Matthias Goerne gehört zu den großen Namen des deutsch-romantischen Fachs. Dem Leipziger Publikum präsentierte der gebürtige Weimarer am Dienstag mit Schuberts „Winterreise“ einen Liederzyklus, den er bereits zwei Mal auf CD eingespielt hat.
Der Abend war einer der großen Höhepunkte des diesjährigen Konzertkalenders. Ein Jammer, dass der Große Saal an diesem Dienstagabend nicht annähernd ausverkauft gewesen ist. Matthias Goerne hätte einen vollen Saal verdient gehabt. Schon 2004 hatte der Bariton eine vielbeachtete Einspielung der „Winterreise“ mit Pianist Alfred Brendel vorgelegt. Zehn Jahre später nahm der Konzertsänger die 24 Lieder über Liebe, Schmerz und Abschiednehmen erneut auf. Auf dem Piano ließ er sich nun von dem weltbekannten Dirigenten und Pianisten Christoph Eschenbach begleiten. Beide Männer verbindet eine langjährige künstlerische Zusammenarbeit, von der auch das Gewandhaus profitieren durfte.
Ende November hatte das Duo Goerne/Eschenbach mit dem Gewandhausorchester Thomas Larchers Sinfonie „Alle Tage“ uraufgeführt. Am Dienstag war der Weltbürger Eschenbach jedoch verhindert, so dass Pianist Leiv Ove Andsnes am Flügel in die Tasten griff. Matthias Goerne machte seinem Ruf als Liedinterpret ersten Ranges alle Ehre. Mit seinem butterweichen Timbre kreierte der Solist eine sinnliche Einheit aus Schuberts Musik sowie des Textes und des Inhalts der Gedichte aus der Feder Wilhelm Müllers.
„Ich kann zu meiner Reisen / Nicht wählen mit der Zeit, / Muß selbst den Weg mir weisen / In dieser Dunkelheit.“ Goerne sang Zeilen wie diese aus der Perspektive des umherirrenden Wanderers, dessen Rolle er mit ganzer Hingabe einnahm. Binnen 80 Minuten vollzog der Bariton mit Stimme und Gestus eine famose Reise durch Schuberts nihilistische Winterwelten, ohne dabei die Bühne zu verlassen.
Goerne verführte, zweifelte, wütete, fuhr versweise aus der Haut. Besonders stark waren aber auch die schweigenden Momente, in denen der Interpret immer wieder den Blick ins Auditorium richtete, als lausche er, der Schubert’sche Wanderer, unsichtbaren Stimmen aus den Tiefen des Saales.
Das Leipziger Publikum war von Goernes Darbietung hellauf verzückt. Einzelne Zuhörer wischten sich nach dem letzten Takt des ruhigen Schlusslieds, „Der Leiermann“, zunächst einmal die Tränen aus den Augen. Minutenlang verharrte der Saal im andächtigen Schweigen, das schließlich anhaltenden Beifallsstürmen und Standing Ovations zu weichen hatte.
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