Er ist der Mann der leise gesungenen Worte. Der Rauschebart mit der Wanderklampfe ist nicht der Rock’n’Roller mit der engen Jeans und rauchigen Stimme. Der Softie mit der Zipfelmütze wächst dennoch zu einem Schwergewicht heran. Sein fünftes Studiowerk „Lions“ versprach Animalisches. Wer Bob Dylans Suche nach Rock finden will, muss weiter gehen. Fitzsimmons ist ganz der Alte geblieben. Für sein neues musikalisches Lebenszeichen „Pittsburgh“ ist es nicht anders.
„Es ist ein Andenken an meine verstorbene Großmutter, die ihr ganzes Leben in Pittsburgh verbrachte“, sagt der rauschebärtige Glatzkopf zum neuen Minialbum. „Es ist auch eine Hommage an meine Heimatstadt.“ Fast schon wünschte man sich als Leipziger, ähnliches von den lokalen Musikhelden vernehmen zu können. Lob- und Hasslieder auf London, Berlin, Hamburg und New York gelten fast schon als Regel bei vielen Musikern. Was sich über Pittsburgh und Bochum zu schreiben lohnt, könnte auch für Leipzig gelten. Aber so oft Fitzsimmons auch in Leipzig war, ein Leipziglied wäre ihm wohl nicht abzuringen.
Als 2009 sein Drittwerk „The sparrow and the crow“ erschien, war der Feuilleton hin und weg von der neuen Sanftheit aus Amerika. Singer-Songwriter nennt man sie dort. Hierzulande sind die Frauen und Männer mit der Klampfe einfach Liedermacher. William Fitzsimmons ist auch so einer von den Typen, die mit ihrer Musik sowohl Kritiker auch als Musikhörer einen können. Fitzsimmons, in seiner Kindheit von seinen Eltern mit ihrer Passion für den Barock-Komponisten Johann Sebastian Bach geplagt und gequält, trägt weder die leidgeprüfte Vitalität eines Ryan Adams in sich, noch besitzt er das Sexappeal eines Kelly Jones, noch die Tiefe und Sehnsucht von Eddie Vedders Stimme.
Der Rauschebart ist einer von diesen Musikern, die eher einen väterlichen Touch haben. Mit seiner sonoren, betonungslosen und brummigen Art kommt er wie der langweilige große Bruder daher, der, um mehr Schneid und Coolness aufzulegen, sich einen Friedrich-Engels-Bart wachsen lässt und in Schlabberhemden herumläuft, aber doch wie ein verweichlichter Trucker aussieht. Im Gegensatz zu Steve von Till und Scott Kelly von den amerikanischen Noise-Rockern „Neurosis“, denen man lieber aus dem Weg geht und die nur Kraft ihrer Stimme pure Gänsehaut erzeugen können.
Fitzsimmons ist da irgendwie anders. Hat er nicht bei dem ausverkauften Konzert in der Leipziger Moritzbastei gesagt, dass er oft mit einem Penner verwechselt wird und landläufig als Heulsuse gilt? Seine Worte könnten als augenzwinkerndes Understatement gelten, still sich selbst aufs Korn nehmend. Aber ernst war ihm seine Aussage schon.
Was auf „The sparrow and the crow“ noch sanft einen Fensterflügel aufstieß, riss „Gold in the shadow“ 2011 sperrangelweit auf. Fitzsimmons war nicht mehr der Quotendepri aus dem Mittleren Westen, sondern die Powerlocke unter den Liedermachern. Zwar änderte er an seinem Rezept, nasale, sanfte Stimme gepaart mit etwas Plätscher-Rock, nicht. Aber die Stücke gingen besser ins Ohr und blieben vor allem auch darin hängen, ohne dass man sie mit Wattestäbchen rausholen musste. Aber irgendwie passte die sommerliche Fröhlichkeit, wie sie auf „Gold in the shadow“ zu hören ist, nicht zu Fitzsimmons. Subtilität und leise Verhuschtheit sind seine Markenzeichen.
Herzerwärmendes hört der Liebhaber des aus Springfield stammenden Künstlers auf „Lions“ und „Pittsburgh“ allemal. Als ob wir uns in seiner Küche befänden, seinen schrulligen Ansagen lauschen und ihm beim Zupfen zusehen. Nichts neues zwar, aber es tut gut, ihm am Küchentisch zuzusehen.
„Pittsburgh“ ist, wie „Lions“, eine angenehm klingende Aufnahme geworden, die zeigt, dass Fitzsimmons eben auch Löwen bändigen kann. Gerade wegen seines Stils wächst Fitzsimmons’ Anhängerschaft stetig – und die wartet immer auf neue Songs von ihm. Bevor er ein neues Album einraunt, verkürzt er das Warten mit zwei Minialben und einer kleinen Tour, die auch nach Leipzig führt.
Das erste der beiden Shortplayer trägt den Titel “Pittsburgh” und erscheint am 15. Mai. „Meine Großmutter, Virginia, starb am 15. Oktober 2014“, erzählt Fitzsimmons. „Sie wurde in Pittsburgh geboren, wuchs dort auf und verbrachte hier ihr Leben, die Stadt meiner Jugend. Sie schenkte das musikalische Talent meiner Mutter, und, von meiner Mutter, ging das Talent an mich. Im selben Monat kehrte ich für drei Tage nach Hause zurück, um Virginias Leben zu feiern, betrauerte ihren Weggang, und half, ihren Körper zur Ruhe zu betten. Die sieben neuen Songs entstanden während dieser Zeit und sind eine Erinnerung an ihr Sterben und an die Stadt, die wir miteinander teilten …“
Karten gibt es an allen Vorverkaufsstellen, oder direkt im Ticketshop des Geyserhauses für 25,20 Euro.
William Fitzsimmons auf Tour:
28.07.2015 Darmstadt – Merck-Sommerperlen Festival
29.07.2015 Marburg – KFZ
31.07.2015 Leipzig – Parkbühne GeyserHaus
05.08.2015 Luhmühlen – A Summer’s Tale Festival
08.08.2015 Lingen – Alter Schlachthof
09.08.2015 Düsseldorf – ZAKK
23.08.2015 Köln – c/o Pop Festival & Conference
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