Viele Musikfreunde kennen Robert Pohlers als 2. Tenor des Vokalquintetts Amarcord. Eigentlich wollten die Leipziger an diesem Wochenende beim internationalen Viborg-Festival Bach und in Neuruppin Buxtehude singen. Die Auftritte fielen dem Coronavirus zum Opfer. L-IZ.de hat mit dem Nachwuchssänger über die Auswirkungen der Pandemie für freischaffende Künstler gesprochen.
Herr Pohlers, wie sieht im Augenblick ihr Alltag aus?
Eigentlich sehr abwechslungsreich. Ich lese viel, singe, übe Klavier, lerne neue Dinge und versuche, mich in verschiedenen Bereichen weiterzubilden. Ich habe im Moment viel Zeit, um mich den Dingen im Leben zu widmen, die sonst gerne zu kurz kommen. Aktuell lese ich die Biografie von Kurt Weill. Das ist wiederum das Schöne und das, wofür ich so dankbar bin. Mein Beruf ist meine Leidenschaft. Das, was mich jeden Tag antreibt.
Insofern nehme ich es nur begrenzt als Arbeit war. Dass das jetzt lokal zu Hause und ohne Auftritte vor Publikum passieren muss, ist im Moment einfach so und auch in den nächsten Wochen vermutlich noch nicht zu ändern. Ich versuche einfach das Beste daraus zu machen und bleibe positiv.
Sie waren im Februar privat in den USA. Wie sind die Menschen dort mit der nahenden Corona-Pandemie umgegangen?
Um ehrlich zu sein: Das hat dort noch keine große Rolle gespielt und ich vermute, dass man es dort, wie an ganz vielen anderen Orten der Welt, einfach unterschätzt hat, welche massive Aufgabe da auf die gesamte Menschheit zurollt. Was mich aber sehr viel mehr ärgert als das, sind die jungen Amerikaner, von denen man liest, dass sie ihren „Spring Break“ feiern, als wenn alles normal wäre.
Da kann man in solchen Zeiten, finde ich, schon mal das Wort „asozial“ bemühen, oder sie haben tatsächlich nicht verstanden, dass es nicht zwangsläufig um ihre eigene Gesundheit geht, die es zu schützen gilt.
Wann haben Sie selbst realisiert, dass wir uns in einer noch nie dagewesenen Krise befinden?
Tatsächlich erst, als in Italien und Spanien die ersten Ausgangssperren verhängt wurden. Das habe ich in meinem, zugegeben noch recht kurzen, Dasein noch nicht erlebt und das war für mich ein erster Indikator dafür, wie ernst die Lage tatsächlich zu sein scheint.
Danach habe ich vermutlich ähnliche Stadien durchlaufen wie viele andere, vom Unverständnis über die Verbote hin zu der Erkenntnis, dass es hier nicht um den einzelnen geht, sondern um das Gesellschaftliche Wohl nicht nur Deutschlands, sondern der Welt. Und da möchte ich meinen Teil beitragen, auch wenn es eine Beschneidung der eigenen Komfortzone bedeutet und sicherlich nicht leicht ist.
Ihre Konzerte wurden alle abgesagt. Haben Sie jetzt jede Menge Freizeit?
Mir wird nicht langweilig, wenn die Frage darauf abzielt. Sagen wir, ich habe mehr Zeit, um Konzertprogramme zu planen, zu üben, mich auf mein Leben zu konzentrieren und Dinge zu tun, die mir außer der Musik noch Spaß machen. Aber klar ist, dass man als Musiker mit dem, was man einstudiert hat, irgendwann vor Publikum auftreten möchte.
Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass wir als Gesellschaft es schaffen werden, das Virus zu bekämpfen und einzudämmen, wenn sich jeder als Teil des Puzzles und wichtig fühlt. Eine Krise ist irgendwo auch immer eine Chance, sich auf die gemeinsamen Werte zu besinnen und als „Homo sapiens sapiens“ dem Namen auch gerecht zu werden und klug und besonnen zu agieren.
Können Sie im Augenblick überhaupt als Ensemble proben?
Im Moment proben wir freiwillig nicht. Wir haben uns als potenziellen Multiplikatoren mehr oder weniger selbst eine Quarantäne auferlegt, um niemanden in unserem Umfeld unnötig zu gefährden. Wir sind regelmäßig via Videochat im Austausch, um zu verhindern, dass jemand von uns dem Lagerkoller erliegt und um wichtige Dinge zu besprechen.
Konzerte müssen zum Beispiel verschoben werden. Nicht zuletzt behalten wir die Situation wegen unseres a-cappella Festivals sehr genau gemeinsam im Blick und tauschen uns über das Vorgehen aus. Nach Ablauf der Quarantäne und wenn sicher ist, dass von uns niemand infektiös ist, werden wir uns wieder zum Proben treffen. Denn irgendwann werden wir wieder öffentlich auftreten dürfen und wollen dann wieder voll da sein.
Wie hart treffen Sie die wirtschaftlichen Folgen der abgesagten Live-Auftritte?
Es wäre gelogen zu sagen, dass es uns als Ensemble und mich nicht hart träfe. Wir sind uns aber dessen sehr bewusst, dass es in unserer Branche Menschen und Kollegen gibt, bei denen es in der momentanen Lage noch schneller als vielleicht bei uns existenzbedrohend werden wird. Hier sind über Jahrzehnte aufgebaute Existenzen in Gefahr und mancher weiß neben der Frage, wie er seine Familie ernähren soll, nicht, wie er seine Miete begleicht.
Das sind schon surreale Szenerien, die sehr schnell und auf zum Teil heftige Art und Weise real geworden sind. Das wünscht man niemandem. Wir versuchen unseren Teil dazu beizutragen und auf das Problem aufmerksam zu machen mit der Stimme, die wir haben, in der Hoffnung, dass zügige Maßnahmen vonseiten der Politik ergriffen werden, um eine kultur-wirtschaftliche Katastrophe abzuwenden. Diese würde sich mutmaßlich massiv auf die glücklicherweise so vielfältige Kulturszene in Deutschland auswirken.
Was erwarten Sie persönlich von der Politik, um die wirtschaftlichen Folgen für freischaffende Künstler abzufedern?
Es stehen verschiedene, durchaus vielversprechende Ideen im Raum. Entscheidend wird aber sein, dass man nicht zu viel Zeit verstreichen lässt, denn viele Selbstständige kommen mit ihren Rücklagen maximal noch über den April, wenn überhaupt. Die Politik muss zügig Entscheidungen treffen und vor allem zeitnah umsetzen, möchte sie verhindern, dass weite Teile der Kulturszene wirtschaftlich in sich zusammenfallen.
Auch wenn Claude Debussy zurecht sagte: „Musik ist die Stille zwischen den Tönen”, muss die Politik aufpassen, dass sie der aktuellen Pause keine Fermate anheimstellt.
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