Über 500 Mitwirkende haben am Sonntag unter Leitung von Gregor Meyer im Großen Saal "Ein deutsches Requiem" von Johannes Brahms aufgeführt. Das Konzert war Ergebnis einer Kooperation von Gewandhaus und dem Verein "Leipzig singt".
“Leipzig singt” veranstaltet seit 2011 Mitsingkonzerte. Anliegen des Vereins ist es, engagierten Laien einmal jährlich die Möglichkeit zu geben, ein bekanntes Chorwerk unter professionellen Rahmenbedingungen im Gewandhaus aufzuführen. Das Angebot richtet sich an alle, die gerne singen, über ein wenig Blattsingerfahrung verfügen, aber nicht die Zeit oder Möglichkeit haben, in einem großen Chor mitzuwirken. Die Teilnehmer erarbeiten ein chorsinfonisches Werk, das sie nach zwei Proben am Konzerttag vor großem Publikum aufführen. Den Mitsingenden steht es grundsätzlich frei, das Probenangebot des Vereins zu nutzen oder das Werk eigenständig einzustudieren.
In diesem Jahr stand mit dem Brahms-Requiem ein besonders populäres Werk auf dem Programm. Unterstützung erhielten die Sänger vom Gewandhauschor, dessen Leiter Gregor Meyer auch am Pult stand. Für den sinfonischen Teil hatten die Veranstalter das Kammerorchester camerata lipsiensis verpflichtet, das regelmäßig mit Meyer zusammenarbeitet.
Der außergewöhnlich große Chor stellte den Dirigenten vor eine knifflige Herausforderung. Die Laiensänger füllten die Orgel- und beide Orchesteremporen. Angesichts der Zusammensetzung des Monumentalchores durfte der Zuhörer kein Höchstmaß an musikalischer Präzision erwarten. Zwei Proben in voller Besetzung reichen mitnichten aus, um aus einem Laienensemble einen Profichor zu formen. Erst recht nicht bei über 500 Mitwirkenden.
Aus dieser Warte betrachtet, war die sängerische Darbietung durchaus zufriedenstellend. Den Laien war die pure Freude an der Sache anzumerken. Gregor Meyer hatte den sonoren Klangteppich, den der Chor ausrollte, jederzeit im Griff. Der Chordirektor präsentierte dem Publikum eine dynamische, ausdifferenzierte Lesart des Brahms-Klassikers. Ohrenbetäubend laute Tutti-Passagen, bei denen der Zuhörer daheim sofort am Lautstärkeregler seiner HiFi-Anlage drehen würde, wechselten sich mit gefühlvollen, sakral anmutenden Klangfarben ab.
Bariton Steven Klose sang seinen Solo-Part mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein. Allerdings mangelte es dem gebürtigen Radebeuler im dritten Satz am stimmlichen Volumen, um auch die allerletzten Reihen zu erreichen. Sopranistin Isabel Meyer-Kalis begeisterte dagegen im fünften Satz mit einem betörend feinfühligen Vortrag.
Um den Laien Entspannungsmomente zwischen den anstrengenden Chor-Sätzen zu verschaffen, brach Meyer die Partitur an vier Stellen auf. Der Gewandhauschor interpretierte zwischen den Requiem-Sätzen geistliche a-capella-Werke von Brahms, Johann Schelle, Lowell Mason und Adam Drese. Normalerweise ist solch ein rabiater Eingriff ins Werk natürlich ein No-Go, doch der Zweck heiligte am Sonntag die Mittel. Nach gut eineinhalb Stunden waren Publikum und Mitwirkende mit dem Dargebotenen vollauf zufrieden. “Zusammen singen ist Teil unseres Gesellschaftszusammenhalts”, sagte Kulturdezernent Michael Faber (parteilos) in seinem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung. Der Mann hat Recht.
Auf den Geschmack gekommen? Das nächste Mitsingkonzert findet im Gewandhaus am 18. September 2016 statt. Andreas Mitschke wird mit den Teilnehmern “A Sea Symphony” von Ralph Vaughan Williams einstudieren. Anmeldungen werden ab dem 2. Januar über die Internetseite von “Leipzig singt” entgegengenommen.
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