Liebe Alin, du hast zwischen deinen Liedern von Briefen erzählt, die Dich inspiriert haben, also schreibe ich Dir einen. Dabei möchte ich mir nicht anmaßen Dich ebenso zu inspirieren, ich weiß ja nicht mal ob Du diese Zeilen liest. Das ist auch nicht so wichtig, denn gelesen werden sie eh. Bevor ich zu den Einzelheiten komme, möchte ich Dir für einen wundervollen, humorvollen und bewegenden Konzert-Sommerabend in der Leipziger Parkbühne danken.
Dass Deine Stimme wohler tut als ein großer Becher heiße Schokolade nach einem Winterspaziergang, wusste ich vorher. Deine Urfreude an der Musik, die Deine Stücke noch lebendiger macht, als sie es schon sind, wenn sie zu Hause aus meinen Lautsprechern tönen, war wieder einmal ein Erlebnis. “Wolken” gab es die meiste Zeit des Abends nur in deinem gleichnamigen Stück, vielen Dank auch für das Kompliment, wir hätten es zauberhaft für Dich gesungen. Was mich betrifft ist das zwar noch keine glatte Lüge, aber schon ganz schön dick aufgetragen.
Trotzdem glaube ich Dir, dass Du es ehrlich meintest, zusammen klangen wir Zuhörer ja wirklich nicht schlecht. Außerdem kann ich mir wenn ich auf Deine Texte höre nicht vorstellen, dass Du überhaupt lügen kannst. Grundehrlich, emotional aber in den peppigen Livestücken frei von der Schwermut, die mich manchmal überkommt, wenn ich sie für mich höre. Es fehlt dann eben Deine charmante Bühnenpräsenz und Deine ansteckende Begeisterung für die Musik, die sie von der Melancholie befreit.
Weil ich nicht nur einer war, der mehr wollte, ließest Du Dich auch nicht lang bitten noch Zugaben zu spielen. So hast Du mich und hunderte Anderer auf schönste Art von der Welt “Disconnected” und wir hätten Dich gerne noch länger “Festhalten” wollen. Doch Du musstest weiter und auch den Dresdnern sei das Vergnügen gegönnt, Dich auf der Bühne erlebt zu haben. Sicher wirst Du auch mal wieder an eine Leipziger Mauer schreiben, dass Du hier warst, bis dahin müssen wohl Deine Alben reichen.
Jetzt schreibe ich schon absätzelang über Dich, dabei hatten doch Deine Musiker einen ebenso großen Anteil daran, dass wir Euch nicht ohne “Ein letztes Lied” gehen lassen konnten. Ein Spektrum von den ganz zarten Balladen bis hin zu Blues-Rock, Jazz und Elektropop machte die zwei Stunden umso spannender und wäre ohne sie nicht möglich gewesen. Tolle Livearrangements habt Ihr da hinbekommen, sie stehen Deinen Stücken mindestens so gut, wie Dir Deine neue Frisur.
Abschließend möchte ich Dir noch eine Geschichte erzählen: Es war im letzten Sommer, da fuhren wir nach dem Benefiz-Konzert der Leipziger Internet Zeitung und “Leipzig hilft” gemeinsam Straßenbahn. Du wirst Dich vielleicht nicht erinnern, ich stellte mich schließlich nicht vor. Es war einfach spannender zu schauen, wie Du reagieren würdest. Wie wir ins Gespräch kamen, weiß ich nicht mehr. Aber ich musste Dir einfach Respekt aussprechen, dass Du so gelassen mit kleinen Aussetzern auf der Bühne umgehst.
Nach 250 Konzerten spielst Du halt einfach ein anderes Lied, als das, dessen Anfang Dir gerade nicht einfallen wollte. Als Du dann ausstiegst, nahmst Du noch eine Flasche mit in den nächsten Mülleimer, die vorher polternd in unsere Richtung gerollt war. Weil Du so mitdenkst, nehme ich Dir auch ab, dass Dir nachhaltiger Merchandise wichtig ist, was ich bei anderen für eine Pose hielte.
Bleib also wie Du bist auch in der Veränderung, schreib weiter wunderschöne Musik und lass Leipzigs Bühnen und Menschen nicht zu lange auf Dich warten. Mein Diktiergerät lässt Dir noch ausrichten, dass es traurig ist, Deine Stimme nicht aufgenommen zu haben. Ich werde versuchen ihm zu erklären, dass ein Interview recht kurzfristig nicht zumutbar war. Vielleicht kommen wir dazu, das nachzuholen, ich würde mich sehr freuen.
Ich wünsche Euch, Dir und Deiner Band gute Erholung nach Eurem gestrigen Tourabschluss in der falschen Stadt.
Liebe Grüße
Sebastian
P.S.: Solltet Ihr noch nicht auf die Idee gekommen sein, ein Livealbum aufzunehmen, möchte ich noch loswerden, dass es Zeit dafür wird.
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