Das Große Concert steht wieder einmal im Zeichen von "1.000 Jahre Leipzig". Trevor Pinnock dirigiert an drei Terminen Bachs h-Moll-Messe. Wer bereit ist, sich über zwei Stunden Barock-Musik am Stück anzuhören, erlebt im Großen Saal eine lebendige Interpretation des mythenbehafteten Klassikers.
Die h-Moll-Messe ist nicht nur eine der bedeutendsten geistlichen Bach-Kompositionen, sondern auch eine der rätselhaftesten. Musikwissenschaftler rätseln bis heute, welche Umstände den protestantischen Thomaskantor zu dem Spätwerk in katholischer Tradition verleitet haben könnten. War sie ein Auftragswerk des Wiener Grafen Adam von Questenberg, wie der Leipziger Bach-Forscher Michael Maul vermutet? Oder wollte sich Bach mit dem formalistisch angelegten Großwerk bloß ein weiteres Denkmal erschaffen?
Barock-Experte Trevor Pinnock präsentiert den Leipzigern eine erfrischend lebendige Deutung der Messe. Die Aufführung wird einerseits dem sakralen Gehalt des Werks gerecht. Andererseits übersetzt sie die Mythen, die seine Entstehungsgeschichte umhüllen, in geheimnisumwitterte Klangfarben. Der Maestro ist ein weltweit gefragter Cembalist. Im Gewandhaus lässt es sich Pinnock deshalb nicht nehmen, neben dem Dirigieren selbst in die Tasten zu greifen.
Der Dirigent findet schnell die passende Balance zwischen dem Dresdner Kammerchor (Einstudierung: Jörg Genslein), dem Gewandhausorchester und den vier Gesangssolisten. Schon in den ersten Takten der Kyrie greift der Chor die mythologischen Umgebungsgeräusche der spirituellen Messe in seinem Vortrag bereitwillig auf.
Die Gloria geht Pinnock zügig und flüssig von der Hand. Sopranistin Christina Landshamer schmettert das “Laudamus te” mit durchdringender Stimme genussvoll in die Weiten des Saals. Tenor Johannes Chum singt seinen Part mit warmem, zärtlichem Timbre. Altistin Bernarda Fink betört das Publikum mit jedem Ton, der ihre Lippen verlässt. Luca Pisaroni trägt das “Tu solus Dominus” mit donnerndem Tonfall vor. Dabei strahlt der Bass positive Stärke und Souveränität aus. Das kommt gut an.
Höhepunkt dieser h-Moll-Messe ist die große Chor-Passage zu Beginn des Credos. Die düsteren, distanzierten Klangfarben erinnern den Zuhörer an Gregorianische Mönchsgesänge. Auf wunderschön spirituelle Weise verbindet Pinnock das katholische Glaubensbekenntnis in der Musik mit der (Glaubens-)Frage nach den Hintergründen des Werks. Einem flotten Sanctus folgt das “Agnus Dei” als herzergreifendes Klagelied. Das “Donna nobis pacem” beginnt tragisch, nimmt mit Einsetzen der Pauke jedoch eine Wendung hin ins melodramatische. Das Publikum spendet tosenden Beifall.
Gewandhaus
Großes Concert
J.S. Bach: Messe in h-Moll BWV 232
Nächster Termin: 28.03., 20 Uhr
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