Am 19. April sind sie im Werk II: Marc-Uwe Kling, Michael Krebs, Julius Fischer und Band. "Viel Schönes dabei" heißt ihre Show. Aber aus dem Ticketshop lautet die Meldung: "Keine Tickets verfügbar". Kein leichtes Leben für ihre Verehrer. Auf ein Zusatzkonzert am nächsten Tag ist nicht zu hoffen. Da sind die Burschen schon wieder in Nürnberg, tags drauf in Stuttgart und dann in München. Aber für Darbende gibt's ja jetzt ein Doppelpack.

Der Verlag Voland & Quist hat’s mit ins Angebot genommen. Da steht die Band, die oben ganz anonym blieb, ordentlich mit auf dem Cover: Die Pommesgabeln des Teufels. Mit Michael Krebs haben sie zwölf Songs aufgenommen. Julius Fischer hat ja schon ein paar hübsche Titel im Programm des noch immer jungen Verlags. Titel, die – wie man weiß – ja auch Wanderburschen und andere Wanderlustige begeistern. Michael Krebs hat schon etliche CDs produziert. Aber natürlich wurde es auch Zeit, dass er mal direkt in diesem Umfeld der vieltalentierten Bühnenstars auftaucht, halb Spoken-Word-Szene, halb Kabarett, und das alles zusammengebunden von der unbändigen Schönheit des Rock-Pop-Metal-Fußballgesangs.

Warum sollte man das Kunst-Machen auch mit fürchterlichem Ernst zelebrieren? Geht doch auch anders. Poetisch, könnte man sagen. Denn natürlich schreibt Michael Krebs zutiefst poetische Texte, ein bisschen rauchig, ein bisschen derb. Sollen ja auch Lieder sein, keine Schmonzetten. Richtige Männerlieder eben. Oder ganz falsche. Das merkt der Zuhörer schnell, wenn er diesem Krebs zuhört, dem nichts heilig ist. Nicht der heilige Stand der Liebe und auch nicht das Machogetue der Kerle. Frauen sowieso nicht. Denn die Wahrheit ist: Frauen- und Männerbilder sind heute so überfrachtet mit Lügen, falschen Erwartungen und Talmi, dass man eigentlich nur noch sarkastisch werden kann.

Etwa wenn Nadine mal wieder angedackelt kommt und über die Probleme mit “den Männern” reden will. Sie will ja nur eine Beziehung. Aber die wollen immer nur Sex.

Oder wie ist das mit all dem Wellness-Quatsch, der sich in unser Leben drängelt, und den nun wirklich niemand wirklich braucht? Alles in kleinen, flotten Portionen – alles “to go”. Zeit quasi als fein gehacktes Gut, fein verkäuflich, aufgeschnipselt in lauter Funktionalitäten. Und am Ende bleibt ein allgegenwärtiges “to go”, alles wird käuflich, beliebig, gehaltlos. So oberflächlich und funktionalisiert, dass dem Kabarettisten am Mikro eigentlich bloß noch bleibt, den Quatsch in Strophen zu packen.

Das kann Krebs. Er hat auch die Stimme dazu, jungenhaft, frech, herausfordernd. “Freunde to go / Job to go / Auto to go …” Alles zum Wegschmeißen. Da braucht einer kein philosophisches Brimborium: So bekloppt war unsere Welt noch nie. So oberflächenpoliert auch nicht. Man muss nur drüber singen. Krebs tut’s direkt am Klavier, was sowieso schon frivole Verwirrung anrichtet, denn Die Pommesgabeln des Teufels sind ja eigentlich so etwas wie eine kabarettistische Metalband. Aber es funktioniert. Krebs hat ja nicht nur Musik studiert, er hat auch lange genug in Hotelbars am Piano gesessen. Er ist quasi der Entertainer, der jetzt mal mit echtem Publikum macht, was er den rauchzarten Gästen im Bargedämmer nicht antun durfte, wollte oder konnte. Diesen Zartbesaiteten …

Wer seine Auftritte besucht, erwartet keine Lady-in-Red-Chansons. Eher echte Lieder über Fußball. Oder übers Reden über Fußball. Was noch allemal ehrlicher ist als der sentimentale Aufguss, der dem Volke tagtäglich als Weltberichterstattung serviert wird. Die Doppelpackung ist am 13. März veröffentlicht worden, also weit genug vor dem Selbstmord des Piloten L. mit 149 Menschen im Gepäck. Und wer sich erinnert: Die Nachricht vom zerschellten German-Wings-Flieger war noch keine drei Stunden alt, da philosophierten die so genannten Börsenspezialisten schon über den Absturz der Lufthansa-Aktie. Ach so?

Michael Krebs: “Wie kann es sein dass sobald irgendwo Menschen explodieren / Immer irgendein Depp fragt wie die Märkte reagieren …” Die Zeilen stehen in “Wenn ich ‘n Rapper wär”.

Krebs nennt beim Namen, was die großen alten Barden des Deutschrock immer nur ganz lyrisch angedeutet haben. Wer die Dinge beim Namen nennt, kommt ja nicht in Hitparaden, auch nicht ins Radio. Aber der füllt Säle bis zum Ausverkauf. Und singt Texte, in denen mehr steckt als in jedem gewöhnlichen Philosophiebuch. Weil der Autor sich ärgert. Augenscheinlich schon lange und mit entsprechendem Grimm in der Magengegend.

“So lange Mc Kinsey & Co unsere Gesetze schreiben / Wird alles so bleiben, wird alles so bleiben …”

Man könnte die Shows von Michael Krebs und seinen teuflischen Pommesgabeln auch Lehrern, Stadträten, Journalisten und Bankangestellten empfehlen. Es lohnt sich, zuzuhören.

Manchmal hört man da, was einem die Liebste schon vor 20 Jahren gesagt hat. Es klingt so schrecklich vertraut. Und droht natürlich unterzugehen, wenn man zu laut lacht oder klatscht. Deswegen ist es meistens eher still, wenn Krebs singt. Sein Singen hat einen unüberhörbaren Drall hin zum kritischen, fast politischen Kabarett. Zum ur-politischen Kabarett aus jenem Bereich, wo sich Punk und Brettl auf einmal heftig berühren und einander überhaupt nicht mehr fremd sind.

“Was wirst du tun / Wenn sie das Wasser und die Luft privatisieren ….” (“Was wirst du tun?”)

Der Bursche lebt tatsächlich im Hier und Jetzt, versucht keine Romantik hinzumalen, damit der Kladderadatsch schöner aussieht, flüchtet sich auch nicht in die Attitüden der Möchtegern-Rapper mit ihren Goldkettchen, die schon mal einen auf kriminell spielen, wenn sie gerade aus den Windeln sind. Das ist nur Zirkus, Narrentanz, verkäufliche Schein-Ware. Wenn die Käufer davon träumen, selber mal cool zu wirken wie Billy the Kid, dann brauchen sich die eigentlichen Nepper, Schlepper und Bauernfänger keine Sorgen zu machen. Dann stört sie niemand in ihren Geschäften.

Und die heißen auch: Aussortieren und den Leuten, die man schon früh aufs Abstellgleis geschickt hat, trotzdem das Märchen vom Tellerwäscher erzählen. Und die glauben’s auch noch.

Außer Michael Krebs. Der weiß, dass alle, die sich nicht frühzeitig andienen und zum Arschkriecher werden, gar nichts werden. “Wir hatten keine Chance” heißt das Lied dazu. Nix da mit Super Nanny, kein Coaching. Eine ganze Generation abserviert. Auch wenn’s vielleicht nicht die Sendung mit der Maus war, die dran schuld war. Die große Suppenküche der falschen Träume dahinter wohl schon. Dieses arrogante “to go”, das man den jungen Leuten vorsetzte als Einstiegsmenü in eine Welt der PR-Lügen. “Wie kann es sein dass Medienmacher über Quoten diskutieren / Aber nicht über das womit sie Quoten produzieren / Sie ohne sich zu genieren andre Menschen blamieren / Die wie im Zoo vorführen und das Unterhaltung nennen …”

So kommt Kabarett wieder bei seinen Wurzeln an, zeigt sich wütend, verstört, bissig, wie es sein muss. Und weil man das an einem bunten Abend im Werk II nicht alles mitkriegt oder vergisst, weil ein Lied so krachend in den Solarplexus geht wie das andere (manchmal auch voll auf die Omme, damit muss man auch bei Piano-Punkern rechnen), gibt es in dieser Packung alles zum Nochmalhören (CD), Nochmalsehen (DVD) und Nochmallesen (Booklet).

Michael Krebs & die Pommesgabeln des Teufels “Wellnessalarm, Audio-CD + Live-DVD, Voland & Quist, Dresden und Leipzig 2015, 16,90 Euro

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