Schon lange schwebten Ideen im Raum, wie dem Rennbahngelände etwas mehr Leben eingehaucht werden könnte. Die Musiker des Liedermacherfestivals verstanden dies am ersten der beiden Konzerttage sehr gut, womit diese Idee als gelungen gelten darf. Der Schraubenyeti am Klavier, Nadine Maria Schmidt und Susanne Großmann sowie Spaceman Spiff ließen sich vom verfrühten Herbst nicht beeindrucken und holten musikalisch den Sommer zurück. Vor familiär kleinem Publikum zeigten alle Musiker, dass Klasse keiner Masse bedarf.
Der Regen genau zur Einlasszeit wird seinen Anteil daran gehabt haben, dass Kurzentschlossene doch eher fern blieben. Der aber sorgte wenigstens dafür, dass die stechenden Plagegeister fernblieben. Fern blieben zunächst auch die Zuschauer der Bühne, zu verlockend waren die breiten Gastro-Schirme und die Dachüberstände der Wettkassengebäude. Trüber Laune – wie sie bei solchem Wetter auf das Gemüt schlagen kann – trat der Schraubenyeti entschlossen mit humorvollen Texten entgegen. „Ihr fragt Euch vielleicht, warum ich kein E-Piano auf die Bühne stelle, das rührt von einer Idee her mit einem richtigen Klavier Straßenmusik zu machen. Ich finde, das fehlte noch“, leitete Martin Lischke seinen Auftritt ein. Zu einem Mix aus Blues, Jazz und Salonmusik gab es pfiffige Zeilen wie „Lass dich nicht von deinem Androiden in die Ecke schieben“ über die teilweise Besessenheit, mit der Menschen ihre Telefone bearbeiten.
Abwechslungsreich wechselten rhythmisch in die Tasten gehämmerte Akkorde mit melodiöseren Passagen. Auch Polka-Anleihen oder ein paar Walzer-Takte baut Lischke geschickt in seine Stücke ein. Der L-IZ verriet der noch in Görlitz lebende, dass er im Frühjahr nach Leipzig zieht. „Es gibt zwar in Görlitz schon eine Musikszene, aber man kennt eben irgendwann alle. Jetzt möchte ich einfach noch mal ein paar neue Leute kennenlernen.“
Da traf es sich gut, dass seinem Auftritt die Leipzigerinnen Nadine Maria Schmidt und Susann Großmann folgten. Abwechselnd spielten sie die jeweils eigenen Stücke im Duett, wie auch schon auf der Ostsee-Tour. „Irgendwie passt es, dass es regnet, unser einziger Open-Air-Auftritt an der Küste war auch eher nass. An allen Tagen, an denen wir drinnen spielten war das Wetter in Ordnung“, so Schmidt auf der Bühne. Neben den Gitarren als Hauptinstrumente kamen ein Mini-Xylophon, einige Percussion-Elemente und eine Melodika zum Einsatz. Die sonore, teils chansonhafte, Stimme Nadine Maria Schmidts und Susann Großmanns hellere harmonieren wunderbar und sorgen für variantenreiche Songs von Country-Anleihen, bis hin zu rockigen Stücken mit vielen perkussiven Anschlägen auf gedämpften Gitarrenseiten. Nicht immer sind die Stücke gleich beim ersten Hören eingängig, dafür aber auch nicht gleich nach dem dritten Hören schon wieder langweilig. Hochaktuell und recht neu geschrieben präsentierte Schmidt ihren Song „Aluna – Meine Mutter war Flüchtling“ Zwar fußt das Stück nicht auf einem realen Briefwechsel, doch der tief bewegende Text macht dies vorstellbar. Nach diesem ernsthaften Stück die Stimmung wieder etwas zu lockern, ist nicht leicht. Spätestens die Zugabe „Bitte lob mich!“ erledigte dies aber.
An diese wieder entspanntere Stimmung knüpfte Hannes Wittmer alias Spaceman Spiff an. In Begleitung von Cellistin Clara Jochum war es seine erste Mission, die Zuhörer näher an die Bühne zu dirigieren. Nachdem der Regen aufgehört hatte, begann der Auftritt so mit Liegestuhlrücken und Bierbänke tragen für die Zuschauer. Von der Bühne gab es den Titel „Egal“ zum Auftakt und schon bei „Hier und der Wahnsinn“ trat Clara Jochum den Beweis an, dass das Cello eben auch zum Rockinstrument taugt und nicht nur in der klassischen Musik seinen Platz hat.
In den Ansagen spielten sich beide die Bälle zu, es ging um eine Hose, die zum Running Gag wurde und um viele andere Themen, die ehrlich improvisiert für Lacher sorgten. Da ein Auftritt im Werk II nicht lange zurücklag, spielte Wittmer einige Stücke aus seiner Anfangszeit, die beim vorigen Leipziger Auftritt noch nicht im Programm waren. Schon im Vorfeld hatte Hannes Wittmer gegenüber der L-IZ erklärt, wie die Zeilen „Leipzig hat versucht, von seiner Kunst zu leben. Das hat nicht wirklich funktioniert“ im Stück „Teesatz“ entstanden: „Ich stand damals vor der Entscheidung, entweder nach Hamburg oder nach Leipzig zu ziehen und kannte eben Leute, die in Leipzig den Sprung nicht geschafft haben, von ihrer Musik leben zu können.“
Auch wenn einzelne Zuschauer noch zehn weitere Lieder forderten, das Set musste irgendwann enden und Cellistin Clara Jochum legte sich bei „Vorwärts ist keine Richtung“ noch einmal so ins Zeug, dass bei schnellen Stakkato-Strichen der Bogen litt. Wie Spinnweben hingen die Rosshaare nach dem Stück zerrissen in der Abendluft, doch die Zugabe ließ sich mit dem zerrockten Bogen allerdings noch spielen. Für den Hummelsong stand Hannes Wittmer mit der Ukulele allein auf der Bühne, doch für „Yellow Brick Road“ war das Cello noch einmal mit dabei.
Das Liedermacherfestival findet am Donnerstag wieder ab 19 Uhr statt. Die Eröffnung bestreiten „2zueins“ gefolgt von „Falk“ und „Liedfett“.
Keine Kommentare bisher