Manchmal hängt es an einem Mann, der sich ein großes Thema um den Hals hängt und eigentlich die Seele des Ganzen ist. Und wenn er abtritt, ist niemand da, der sich an seiner Stelle in die Seile hängt. So ist es der 2010 gegründeten Richard-Wagner-Stiftung ergangen, die eigentlich die Wagner-Pflege in Leipzig langfristig konzeptionell untersetzen sollte. Aber die Erkrankung des Stiftungsgeschäftsführers Thomas Krakow setzte dem eigentlich schon 2019 ein Ende. Das Kulturdezernat reagiert nun.
Seit 2017 wurde die Stiftung institutionell von der Stadt gefördert. Das Interesse der Stadt, die Wahrnehmung Richard Wagners im Kulturleben der Stadt lebendig zu erhalten, ist ungebrochen. Doch nach dem Ausscheiden von Thomas Krakow, den die Leipziger auch als langjährigen Vorsitzenden des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig kennen, war niemand da, der so wie er konzeptionelle Vorarbeit leisten konnte, um der Stadt ein belastbares Strategiepapier vorzulegen, das eine Fortsetzung der institutionellen Förderung begründet hätte.
Thomas Krakow hatte aus gesundheitlichen Gründen 2019 selbst alle Ämter niedergelegt. Und damit eigentlich erst sichtbar gemacht, dass vieles, was der Verband in den vergangenen 20 Jahren auf die Beine gestellt hat, ohne ihn nie zustande gekommen wäre – nicht die Feiern zum Wagner-Jubiläum 2013 und auch nicht das durchaus beachtenswerte Comeback Richard Wagners in die Reihe der großen Komponisten, die in Leipzig gefeiert werden. Was auch zum Teil am von Krakow gefundenen Slogan „Richard ist Leipziger“ liegt, der sich auch touristisch gut vermarkten lässt. Denn er ist ja – anders als andere geehrte Komponisten – tatsächlich in Leipzig geboren.
„Die Wahrnehmung Leipzigs als ,Wagner-Stadt‘ war außerhalb und insbesondere auch innerhalb der Stadt lange Zeit marginal. Mit der Revitalisierung des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig ab 2006, der Gründung der Richard-Wagner-Stiftung Leipzig 2010 und der temporären Einsetzung eines Koordinators für das Richard-Wagner-Jubiläumsjahr 2013 zum 200. Geburtstag des Komponisten konnte die Sichtbarkeit als ,Wagner-Stadt‘ verbessert werden“, heißt es jetzt in der Vorlage des Kulturdezernats für den Stadtrat.
Der erwähnte Koordinator war natürlich auch niemand anders als Thomas Krakow, der damit auch deutlich aus seiner Berufstätigkeit im Referat für Internationale Beziehungen der Stadt heraustrat. Er wurde regelrecht zum Gesicht des Leipziger Wagner-Jubiläums.
Aber auch das Kulturamt darf nicht einfach jeden Verein fördern, den man dort gerade spannend findet. Was auch noch für andere Vereine eine Rolle spielen wird. Denn institutionelle Förderung ist quasi die Traumförderung für jeden Verein: Die Stadt unterstützt den Verein jedes Jahr mit einer Grundfinanzierung, ohne dass für jedes einzelne Projekt ein Extra-Antrag eingereicht werden muss. Das bringt Ruhe in die Arbeit. In diesem Fall ermöglichte es auch den Betrieb eines eigenes Stiftungsbüros.
Aber gleichzeitig hat der Stadtrat die Aufgabe gesetzt, die Aufgabe aller drei Jahre zu evaluieren. Was für den geförderten Verein (in diesem Fall die Stiftung) bedeutet, eine belastbare Arbeitskonzeption für die nächsten Jahre vorzulegen.
Aber irgendwie fehlt es ohne Thomas Krakow an jemandem, der das kann.
„Die Aufgabe für die kommenden fünf Jahre sollte es nach dem Ratsbeschluss vom 13.12.2017 (RB VI-DS-04859-NF-01) daher sein, neben einer mittel- und langfristigen Programmatik- und Vermarktungskonzeption die Wagnerstadt Leipzig als Teil der Dachmarke ,Musikstadt Leipzig‘ zu institutionalisieren und die Angebote entsprechend auszurichten.
Angestrebt war, die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren, Institutionen und Häusern zu bewirken und dazu auch mittel- und langfristig in ressort- und fachübergreifenden Netzwerken zusammenzuarbeiten, um Leipzig als national und international anerkannte, weltoffene Kulturstadt mit einem vielfältigen, internationalen Publikum durch ein kontinuierliches Wagner-Angebot zu stärken und gleichzeitig mit Themen grundlegender Relevanz wie der Ermöglichung kultureller Teilhabe und der Förderung des musikalischen Nachwuchses zu verknüpfen“, betont das Kulturdezernat.
„Um eine Kontinuität und damit einhergehend den schrittweisen strategischen Ausbau des Veranstaltungsangebotes zu ermöglichen, bedurfte es zunächst der Schaffung der entsprechenden Ressourcen in Form der Beteiligung der Stadt Leipzig an der Richard-Wagner-Stiftung Leipzig (fortan: ,Stiftung‘). Ursprüngliches Ziel dieser Beteiligung war es, dass die Stiftung mit institutioneller Förderung durch die Stadt das Thema „Richard Wagner in Leipzig“ koordinieren und als Projektträger auch durch eigene Formate und Kooperationen voranbringen sollte. In einem ersten Schritt sollte die Stiftung ein ausführliches Konzept für die kommenden fünf Jahre (2018 bis 2022) auch einen langfristigen Maßnahmenplan bis 2030 entwickeln. Diese, für die weitere Entwicklung der Stadt Leipzig als ,Wagner-Stadt‘ zwingende Grundlage, liegt bis heute aus den nachstehend dargelegten Gründen nicht vor.“
Die Stiftung hatte zwar Thomas Krakow als hauptamtlichen Geschäftsführer eingestellt. Aber seine Erkrankung hinderte ihn, das erforderliche Konzept zu erstellen.
„Allerdings konnte die reguläre Stiftungstätigkeit in der Folgezeit nicht entsprechend den Zielen nach der Stiftungssatzung wahrgenommen und die Auflagen der städtischen Zuwendungen erfüllt werden“, fasst es die Vorlage des Kulturdezernats zusammen.
„Der Grund hierfür ist im Wesentlichen die unverschuldete Erkrankung des Stiftungsgeschäftsführers ab Frühjahr 2019, die bis heute, Frühjahr 2020 andauert und fortwirkt. Daher konnte das operative Stiftungsgeschäft nur mit erheblichen Einschränkungen wahrgenommen werden. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass sowohl Stiftungsvorstände als auch Stiftungsratsmitglieder sämtlich ehrenamtlich für die Stiftung tätig sind und ihr Engagement neben hauptamtlichen bzw. freiberuflichen Tätigkeiten ausüben.“
Was eigentlich nur die Handlungsoption möglich macht, die institutionelle Förderung zu beenden. Denn neben dem Betrieb des Büros hat die Stiftung augenscheinlich keine andere Tätigkeit mehr entfaltet.
Unerfüllt blieben auch diese Punkte aus dem Stadtratsbeschluss von 2017:
„Konkrete Vorschläge zur Profilierung des authentischen Ortes ,Alte Nikolaischule‘ zum Ort des Erinnerns an Wagner und der lebenden Auseinandersetzung mit seinem musikalischen und gesellschaftlichen Wirken und Erbe bis spätestens 30.04.2019 an die Beigeordnete und Bürgermeisterin für Kultur der Stadt Leipzig;
Konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der Wagnerausstellung in der ,Alten Nikolaischule‘ als wahrnehmbare und anziehende Touristenattraktion bis spätestens 30.04.2019 an die Beigeordnete und Bürgermeisterin für Kultur der Stadt Leipzig;
Vorlage von Nachweisen über die Vertiefung der Zusammenarbeit und Kooperation mit dem Richard-Wagner-Haus in Bayreuth bis spätestens 30.04.2019 an die Beigeordnete und Bürgermeisterin für Kultur der Stadt Leipzig;
Vorlage von Nachweisen über die Unterstützung der Entwicklung eines gemeinsamen Forschungsprojektes von Oper, Universität und dem Institut für Musikwissenschaft der Hochschule für Musik und Theater zur Wagner-Rezeption bis spätestens 30.04.2019 an die Beigeordnete und Bürgermeisterin für Kultur der Stadt Leipzig.“
Was die Kulturbürgermeisterin selbst mit einem gewissen Bedauern formuliert. Denn die Wagner-Ehrung will die Stadt ja weiterführen.
„Die Stadt Leipzig bekennt sich unabhängig davon als Geburtsstadt des Dichterkomponisten Richard Wagner weiterhin zu dessen musikalischen Erbe. Dieses Bekenntnis soll ausdrücklich mit Beschlusspunkt 2. Eingang in den Ratsbeschluss finden“, betont die Vorlage. „Die Erinnerung an das Leben und Wirken Richard Wagners in Leipzig ist ein weiterer Schwerpunkt in der städtischen Kulturpolitik. Die Umsetzung liegt nun insbesondere in Händen der Kultureinrichtungen, wie der Oper, dem Gewandhaus, dem Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig, der Kulturstiftung Leipzig, der Leipzig Tourist und Marketing GmbH (LTM) und dem Richard-Wagner-Verband.“
Update, 28. Juli:
Statement des kulturpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion Leipzig, Michael Weickert, zur geplanten Rückzug der Stadt aus der Richard-Wagner-Stiftung.
“Probleme in der Struktur und Arbeit sind ernst zu nehmen. Schließlich unterstützt die Stadt die Stiftung mit öffentlichen Mitteln und es ist dringend geboten, mit diesem Geld sorgsam umzugehen.
Ein Rückzug aus der Stiftung sollte wohlüberlegt sein. Für uns ist wichtig, dass die 90.000 Euro institutionelle Förderung beim Thema Wagner verbleiben. Mit wem und in welcher Form muss sorgsam diskutiert werden.
Es bedarf einer klaren Fehleranalyse in Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure gemeinsam mit dem Stadtrat.
Für uns gilt: Leipzig ist Wagnerstadt und Leipzig bleibt Wagnerstadt!”
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