Eigentlich beginnt das Bachfest erst diesen Freitag. Weil aber Große Concerte des Gewandhausorchesters gewöhnlich Donnerstag und Freitag auf dem Spielplan stehen, konnte das geneigte Publikum ein Festival-Konzert schon am Donnerstag erleben. Freilich außerhalb des offiziellen Programms. Zu hören waren geistliche Werke von Verdi und Rossini.
Das Gewandhaus startete mit einem italienischen Abend ins Bachfest 2015. Auf dem Programm standen sakrale Vertonungen der bekannten Opern-Komponisiten Guiseppe Verdi und Gioacchino Rossini. Beide Komponisten widmeten sich in ihrem Schaffen einem der bedeutendsten Gedichte des Mittelalters. Das Stabat mater besingt die Mutter Jesu im Schmerz um den gekreuzigten Gottessohn.
Ursprünglich sollte Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly am Pult stehen. Doch die Zuschauer mussten mit Michele Mariotti vorlieb nehmen. “Herr Chailly musste seine Verpflichtungen in der laufenden Saison aus gesundheitlichen Gründen reduzieren”, begründete Gewandhaus-Sprecher Dirk Steiner den Dirigentenwechsel.
Der italienische Nachwuchsmaestro präsentierte dem Leipziger Publikum zunächst eine handwerklich solide Interpretation von Verdis “Stabat Mater”. Mariotti entledigte dem Werk seinen spirituellen Kern, stellt stattdessen die effektgeladenen Spitzen in den Vordergrund. Mit monumentaler, festlicher oder besinnlicher Kirchenmusik hatte das Klangkunstwerk, das der Dirigent in den Raum wirft, wenig am Hut. Der MDR-Rundfunkchor meisterte das anspruchsvolle Werk souverän, hat seine stärksten Einsätze aber in jenen Passagen, in denen das Orchester schweigt.
Weit sinnlicher klang Mariottis Version von Verdis “Te Deum”. Das Vokalwerk für Doppelchor und Orchester hörte sich unter dem Italiener nach sakraler Kirchemusik mit epischen Anleihen an. Das Sopransolo, auf intensive Weise vorgetragen von Chorsängerin Katharina Kunz, geht dem Zuhörer ins Mark.
Glanzpunkt des Abends ist jedoch Rossinis “Stabat Mater” für Soli, Chor und Orchester. Die gut einstündige Vertonung wird unter Mariottis Leitung zu einem nuancenreich gespielten Melodram. Der MDR-Rundfunkchor klingt mächtig und stets präsent. Das Orchester tritt hinter den Sängern zurück. Tenor Michael Schade singt seinen Part voll zärtlicher Inbrunst. Dem Bass Dmitry Belosselsky rollen die tiefen Töne dröhnend von den Lippen.
Mezzosopranistin Sarah Connoly beweist Opernqualitäten, wenn sie bei der mit vollster Ergriffenheit vorgetragenen Cavatina “Fac ut portem” beinahe in Tränen ausbricht. Sopranistin Maria Agresta schließt sich Takte später an. “Mach, am Kreuze hingesunken / Mich von Christi Blute trunken” durchdringt – natürlich in lateinischer Sprache – den großen Konzertsaal. Kaum war das abschließende “Amen” verklungen, spendeten die Zuhörer frenetisch Beifall.
Großes Concert
Werke von Guiseppe Verdi & Gioacchino Rossini
Das Konzert wird am 12. Juni wiederholt. Beginn: 20 Uhr. Großer Saal
MDR Figaro sendet am 23. Juni um 20:05 Uhr einen Konzert-Mitschnitt.
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