni, 17 Uhr im Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli
No. 9: J. S. Bach: Herz und Mund und Tat und Leben, BWV 147 · Meine Seel erhebt den Herren, BWV 10 · Christum wir sollen loben schon, BWV 121
Mit Hannah Morrison (Sopran), Ulrike Malotta (Alt), Andreas Post (Tenor), Klaus Mertens (Bass), Bach-Verein Köln, Concerto con Anima, Leitung: Christoph Siebert
Montag, 13. Juni, 17 Uhr im Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli
No. 60: D. Buxtehude: Wo soll ich fliehen hin, BuxWV 112 · J. S. Bach: Wo soll ich fliehen hin, BWV 5 · Ach, lieben Christen, seid getrost, BWV 114
Mit Sibylla Rubens (Sopran), Ann Juliette Schindewolf (Alt), Florian Sievers (Tenor), Bachchor Arnstadt, capella arnestati, Leitung: Jörg Reddin (Bass)
Dienstag, 14. Juni, 15 Uhr im Paulinum – Aula und Universitätskirche St. Pauli
No. 70: J. S. Bach: Liebster Immanuel, Herzog der Frommen, BWV 123 · Jesu, nun sei gepreiset, BWV 41
Mit Lucas Pohle (Orgel), Nina Bols Lundgren (Sopran), Rikke Lender (Alt), Rasmus Gravers Nielsen (Tenor), Torsten Nielsen (Bass), Concert Clemens Aarhus (Dänemark), Pauliner Barockensemble, Leitung: Carsten Seyer-Hansen
Mittwoch, 15. Juni, 14 Uhr in der Nikolaikirche
No. 79: J. S. Bach: Ich freue mich in dir, BWV 133 · Es ist das Heil uns kommen her, BWV 9 · Der Herr denket an uns, BWV 196
Mit Alba Álvarez (Sopran), Laila Salome Fischer (Alt), José Mongelós (Tenor), Alejandro Meerapfel (Bass), Bach Collegium de Asunción / Sociedad Bach del Paraguay, Leitung: Diego Sánchez Haase
Donnerstag, 16. Juni, 14 Uhr in der Nikolaikirche
No. 89: J. S. Bach: Wer Dank opfert, der preiset mich, BWV 17 · Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen, BWV 12 · Was Gott tut, das ist wohlgetan, BWV 99 · J. J. Fux: Laudate Dominum, E 29
Mit Miriam Feuersinger (Sopran), Katrin Auzinger (Mezzosopran), Daniel Johannsen (Tenor), Matthias Helm (Bass), Grazer Domkantorei (Österreich), Capella Leopoldina, Leitung: Josef M. Doeller
Freitag, 17. Juni, 11.30 Uhr in der Thomaskirche
No. 101: J. S. Bach: Meinen Jesum lass ich nicht, BWV 124 · Ach Gott, wie manches Herzeleid, BWV 3 · Was mein Gott will, das gscheh allzeit, BWV 111
Mit Meredith Hall (Sopran), Nicholas Burns (Countertenor), Nils Brown (Tenor), David John Pike (Bass), Ottawa Bach Choir (Kanada), Pauliner Barockensemble, Leitung: Lisette Canton
Kartenpreis: 32,00 Euro, ermäßigt: 26,00 Euro, Paket aller sechs Konzerte: 140,00 Euro / ermäßigt: 115,00 Euro.
Weitere 25 Mitglieder der Bach-Familie werden in Gottesdiensten, Metten und Motetten singen, sie kommen aus Japan, Lettland, Deutschland, den USA, Frankreich, Belgien, Spanien und der Schweiz.
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