Vor einiger Zeit trat Tanner mit Katharsis und der "Leipziger Schule" vor schunkelndem Volk auf und man war sich sympathisch. Das ist nicht unbedingt das Normalste, sagt doch Tanner immer zu seiner Tochter: "Wehe, wenn Du mir mit einem Hiphüpfer nach Hause kommst!". Nun dürfte sie den Johnny Katharsis gern mal mit nach Hause bringen, mit dem würde der Tanner dann aber die Bembel aneinander klatschen. Und übers neue Tape schnattern. Dies taten die beiden aber auch so. Jetzt, hier im Interview.
Hallo Johnny Katharsis. Derzeit schwirrt durch Hip-Hop-Land ein Werk von Dir, zusammen mit dem US-Rapper Matlock. Richtig Oldschool auf Tape. Wieso habt Ihr denn das Tape als Medium genutzt? Keine Angst vor Bandsalat?
Nein, keine Angst vor Bandsalat. Das Album heißt ja “Those Days” und auch das Cover ist so ein Verweis auf einen Rückblick in die alten Zeiten, die es so wahrscheinlich niemals gab… eben nur in unserer Erinnerung. Aber das ist eben dieser geile Flavour. Das Medium da anzupassen und das oldschoolig durchzuziehen, war naheliegend. Der Sound ist mit gesampelten Beats, eingespieltem Saxophon von Michael Breitenbach und Gitarre von Paul Schweidler auch so ein schöner Throwback. Für unsere Trucker und Fernfahrer gibt’s das Tape seit diesem Monat digital bei iTunes, Amazon, Spotify und überall sonst. Ich empfehle aber das Tape, liegt halt einfach geil in der Hand und wenn man es dann in sein Yamahadeck einlegt, dem Rauschen die ersten Saxophon-Lines, Gitarre, Sample und wunderbar von Target gechillt gemischte Vocals folgen, ist alles auf Sommer. Peng.
Dein Rap ist ja ein ganz schöner Crossover – letztens sah ich in einem Video von Dir Neo Kaliske, der ja eher als der Schmusehippie und Hipstermusikant bekannt ist, auf einem Skateboard durchs Bild fahren. Ich dachte Hip Hop ist raues Leben und viele Worte. Lässt Du Dich auch von anderen Genres beeinflussen? Und wenn ja, von wem denn konkret?
Hip Hop ist ein raues Leben, ja, weil innerhalb der Szene halt nahezu jeder was macht. Ich glaube manchmal, meine Alben kaufen eigentlich nur andere Rapper, Maler, DJs, Videodudes, Skater und anderweitig Aktive. Außerhalb dieses kleinen Kreises gehört zu werden ist halt Arbeit. Vielleicht schaffe ich das auch durch diese Crossover-Attitüde, wie du sie nennst, weiß ich nicht, ich spiele halt live einfach lieber mit meiner Band “Leipziger Schule” als Solo mit DJ.
Das kommt einfach, weil ich als Kind und Jugendlicher viel Punk, Oi, Ska, Blackmetal, Crust und so gehört habe. Ich hänge auch immer noch viel lieber in Zeckenclubs rum, als auf schnieken Black Music Parties. Weil ich so viele Einflüsse habe, kenne ich mich logischerweise auch in anderen Genres aus, auch wenn Singer-Songwriter-Mucke nicht so krass zu meinem Interessenfeld gehört. Was der Kalle rausbringt, weiß ich aber, weil das ein guter Kumpel von mir ist, deswegen ist er auch im Video “Duke Nukem 3D” mit Gossenboss zu sehen. Neben Freundschaft muss man halt einfach objektiv sagen, was der Kaliske macht, macht er gut. Tu was du kannst, mit dem was du hast!
Es gibt von Dir ein Album namens “Sanfter Terrorismus”. Um was geht es da genau? Du bist ja auch oft in der ländlichen und kleinstädtischen Miefigkeit unterwegs. Wie ist da Deine Sicht auf die Dinge?
Tatsächlich bezieht sich der Album-Titel auf die vielen Interpretationsmöglichkeiten meiner Texte, wenn man sich denn damit beschäftigen mag. Muss man aber nicht, darf man auch einfach hören. Wenn man jedoch tiefer einsteigt, geht es in meiner Musik eben ganz viel um die Umgebung, in der wir uns bewegen und die Schwingungen, die man da spürt. Die ländliche Miefigkeit empfinde ich nicht immer als solche und das Rausfahren ist eine unglaubliche Inspirationsquelle. Leipziger Schule halt. Ich fahr inzwischen lieber mit dem Auto muss ich sagen, es ist ja mittlerweile wieder recht abenteuerlich mit der S-Bahn ins Umland zu heizen, mit den ganzen Birnen da.
Dieser “Sanfte Terrorismus” sollte da schon ein Angriff auf die dumme Sturheit sein, die sich beispielsweise aus den Kommentaren unter LVZ-Artikeln herauslesen lässt. Da werden Leute totgeschlagen, keinen juckts. Da gehen Scheiben zu Bruch und es handelt sich um Linksterror, der den Staat im Mark erschüttert. Alter.. Da redet dann auch mal ein Leipziger Oberbürgermeister in diesem Vokabular. #ersnichtguterjung. TERROR. What? Noch mal Geschichtsunterricht für alle, da war doch mal was in Deutschland… Und von der CDU aus sollen die, äh, Linksextremen dann genau so krass beobachtet werden wie die Rechten. Sag mal, denen müssen doch vom jahrelangen in den Schoß legen die Hände und das Hirn noch mit eingeschlafen sein. Überall, wo es einen rein friedlichen Protest gibt, können die Nazis machen, was sie wollen. Die Politik bewegt gefühlt keinen Huf. Vielleicht ist meine Musik auch deswegen auf dem Folgealbum “1984” mit Tracks wie “Randale” oder “Nacht” aggressiver geworden.
Aus der Innensicht, wie schätzt Du den derzeitigen Stand der Leipziger Hip Hop Community ein? Ist da Relevantes dabei? Wird etwas bleiben von der jetzigen Beweglichkeit?
Relevant ist alles, was released wird. Ich maße mir nicht an, da Geschmacksrichter zu spielen. Wenn es Leute gibt, die es feiern, dann ist es relevant. “Beweglichkeit” interpretiere ich jetzt auf das Netzwerken bezogen und auf das Nichtfesthängen in abgeschirmten Crews. Klar, man sieht sich und trinkt überall zusammen. Aber.. Mmm. Unsere Leipziger Szene kann noch sehr viel lernen. Für mich ist es zum Beispiel einfacher, z.B. Feats mit Freunden aus anderen Städten zu machen, einfach schon deswegen, weil die Mails beantworten können und wirklich regelmäßig Musik machen und nicht zu krass am hängen sind. Es kann in Leipzig durchaus sportlicher werden. Ernsthaft.
An sich ist die Szene aber schon aktiv, das will ich nicht runter reden. Da wird überall recorded und gecyphert. Und wenn es endlich mal auf Platte erscheint, ist das cool. Ob was bleiben wird? Das kann ich nicht für andere, aber für mich beantworten. Ich mach halt jedes Jahr stabil ein Album. Das kommt neben digitalem Vertrieb meistens auch physisch, zum Beispiel auf Tape raus. Zudem sind “Zarathustra”, “Sanfter Terrorismus”, “1984” und “Kosmonautenallee” auch alle auf Vinyl erhältlich, zum Beispiel bei HHV.de. Da es gekauft wird, und Leute, die auf Vinyl stehen, Sammler sind, gehe ich davon aus, dass etwas bleiben wird. Wie das andere für sich und ihre Arbeit beurteilen? Mmm… wenn du mal schaust, wie viele Videos zum Beispiel ein Arvid Wünsch für unsere Stadt gedreht hat oder wie viele Leute wöchentlich auf Open Mics und Jams sozialisiert werden, dann kannst du davon ausgehen, dass etwas bleiben wird.
Im Netz las ich, dass Du Dich auch noch bei Andreas Schmidt und Kick The Flame herumtreibst. Was machst Du denn da genau?
Kick The Flame ist der Verlag, bei dem ich unterschrieben hab. Die kümmern sich jetzt schon um einige Sachen und werden es im größeren Maße tun, wenn meine Stadt anfängt, mich ein bisschen zu tragen. Es wird ja schon besser. Zu Konzerten kommen jetzt schon ein paar Leute und Platten verkaufen sich auch hier und da. Leipzig ist da echt ne harte Schule. Ich habe mal paar Monate in Hamburg gewohnt, und die Atzen da feiern ihre eigenen Bands immer derbe ab. In so einer Stadt ist es für Musiker einfacher. Aber wie gesagt, ich schätze das an Leipzig sehr, dass es so schwer ist, das konditioniert einen krass. Zurück zu Kick The Flame. Die werden mir bei meiner nächsten Platte “Kathedrale” (2016) unter die Arme greifen. Das wird jetzt kein Megasprung werden, aber langsam ernährt sich das Nilpferd, oder so. Ich arbeite ja, wenn ein Album rauskommt meist schon am übernächsten. Also die Entwicklung ist da und es geht zur Sonne.
Zurück zum Tape. Welche Vertriebswege nutzt Ihr denn eigentlich? Wie kommt der Interessierte und die Interessierte denn an das gute Stück ran? Und was kostet das eigentlich heutzutage? Damals kostete eine Magnettonbandkassette inklusive Töne glaube ich 20 Ost-Mark.
Die Tapes kosten regulär 8.95 Euro, das ist die aktuelle Währung, sagte man mir. Ich so: OK. Wenn ich Geld für Schnaps brauche, kosten die Dinger auch mal mehr oder weniger oder können in unzeitgemäßeren Währungen bezahlt werden wie in geklauten Handys, BtMG-Verstößen oder, Trommelwirbel, anderen Tapes. Ich sammle ja auch. Die Teile selbst werden ja eh Sammler-Stücke, die man sich sichern kann wie ein kleines Stück Kunst. So als Wertanlage. Meine Tapes “Neotokyo” oder “Sommer” haben unter Sammlern zum Beispiel auf Discogs schon für nen Fuffi den Besitzer gewechselt. Also haltet die Bänder lieber fern von Magneten, Champs.
Wo man die herbekommt? Die Tapes kann man per Anfrage und je nachdem, ob ich Zeit habe, direkt bei mir ordern. Dann signiere ich auch oder lege ein Bonbon bei. Eigentlich kann man aber all meinen Stuff bei dem dufte Typen von HHV.de kaufen. Wenn man “Leipziger Schule Bandcamp” in Google klopft, findet man mich auch. Und wenn man “Katharsis Funkverteidiger” bei Soundcloud, iTunes, Spotify oder Amazon eingibt, ist auch alles da. Außerdem sollte man unbedingt den Stuff checken, der aus der Funkverteidiger-Crew kommt. Mase hat “Spliffmeister” veröffentlicht. Sendemast kommen mit “State of Flavour II”. Lukutz bringt seine “Funkverteidiger & Friends Remix LP” und von Maulheld und Odd Job wird jeweils auch definitiv was zu hören sein. F zu dem V. Cheers!
Danke für Deine Antworten Johnny – und weiterhin viel Spaß beim Run auf die Sonne!
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