Am Freitag standen im "Großen Concert" Werke von Peter Tschaikowski und Gustav Mahler auf dem Programm. Zwei Komponisten, die sich Ende des 19. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich in Leipzig begegnet sind. Geigen-Virtuose Julian Rachlin verzückte das Publikum bei seiner Deutung von Tschaikowskis Konzert für Violine und Orchester mit seiner Fingerfertigkeit. Riccardo Chailly begeisterte die Messestädter am Pult mit einer selbstbewussten Interpretation von Mahlers 1. Sinfonie.

Gustav Mahlers 1. Sinfonie ist eng mit Leipzig verbunden. Die Komposition entstand nämlich zwischen Januar und März 1888 in der Messestadt. Allerdings greift Mahler in der Musik vornehmlich auf österreichische und französische Motive zurück: Volkstümliche Klänge aus dem Alpenland, der zum Trauermarsch umgearbeitete Kanon “Frère Jacques” und natürlich die “Lieder eines fahrenden Gesellen” aus der Feder des Komponisten.

Riccardo Chailly kennt sich mit dem Österreicher aus. Mit dem Royal Concertgebouw Orchestra aus Amsterdam spielte der Italiener sämtliche Mahler-Sinfonien ein. In Leipzig stehen dessen Werke unter Chailly regelmäßig auf dem Spielplan.

In diesem Konzertprogramm stellt der Kapellmeister Mahlers Sinfonie ein Werk von Peter Tschaikowski voran. Der Russe und der Österreicher liefen sich im Januar 1888 über den Weg. In Leipzig. Wo sonst?

Tschaikowskis Konzert für Violine und Orchester, wie Mahlers Erste in D-Dur, verlangt in seinen drei Sätzen dem Solisten viel Fingerspitzengefühl ab. Das Gewandhaus hat für diesen kniffligen Job Julian Rachlin verpflichtet. Der 40-Jährige gehört zu den Besten seiner Zunft. Rachlin spielt Violine und Bratsche, kann dirigieren und lehrt nebenbei am Wiener Konservatorium, wo der Geiger seit 1999 eine Professur inne hat.

Geigen-Virtuose Julian Rachlin verzückte das Publikum. Foto: Alexander Böhm
Geigen-Virtuose Julian Rachlin verzückte das Publikum. Foto: Alexander Böhm

Im Gewandhaus entlockt der Violinist seinem kostbaren Instrument – der Stradivari “ex Liebig” aus dem Jahr 1704 – zarte, geradezu butterweiche Töne. Die Zuhörer erleben zunächst ein virtuos gespieltes, harmonisch klingendes Klagelied, das bei zunehmender Spieldauer ins Verstörte, Absonderliche hinüber gleitet.

Die Töne zucken, zwitschern und stöhnen nun aus dem Geigenkorpus in die Tiefen des Saales. Am Pult sorgt Chailly insbesondere im zweiten und dritten Satz für explosive Momente des Orchesters, während Rachlin den Solisten-Part vollends abstrakt vorträgt.

Nach der Pause füllt sich die Bühne. Mahlers 1. Sinfonie ist üppig orchestriert. Rund 100 Musiker sind nötig, um das monumentale Werk aufführen zu können. Der erste Satz mutet unter Chailly betont lyrisch an. Mahlers Naturmotive treten deutlich in den Vordergrund. Im zweiten Satz betätigt der Maestro das Gaspedal. Tempo, Tempo, Tempo. Kann man so machen. Immerhin vermeidet der Dirigent, den Satz durch eine zu hoch angesetzte Schlagzahl zu verwurschteln.

Geradezu bierernst versteht der Italiener den dritten Satz mit dem bekannten Trauermarsch, der melodisch an den noch bekannteren Kanon “Frère Jacques” angelehnt ist. Im Saal breitet sich eine knisternde Spannung auf, die sich im Schlusssatz, zu dem der Maestro nahtlos übergeht, lauthals entladen darf.

Chaillys Interpretation baut auf die Knalleffekte in Mahlers Partitur. Lautes Schlagwerk, kräftige Streicher und Holzbläser, das Ganze zügellos und temperamentvoll im Vortrag. Mahler mit dem Kopf durch die Wand? Ist das erlaubt? Ja. Das Leipziger Publikum ist einverstanden und spendet den Mitwirkenden andauernden Applaus.

Live-Mitschnitt

Das Konzert am gestrigen Freitag wurde vom MDR mitgeschnitten und ist unter nachfolgendem Link bis zum 23. April in der Arte-Mediathek kostenfrei abrufbar:
http://concert.arte.tv/de/gewandhaus-leipzig-riccardo-chailly-julian-rachlin-tschaikowski-mahler

Das Konzert des Gewandhausorchesters kann man im Live-Mitschnitt nachhören. Foto: Alexander Böhm
Das Konzert des Gewandhausorchesters kann man im Live-Mitschnitt nachhören. Foto: Alexander Böhm

Europa-Tournee

Im Februar geht das Gewandhausorchester mit Julian Rachlin unter Leitung von Riccardo Chailly auf Europa-Tournee. In zwei unterschiedlichen Konzertprogrammen sind unter anderem Tschaikowskis Konzert für Violine und Orchester sowie Mahlers 1. Sinfonie zu hören.

Die Tourdaten:

08.02.2015 – Brüssel – Palais des Beaux-Arts
09.02.2015 – Luxembourg – Philharmonie
11.02.2015 – Madrid – Auditorio Nacional de Musica
12.02.2015 – Madrid – Auditorio Nacional de Musica
14.02.2015 – Freiburg – Konzerthaus
15.02.2015 – Turin – Auditorium Lingotto
16.02.2015 – Mailand – Teatro alla Scala
17.02.2015 – München – Gasteig
19.02.2015 – Köln – Philharmonie
20.02.2015 – Stuttgart – Liederhalle
21.02.2015 – Dortmund – Konzerthaus
22.02.2015 – Dortmund – Konzerthaus

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