Tropische Wärme, vorwiegend junge Menschen, die sich beseelt auf Sofas fläzen oder es sich andächtig auf dem Fußboden bequem machen und Live-Musik im kleinen Kreis. So lässt sich das Mini-Sommerfestival in Peter Pieks Atelier-Räumen in der Dessauer Straße beschreiben. Wo der Maler und Musiker sonst seine Werke ausbreitet, steht die breite Palette an Instrumenten, die die Gäste Alma Church Choir und Ian Fisher mitgebracht haben.
Mit teils sitar-artig höhenbetonter Gitarre eröffnet allerdings der Gastgeber den musikalischen Teil des Abends. „Ich finde es wahnsinnig schön, wie sich der Raum, den ich sonst zum Malen nutze, gerade verändert.“ Begrüßt er die etwa 40 Besucher in entspannter Sit-In Atmosphäre. Ganz um das Wohl der Gäste besorgt, bietet Piek später an, dass bei gefühlten 40 Grad Wärme auch die Dusche zur Verfügung stünde und sei es, um kurz die Haare zu waschen. Darauf kommt im Laufe des Abends zwar niemand zurück, dem Synthesizer-Pop mit Bässen aus der Loop-Station lauschen die Gäste dennoch gerne, wenn auch mitunter verschwitzt.
Musik als Gemeinschaft lässt sich in den Räumen, fast unter dem Dach des gewerblich genutzten Hauses, auf jeden Fall erleben. Auch wer sich nicht kennt, ist nicht Teil einer anonymen Masse, sondern wird schnell teil der Lauschgemeinde. Dazu passend serviert Peter Piek unter anderem die Song-Zeile: „Ich wäre gern ganz anders, als alle anderen, ganz gleich zu sein.“ Ein Kriterium, das sowohl das Publikum als auch die Musiker erfüllen.
Denn nach einer willkommenen Pause in der noch nicht abgekühlten Hochsommerluft erfüllen Alma Church Choir den Raum mit ganz anderen Klängen. Mit ruhigem Country, Blues und Jazz sowie den Mischformen dieser Stilrichtungen liefern Sänger und Gitarrist Andreas Laudwein, Bassist Jacob Müller, Schlagzeuger Markus Christ und Gitarrist Florian Glässing die perfekte Musik, um sich nicht viel bewegen zu müssen. Was nicht heißt, dass Rhythmen, Melodien und Texte nicht auf emotionaler Ebene ergreifen, sie fordern über unvermeidliches Zucken im Fuß oder Mitwippen im Takt, nicht dazu heraus, das Tanzbein zu schwingen.
Wie schon Peter Piek zeigt die Combo, dass es nicht die Wahnsinnseffekte oder 100 Watt-Verstärker vor acht Mal so starken Boxen braucht, um große Musik darzubieten. Eine Handvoll Effektpedale richtig dosiert und handverlesene Mundharmonika-Passagen sind stimmungsvoll genug. Mit der Kraft der Autosuggestion regt Andreas Laudwein zusätzlich die Zuhörer an, sich doch eine frische Brise vorzustellen, so wird auch die Sommerhitze erträglich.
Die verflüchtigt sich zwar weiterhin nur träge und zu widerwillig, um zum Schlafen angenehm zu sein. Doch wer beim mitreißenden Auftritt von Ian Fisher ans Schlafen denkt, dem ist eh nicht zu helfen. Mit kraftvoller Stimme, der man ohne weiteres zutraut, auch ohne besagte 800 Watt-Lautsprecher eine Halle zu durchdringen, sind er und seine zwei Bandkollegen die experimentierfreudigsten und zugleich rockigsten Musiker des Abends. Da wird schon einmal der Kontrabass mit weichem Schlegel bearbeitet, das unterschwellige Grollen durchdringt die Mittelfrequenzen der Gitarre nie ganz, sorgt aber, wie Ingwer in einem guten Curry die anderen Gewürze hervorhebt, für einen dichteren, intensiveren Klang.
Zu den weiteren Mitbringseln aus der Klangküche gehören statt eines Plektrums ein Essstäbchen, um die Gitarrensaiten anzuschlagen. Was sein Sänger und Gitarrist kann, ist für Drummer Daniel Schröteler erst recht keine Schwierigkeit, und so tauscht auch er die Stöcke mit den Stäbchen. Bassist Simon Bauer sorgt später noch für sphärische Obertöne, die fast schon flötengleich klingen. So entsteht eine höchst abwechslungsreiche, aber immer harmonische Mischung, mit satten Country-Einflüssen und einem Schuss Rock. „Ich will kein Ami sein, ich will kein Deutscher sein, ich will gar nix sein, außer was ich bin“, gibt Ian Fisher in einem kritischen Berlin-Lied als Zugabe zum Besten und wirft der Metropole in seinem einzigen deutschen Titel des Abends vor: „Du bist keine Stadt, du bist gar nix.“ Gentrifizierung und Entfremdung als Sujets geben dem Abend trotz der ernsten Thematik einen sehr amüsanten Abschluss, der noch in Fishers Geburtstag mündet. „In gut zwanzig Minuten werde ich 28, wenn ich diese Zeit überlebe, bin ich eigentlich kein richtiger Musiker“, spielt er gutgelaunt auf den von in diesem Alter verstorbenen Künstlern des „27er Club“, wie Amy Whinehouse, an. Belohnt wird der dem Schicksal frisch entkommene mit einem Schokokuchen gegen den Mitternachtshunger bevor sich die Gemeinschaft auflöst.
Peter Piek im Kurzinterview zur Intention des Sommerfestivals:
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