Am Donnerstag gab sich Stargeiger Joshua Bell im Gewandhaus die Ehre. Auf dem Programm stand Tschaikowskis Violinkonzert. Michael Sanderling dirigierte im Anschluss noch die 4. Sinfonie des Nussknacker-Komponisten.
18 Jahre musste das Gewandhauspublikum auf einen Auftritt des großen Ausnahmetalents aus den Vereinigten Staaten warten. Tschaikowskis Violinkonzert zählt zu den Spezialitäten des 49-Jährigen, der 2008 mit einem Auftritt in der Washingtoner Metro in der internationalen Presse für Furore sorgte.
Pjotr Tschaikowski komponierte das Werk nach einer schweren Lebenskrise. 1877 heiratete der Russe eine Frau, die er kaum kannte, um seine Homosexualität zu verdecken. Die Ehe hielt kaum einmal drei Monate, bis Tschaikowski das Weite suchte. Noch im selben Jahr schrieb er die 4. Sinfonie, im Folgejahr dann das Violinkonzert.
Joshua Bell brauchte nicht lange, um dem Publikum zu gefallen. Sein zart vor sich dahinschmelzendes Spiel auf der millionenschweren Huberman-Stradivari ergriff binnen Augenblicken die Zuhörer. Michael Sanderling, in jüngeren Jahren 1. Solo-Cellist des Gewandhausorchesters und heute Chefdirigent der Dresdner Philharmoniker, baute Tschaikowskis wechselnd harmonisch bis schroffe Orchestermelodien in ausgewogener Balance um die markante Solistenstimme herum auf. Schon während des anspruchsvollen Solos im Mittelteil des ersten Satzes stellte Bell bravourös seine Fingerfertigkeit unter Beweis.
Höhepunkt war jedoch der nicht minder virtuos zu spielende dritte Satz, in dem Sanderling Solist und Orchester unaufhaltsam auf den klangmächtigen Kulminationspunkt der Partitur zusteuern ließ. Die angestaute Spannung im Saal entlud sich schließlich in einem anhaltenden Schlussapplaus. Bell durfte erst nach der obligatorischen Zugabe die Garderobe aufsuchen.
Nicht minder aufregend gestaltete Sanderling die 4. Sinfonie. Düsteres, klanggewaltiges Blech füllte im Wechsel mit den betont sanftmütig interpretierten, im Fluss der Musik vor sich dahinplätschernden Streicherteppichen den weitläufigen Konzertsaal.
Die prickelnde Atmosphäre des dritten Satzes, in dem alle Streicher gezupft gespielt werden, kostete Sanderling nach Herzenslust aus, um einen Spannungsbogen zu kreieren, der die Hörer nach kurzer Atempause unmittelbar in den vierten überführte. Das laute Finale erweckte bei den Zuhörern mit seinen plötzlichen Tempiwechsel und dem kraftvoll geschlagenen Trommeln, Pauken und Becken impulsive Emotionen, die sich beim frenetischen Schlussapplaus in den Saal entluden.
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