Nicht nur für die Schönefelder ist dieser 12. September der schönste Feiertag im Jahr. Am 12. September vor 175 Jahren heirateten Clara Wieck und Robert Schumann in der Schönefelder Kirche. Eine Liebe, die nachhallt, bis heute. Bis in ihre Kompositionen hinein sind die beiden verwoben. Und wer's hören will, kann morgen zum Konzert gehen oder sich die neue CD von Ragna Schirmer besorgen.

Die Pianistin beschäftigt sich so intensiv wie kaum jemand anders mit Leben und Musik der Schumanns. Und diese ganz frühe “Romance variée pour le piano”, die Clara im Alter von 13 Jahren geschrieben hat, hat Ragna Schirmer schon lange beschäftigt. Nicht nur, weil das Stück zeigt, was für eine Virtuosin Clara damals schon war und was für eine Komponistin in ihr steckte. Sondern auch, weil der ältere Robert Schumann darauf mit einer eigenen Komposition reagierte. Eine Unterhaltung zweier großer romantischer Musiker in Noten, voller Gefühle, hinströmend, sich verschlingend.

Wenn Vater Wieck das gehört haben sollte, wird er schon alles gewusst haben. Und war trotzdem ohnmächtig gegen diese ganz und gar romantische Verflechtung, die nicht nur in die bis heute faszinierende Musikerehe mündete, sondern anhielt bis zu Roberts Tod. Denn 20 Jahre später griff Clara, die das Komponieren fast eingestellt hatte, ihre Jugendkomposition noch einmal auf, zeigte noch einmal in einer großen Variation, dass sie durchaus auch als Komponistin hätte Triumphe feiern können, wenn die Welt der Genies nicht auch in der Musik von Männern dominiert wäre.

Was sich da alles entfaltet, das demonstriert Ragna Schirmer hier auf einem Schmuckstück, einem Blüthner Flügel von 1856, der noch original erhalten ist und der wohl genau das Klangerlebnis bietet, das auch die Schumanns seinerzeit hatten. Möglich, dass sich auch Claras Klavierspiel so anhörte. Die Kompositionen von Clara und Robert weisen viele solcher Zitate, Variationen und Bezüge auf. Aber mit diesem Opus 3 von Clara wird auch ihre ganze komplizierte Liebe sichtbar, das Erträumte und Berauschende, das Überschäumende, das auch aus der Partnerschaft der beiden nie verschwand. Wobei ja Robert – hörbar – der Berauschtere ist, der Unbändigere, der gleich die Welt einreißen will, wo Clara nur übermütig getanzt hat.

Und als Clara das Motiv später wieder aufgreift, da spiegelt sich auch das Erlebte wieder, sind die Gefühle noch oder wieder da. Da haben die beiden ja schon mehrere aufregende Kapitel einer Ehe erlebt, haben versucht, das Ideal einer Künstlerehe zu leben und doch ihre Talente nicht einzubüßen. Und dass Clara noch alles beherrschte, zeigte sie dann mit den herrlichen Variationen über Roberts Variationen zu ihrem eigenen Jugendstück. Und gleichzeitig setzte sich Johannes Brahms hin und schrieb selber Variationen auf Roberts Variationen.

Und alle vier Stücke hat Ragna Schirmer auf dem Blüthner-Flügel von 1856 eingespielt, hübsch nacheinander nach ihrer Entstehungszeit. Aber wer sich hineinhört, merkt, wie hier drei virtuose Musiker der Romantik miteinander über Gefühle reden, Hoffnungen, Begeisterung, Verzauberung. Es ist alles dabei vom romantisch Verspielten über das sentimental Verträumte samt dem trunkenen Übersprudeln, wenn alles Gefühl ist und nichts mehr zu sagen.

Oja, man versteht die Verzweiflung von Vater Wieck nur zu gut. Mit diesem eigensinnigen Schumann, der die Maßlosigkeit und Unbedingtheit des romantischen Lebensgefühls auch in Noten zu setzen wusste, kam ein unbeherrschbares Element in seine Pläne für die talentierte Clara, die sehr wohl um ihre Fähigkeiten wusste. Und die dennoch hungrig war nach dem Unendlichen, das immer mitschäumte, wenn die Mendelssohns, Schumanns und – den darf man ja nun nicht mehr vergessen – der junge Wagner zum Federkiel griffen und Gefühlsmusik zu Papier brachten. Nur dass die Schumanns dafür keine Posaunen und Trompeten brauchten, sondern nur moderne Klaviere aus Leipziger Produktion, fein gestimmt, mit der ganzen Notenleiter der möglichen Gefühle.

Und man kann Ragna Schirmer zugucken dabei, wie sie den Tasten diese Gefühle entlockt, dieses fein Verbandelte, mit dem der große Robert der kleinen Clara zeigte, dass er sie wahrgenommen hatte, und die erwachsene Clara ihrem immer noch kindischen Robert, dass sie ihm (fast) alles nachgesehen hat. Und Herr Brahms natürlich nicht zu vergessen, der mit seinen Variationen zeigt, wie sehr er diese beiden verstanden hat. Es sind eben nicht nur einfache Liebesbotschaften. Es sind auch Geständnisse, die sich Liebende in der Regel sonst nicht machen, musikalische Warnungen. Gerade von Roberts Seite sehr ernsthaft vorgetragen. Clara hat sich trotzdem drauf eingelassen und diese Musik des Lebens für sich akzeptiert. Wenn auch vorsichtig, denn – ganz Frau der Zeit – zweifelte sie an ihrer eigenen schöpferischen Stärke. Der Geniekult der Romantik war durch und durch männlich gedacht. Robert hat ihn gelebt. Clara nahm sich lieber zurück – und zeigte dann doch mit den Variationen über Roberts Variationen, dass sie ihrem Lebenspartner auch im Komponieren ebenbürtig war.

Mit Ragna Schirmers Interpretation der vier miteinander kommunizierenden Stücke wird diese ganz besondere musikalische Lebenspartnerschaft lebendig. Und so nebenbei kann man sich schon einmal einstimmen auf das Jahr 2019. Dann ist Clara-Schumann-Jahr, dann ist ihr 200. Geburtstag.

Das Konzert mit Ragna Schirmer an ihrem Lieblings-Blüthner-Klavier kann man morgen in Gohlis erleben.

Die CD kommt heute in die Läden.

Das Konzert

12. September, 19:30 Uhr im Mediencampus Villa Ida: Special zum 175. Hochzeitstag der Schumanns (auf dem Blüthner Flügel von 1856). Karten zu 15 Euro (ermäßigt 10 bzw. 5 Euro) bei Musik Oelsner, in der Ticket-Galerie Leipzug bzw. unter Tel. (0341) 56 296704

Die CD

Ragna Schirmer “Liebe in Variationen”, Berlin Classics, Edel Germany GmbH, 2015

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