Seit Freitag dreht sich das Leipziger Musikleben wieder für zehn Tage um Johann-Sebastian Bach. Zum Auftakt des Bachfests erklangen in der Thomaskirche neben Bach-Kompositionen Werke von Schein, Schütz und Mendelssohn. Der Höhepunkt des internationalen Festivals für Alte Musik ist in diesem Jahr der „Kantatenring“, die zyklische Aufführung von 33 Bach-Kantaten binnen 48 Stunden.

Die Eröffnung des Bachfests war in diesem Jahr zweigeteilt. Nach dem „offiziellen“ Eröffnungskonzert in Gegenwart zahlloser Ehrengäste aus Politik, Kultur und Gesellschaft zog die Bach-Gemeinde weiter in die Nikolaikirche zum ersten von zehn Kantatenring-Konzerten.

Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) betonte in seinem Grußwort die Internationalität der Musik. Bachs Musik sei eine „Botschaft der globalen Verständigung“, nicht der Scharfmacherei und Kriegstreiberei. Die Spitzen galten dem umstrittenen Botschafter Richard Grenell, der für das diesjährige Gastland USA das protokollarische Grußwort zu sprechen hatte. Dessen Interview mit dem rechten Magazin Breitbart hatte Anfang der Woche mediale Wellen geschlagen. Die befürchteten Proteste blieben aus. Allerdings applaudierte ihm das Publikum deutlich verhaltener zu als seiner französischen Amtskollegin Anne-Marie Descôtes.

Der US-Diplomat bedankte sich höflich für die Einladung und lobte das Leipziger Engagement zur interkulturellen Verständigung. Beispielhaft erwähnte Grenell das 25-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft mit Houston sowie die Kooperation zwischen Gewandhaus und Boston Symphony Orchestra. „Ich möchte der Stadt Leipzig für die Ausrichtung dieses beeindruckenden Festivals danken.“

US-Botschafter Richard Grenell sprach das traditionelle Grußwort des Gastlandes. Foto: Bachfest Leipzig/www.malzkornfoto.de
US-Botschafter Richard Grenell sprach das traditionelle Grußwort des Gastlandes. Foto: Bachfest Leipzig/www.malzkornfoto.de

Musikalisch stand mit Bachs Toccata und Fuge in d-Moll der Orgelklassiker schlechthin auf dem Programm, der von Thomasorganist Ullrich Böhme gewohnt eindrucksvoll interpretiert wurde. Thomanerchor und Gewandhausorchester wagten sich anschließend an Johann Hermann Scheins anspruchsvolles Chorkonzert „Herr Gott, dich loben wir.“ Die Komposition für sechs Vokal- und Instrumentalchöre geriet zu einer Kraftprobe, die die Thomaner unter Leitung ihres Kantors Gotthold Schwarz souverän meisterten.

Dass sich der erfahrene Kirchenmusiker entschied, Teile des Ensembles und die Solisten Anja Binkenstein und Robert Pohlers auf den Seitenemporen und im Parkett zu platzieren, erwies sich leider nur bedingt als sinnvoller Schachzug. Die Zuhörer auf den Emporen konnten nicht ansatzweise das ausbalancierte Klangbild erhören, das die Mitwirkenden ins Mittelschiff warfen.

Im Anschluss interpretierte der Thomanerchor geistliche Choräle von Schein und Heinrich Schütz. Der weltbeste Knabenchor bewies in den kraftraubenden Stücken erneut seine exzellente stimmliche Qualität. Musikalische Souveränität strahlten die Jungs auch in der Interpretation der F-Dur-Messe und des Mendelssohn-Chors „Verleih uns Frieden, gnädiglich“ aus. Von Erschöpfungssymptomen war bei den jungen Sängern trotz der schwülen Luft auf der Orgelempore rein gar nichts zu spüren. Das Publikum spendete anhaltenden Schlussapplaus.

Thomaskantor Gotthold Schwarz dirigierte Gewandhausorchester und Thomanerchor Foto: Bachfest Leipzig/www.malzkornfoto.de
Thomaskantor Gotthold Schwarz dirigierte Gewandhausorchester und Thomanerchor Foto: Bachfest Leipzig/www.malzkornfoto.de

In der Nikolaikirche standen anschließend vier Adventskantaten auf dem Programm, die von Bach-Archiv-Präsident Sir John Eliot Gardiner, seinem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists in historischer Aufführungspraxis interpretiert wurden. Dass der Auftakt des Kantatenrings, der auf eine Idee Gardiners zurückgeht, ohne den Trubel des Eröffnungskonzerts über die Bühne ging, dürfte dem Egozentriker gefallen haben. So waren alle Augen auf ihn gerichtet, der mit gebührendem Abstand zum Chor zum Pult schritt und den Auftrittsapplaus sichtlich genoss.

Solcherlei Allüren brachten Gardiner in der Vergangenheit reichlich Kritik ein. Doch was andere sagen hat den 75-Jährigen nie gekümmert. Und die musikalischen Erfolge geben dem Bach-Spezialisten sowieso recht. Die über 13.000 Tickets für die Konzerte waren binnen kürzester Zeit restlos vergriffen. Das Projekt, an dessen Umsetzung neben Gardiner und Schwarz die Routiniers Ton Koopman, Masaaki Suzuki und Hans-Christoph Rademann mitwirken, erfährt in der Fachpresse weltweit Beachtung. Ähnliche Projekte sind für die kommenden Jahre in Planung. Erfolg gibt dem recht, der ihn hat.

 

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