Tanner hört Musik. Und da Tanner mittlerweile über 40 Lenze zählt hat er viel Musik gehört und sich Geschmack angeeignet. Das führt irgendwann unweigerlich zum Jazz. Was vielen Menschen nicht so wirklich bewusst ist - Leipzig hat starke Kräfte im Jazz - und Andy ((grosskopf)) steht mit seiner Kanne dabei ganz weit vorn. Deshalb musste gesprochen werden.
Hallo Andy. Du kommst unter dem Namen ((grosskopf)) am 12. Mai in die Moritzbastei. Dein Projektname klingt und sieht ganz schön nach heutigem Electrogemischmasche aus. Damit liege ich hoffentlich falsch. Was bringst Du uns denn in die MB mit?
Ja, da liegst Du falsch. Mit Electro hat meine Band und Musik nix zu tun … obwohl, Strom brauchen wir schon. Ich stecke meine Musik in die Schublade “Jazz, Funk, Rock” und deren Schnittmenge. Meine Kompositionen sind das Resultat dessen, was ich selbst gerne und häufig höre, eben Jazz, Rock und Funk. Live gibt es in der Band ganz viel Improvisation, jeder Musiker hat seine Freiheiten, sich einzubringen ohne dabei frei im Sinne von Free Jazz zu sein. In der MB stehen mit mir Gunter Pasler am Bass, Dominique “Gaga” Ehlert am Schlagzeug und Harald Bohner an der Gitarre auf der Bühne. Alles Musiker, die keine Jazz-Fundamentalisten sind, eher offen für alles und sie bringen diese Offenheit auch ein.
Gerade lese ich, dass Du ja auch ein Preisinhaber bist: “Leipziger Jazznachwuchspreis 1999”, “Kulturförderpeis der Stadt Friedrichshafen 2002” oder das Stipendium für das “Skidmore Jazz Institute New York”. Wow – und noch viel mehr. Das ist ja ganz schön hochkarätig. Braucht’s das im Jazz um überleben zu können?
Nun ja, sagen wir so: es hilft ungemein, so ein Preis. Die Preisgelder habe ich aber nicht in meine Wohnung oder Auto investiert, oder meinen Kühlschrank ordentlich gefüllt, sondern in meine CD-Produktionen gesteckt: der Leipziger Nachwuchspreis hat mir die Produktion meiner ersten ((grosskopf))-Platte “type:g” ermöglicht und der Kulturförderpreis dann die zweite “File under: G”. Das Stipendium in New York gab es für einen zweiwöchigen Workshop ebendort.
Also man muss als (Jazz-)Musiker schon andere Eisen im Feuer haben, um überleben zu können. Auf Preisgelder sollte man sich da nicht verlassen! Altersmäßig bin ich jetzt auch raus aus den “Nachwuchspreisen” … in zwanzig Jahren kommen dann die Preise für’s Lebenswerk. Das ist dann für die Rente.
Ich für meine Person unterrichte Saxophon und gebe Workshops, um einen Großteil meines Lebensunterhalts bestreiten zu können. Dazu kommen alle drei Monate Tantiemengelder für meine Kompositionen und Erlöse aus dem Verkauf meiner Lehrbücher und CDs/Downloads und logischerweise Gagen aus Konzerten.
Dein Gig in der MB ist der Tourauftakt. Wohin geht es denn dann? Und wann?
Eigentlich sollte das ganze eine viertägige Mini-Tour werden. Jedoch wurden vor gut einem Monat zwei Gigs abgesagt, da die Veranstalter unsere Gage nicht hätten bezahlen können, da sicher geglaubte Fördergelder nicht bewilligt wurden und für lau kann und will ich nicht spielen. So kurzfristig konnte ich die entstandenen beiden Lücken leider nicht füllen. Wir spielen aber – und da freue ich mich schon sehr drauf – am 14. Mai in meiner alten Heimat Friedrichshafen am Bodensee. Die Einladung dort zu spielen war im Prinzip die Initialzündung, das Unternehmen zu starten. Am Ende ist es eine Mini-Mini-Tour geworden und trotzdem werden wir die halbe Republik sehen … zumindest von der Autobahn aus.
Mein Herz hängt ein kleines Zipfelchen am Barjazz, nicht nur, weil die Interpretinnen derzeit äußerst hübsch sind – nein, ganz besonders, weil ich das abgehangene Barfeeling mag, inklusive gutem Hochprozentigen und geistreichen Gesprächen. Hilft die Aufmerksamkeit, die über zum Beispiel Jane Monheit ausgeschüttet wird, auch Deiner Präsenz?
Nein, nicht wirklich. Denn die von dir angesprochene “Barjazz”-Attitude bedienen wir musikalisch nicht. Jedoch kann eine Sängerin wie Jane Monheit evtl. etwas helfen, dass viele Hörer, die vorher nix mit Jazz am Hut hatten, doch mal genauer hinhören und den einen oder anderen Musiker dadurch für sich entdecken. Aber ein eingefleischter Barjazz-Fan, wird bei ((grosskopf)) wenig bis nichts von seiner geliebten Musik finden. Dass Jane Monheit-Anhänger mit unserer Musik am 12. Mai einen schönen Abend haben können, ist aber nicht ausgeschlossen.
In der Phase der New Romantics – mit Spandau Ballett oder Double – war ja eine Hochzeit des Saxophons in der Popmusik. Manchmal fehlt mir dieser warme sehnsüchtige Klang. Du bläst ja nun auch die Kanne. Fühlst Du Dich einsam?
Also ich komme ganz gut mit mir alleine klar, wenn’s sein muss und muss nicht immer Menschen um mich haben. Aber einsam fühle ich mich nicht. Nein, das ist nicht der Grund, warum ich Saxophon spiele und ein Spandau Ballett-Fan war ich nie. Meine ersten Sax-Heroes waren da eher Bobby Keyes von den Stones, Maceo Parker und PeeWee Ellis von James Brown. Wobei ich natürlich auch mal das Sax-Solo von Sades “Smooth Operator” gespielt haben musste, damals in meinen Anfangsjahren. Mir persönlich sind diese 80er-Jahre Saxophonsounds immer einen Tick zu glatt, zu weichgespült, zu perfekt. Ein warmer und voller Ton, wie von Dexter Gordon oder Ben Webster ist mir da viel lieber.
Und hier bekommst Du auch die Möglichkeit, Deine Philosophie kundzutun. Was steckt hinterm Jazz? Und was steckt hinter Deinem Jazz?
Na, dann versuche ich mich mal als Philosoph: Jazz bedeutet für mich Offenheit, vor allem offen zu sein für Neues und mir bisher Unbekanntes; Freiheit – musikalisch tun und lassen zu können, was ich möchte, worauf ich grade Lust habe; Individualismus – jeder Musiker bringt seine eigene Persönlichkeit ein, ob es nun “sein” Projekt ist, oder er/sie bei diesem musikalisch mitwirkt; Lebensfreude – das heißt nicht, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen ist, aber es gibt keinen Platz für Fatalismus oder Ähnliches.
Auf jeden Fall ist Jazz – auch wenn’s abgedroschen klingt – eine Lebenseinstellung. Ich bringe als Musiker schließlich die Aspekte, die mir in der Musik wichtig sind auch nur dann authentisch rüber, wenn mir diese Dinge im täglichen Leben, neben der Musik auch wichtig sind.
Ich hoffe, dass die Hörer Offenheit, Freiheit, Individualismus und Lebensfreude in meiner Musik entdecken und wir das beim Konzert am 12. Mai in der MB auch so rüberbringen. Wir geben auf jeden Fall unser Bestes … wie immer!
Danke, Andy – und viel Spaß am 12. Mai in der MB.
Keine Kommentare bisher