Nach ausgiebiger Europa-Tournee ist das Gewandhausorchester wieder in großer Besetzung in der Messestadt zu hören. Der März bietet Klassik-Fans im Wochentakt "Große Concerte". Den Anfang machte diese Woche Andrés Orozco-Estrada. Der Kolumbianer dirigierte am Freitag Werke von Janácek, Korngold und Dvorák. Als Solistin begeisterte Vilde Frang.
Janáceks Rhapsodie “Taras Bulba” entstand während des 1. Weltkriegs. Der Tod ist konsequenterweise das zentrale Motiv der Komposition. Orozco-Estrada erzeugt am Pult knisternde Spannungsbögen. Die sanfte Orgel im ersten Satz bildet den Kontrast zu den klagenden Geigen im zweiten, die sich ein Wechselspiel mit geradezu zuckenden Bässen liefern. Die Prophezeiungen im Schlusssatz fallen unter der Leitung des Wahl-Wieners besonders schrill aus. Taras Bulbas Tod klingt dagegen aufgesetzt majestätisch.
Der Filmkomponist Korngold vollendete sein Violinkonzert 1947. Zu diesem Zeitpunkt war der Österreicher bereits zweifacher Oscar-Preisträger. Zeitgenössische Kritiker stempelten das Werk als “Hollywood Concerto” ab. Tatsächlich erwecken die streicherlastigen Melodien Erinnerungen an das amerikanische Kino der Dreißiger und Vierziger. Das Moderato klingt kitschig, die Romanze könnte ein kitschiges Melodram untermalen. Das Finale wirkt dagegen erfrischend heiter. Disney lässt grüßen.
Für die anspruchsvolle Solo-Partie hat das Gewandhaus Vilde Frang verpflichtet. Die Norwegerin erzeugt auf ihrem Instrument ein intensives Hörerlebnis. Als Zugabe spielt die 28-Jährige ein rumänisches Volkslied. In der Pause erfüllt der Stargast im Foyer jeden Autogrammwunsch.
Nach Sekt und Canapés ertönt im Saal Antonin Dvoráks 9. Sinfonie. Der Komponist gab dem monumentalen Werk den Titel “Aus der neuen Welt”, weil es 1893 in den Vereinigten Staaten entstand. Dvorak verarbeitete Spirituals und Plantagengesänge, deren Melodien er in die Sinfonie implementierte. Orozco-Estrada kostete am Freitag die musikalischen Bögen der Partitur voll und ganz aus. Der Kopfsatz klingt unter der Leitung des Dirigenten energisch, beinahe stürmisch.
Das berühmte Englischhorn-Motiv darf sich im zweiten Satz geruhsam im Großen Saal ausbreiten. Dem stürmischen und doch nuanciert vorgetragenem Scherzo folgt ein temporeicher Schlusssatz mit kräftigen Bläsern und wehleidigen Streichern. Das Publikum spendet stürmischen Beifall.
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