Dass es da im Programm des Bach-Archivs ein kleines Novum gibt, hat sich schnell herumgesprochen. Im Veranstaltungskalender steht es für den 28. September so: "Familienkonzert zum Zuhören und Mitmachen 17:00 Uhr, Bach-Museum, Sommersaal, Auf den Spuren Anna Magdalena Bachs". Das klingt wie ein ganz normales Konzert im barocken Sommersaal. Ist aber keins.
Wer weiter sucht, findet noch diese Informationen: “Ensemble Virtuosi Lipsiensis, ThomanerNachwuchsChor der Anna-Magdalena-Bach-Grundschule unter der Leitung von Lana Toschev · Claudia Marks, Erzählerin.” Im Hauptberuf ist Claudia Marks natürlich keine Erzählerin, sondern Leiterin der Museumspädagogik im Bach-Museum. Da hat sie natürlich mit Lehrern, Eltern, Schülern zu tun. Und mit einer Schule hat das Bach-Archiv nun seine Kooperation aus nahe liegenden Gründen verstärkt: zur Anna-Magdalena-Bach-Grundschule, die ja bekanntlich seit dem letzten Jahr einen Teil der Thomaner-Nachwuchsgewinnung übernommen hat. In extra eingerichteten Thomaner-Klassen werden hier -ganz ähnlich wie in der Grundschule “forum thomanum” – die Talente für den berühmten Knabenchor gesammelt und vor allem auf hohem Niveau auch schon musikalisch und gesanglich ausgebildet. Mit einer Extra-Stunde Musik jeden Tag, mit Stimmbildung, Instrumentenausbildung und regelmäßigen Auftritten.
Und das funktioniert nicht nur gut, wie Lana Toschev, die vom Thomanerchor eingesetzte Leiterin des ThomanerNachwuchsChores, berichtet. Es begeistert die Kinder auch.
Und wie Falco Renner, an der Anna-Magdalena-Bach-Grundschule unter anderem für die Ausbildung der Thomaner-Anwärter zuständig, berichtet, strahlt es auch aus aufs ganze Schulleben und alle andere Klassen. Was auch mit dem selbstgewählten Namen der Schule zu tun hat, die neben der speziellen musikalischen Schwerpunktsetzung auch noch eine sportliche Kooperation unterhält – mit dem Olympia-Stützpunkt Leipzig. Da hat man sich im Schuljahr 2013/2014, als der neue Name noch frisch und für Manchen ungewohnt war, noch einmal intensiver mit der Namenspatron Anna Magdalena Bach beschäftigt, Bachs zweiter Ehefrau, über die zwar die überlieferten Dokumente recht spärlich sind, aber eins weiß man: Sie war genauso musikalisch wie ihr Ehemann, war fürstliche Kammersängerin, bevor Johann Sebastian um ihre Hand warb, trat sie auch in Leipzig immer wieder solistisch auf. Und virtuose Fähigkeiten auf dem Klavier muss sie wohl auch besessen haben, wenn sie alle die Stücke gespielt hat, die Johann Sebastian im “Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach” versammelt hat.
Da lohnt sich auch für eine Grundschule die Beschäftigung mit dieser begabten Frau an Bachs Seite. Einige Lehrer hatten schon vorher innige Beziehungen zum Bach-Museum und zur dortigen Museumspädagogik. Aber im vergangenen Schuljahr, so berichtet Claudia Marks, taten sich erstmals alle Lehrer der Grundschule zusammen und stimmten ihre Gemeinsamkeiten ab. Dazu gehörte dann auch die Beziehung zum Bach-Museum. Im Frühjahr setze man sich dann zusammen und beriet, was man gemeinsam alles machen könnte. Im Sommer waren erstmals alle Lehrerinnen und Lehrer der Anna-Magdalena-Bach-Grundschule (intern schon jetzt gern auch “AMB-Grundschule”) im Bach-Museum. Was natürlich bedeutet, dass die Klassen der nicht weit entfernten Grundschule auch regelmäßig im Bach-Museum zu Gast sind. Angebote gibt es genug. Hier geht es ja nicht nur um Musik oder die begnadete Namenspatronin der Schule. Hier geht es auch um ein Stück Stadt- und Kulturgeschichte. Sogar um den Umgang mit Quellen, wie Marco Renner erklärt. Denn im Bach-Archiv wird ja nicht nur zu Johann Sebastian geforscht, sondern auch zu Anna Magdalena.
Museumsmitarbeiterin Maria Hübner hat das bislang maßgebliche Buch zu Anna Magdalena Bach geschrieben: “Anna Magdalena Bach: Ein Leben in Dokumenten und Bildern”, 2004, zusammen mit Christoph Wolff. Das Buch ist vergriffen und wird, wenn es wieder aufgelegt wird, deutlich umfangreicher. Denn Maria Hübner hat natürlich weitergeforscht und weitere Details zum Leben der Anna Magdalena herausgefunden.
Aber auch praktisch können sich Kinder ja beim Besuch des Bach-Museums der Zeit von Johann Sebastian und Anna Magdalena annähern. Und wenn “nur” gebastelt wird. Aber dabei bleibt es selten. “Wenn wir eine Kooperation mit einer Schule vereinbaren, dann wird das in jedem Fall auf die konkrete Schule und die dortigen Wünsche und Erwartungen zugeschnitten”, sagt Marks. Oft hänge die Kooperation an einer einzigen Person – einem Direktor, einer Lehrerin, einer Horterzieherin. Manche ruft fast zaghaft im Bach-Museum an, ob man dort eventuell gemeinsame Projekte hinbekommen würde. “Natürlich sagen wir da immer ja”, sagt Claudia Marks, die aus ihrer Arbeit weiß, wie aufgeschlossen die Kinder und Jugendlichen dem Museum und der Bach-Welt begegnen. “Sie sind wie Schwämme”, sagt sie. “Sie saugen alles auf.”
Und sie bekommen eine Bestätigung für ihre Neugier und ihre Aufmerksamkeit. Die sich dann meist auch auf die Eltern überträgt, erst recht, wenn solche Kooperationen dann in ein eigenes Projekt münden – wie einen kleinen Trickfilm, der von Kindern in der Museums-Werkstatt entwickelt wurde.
Was aber am Sonntag, 28. September, im Sommersaal zu hören sein wird, ist eine Premiere, die möglicherweise noch viele ausverkaufte Veranstaltungen im Sommersaal nach sich ziehen wird. Von “Hausmusik” spricht Lana Toschev. Und meint es auch so. Und ein wenig wird es so auch sein. Schon weil der Sommersaal mit seinem barocken Flair nur eine begrenzte Zahl Besucher zulässt. “Aber für unser Projekt ist der Saal ideal”, sagt Toschev. Nicht zu groß, nicht zu klein. Herrlich geeignet, für den ThomanerNachwuchsChor eine Bühne zu bieten. Drei Konzerte möchte dieser Chor der kleinen Thomaner-Anwärter in einem Schuljahr unterbringen – eines zum Geburtstag Anna Magdalena Bachs (der offiziell am 22. Februar war – da haben alle 400 Schüler der AMB-Grundschule auf dem Schulhof gemeinsam gesungen), eines in der Adventszeit (das steht am 30. November im Kalender: “Adventskonzert bei Anna Magdalena Bach”) und eins zum Geburtstag von Johann Sebastian Bach (der ist dann im März).
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“Wir haben auch überlegt, wie viel wir den Kindern schon zumuten können”, sagt Toschev. “Ich denke, drei Konzerte sind ein gutes Maß.” Außerdem geben sie den Kindern ein neues Erlebnis: Singen vor unbekanntem Publikum. So könnte es zumindest sein. Aber es steht zu vermuten, dass die Kinder der 2. und 3. Klassenstufe, die da am Sonntag singen werden, viele bekannte Gesichter im Publikum sehen. Denn das Konzert ist ruckzuck ausverkauft gewesen. Es soll auch sehr kurzweilig sein, versprechen Toschev und Marks. Die Lieder der Kinder werden von Instrumentalstücken abgelöst, die das Publikum mitnehmen in die Welt Anna Magdalena Bachs. Und zwischendurch schaltet sich Claudia Marks ein, die dem – möglicherweise sehr jungen – Publikum erzählt, was es an Wissenswertem zur Musik, zur Zeit und zu Anna Magdalena zu erzählen gibt.
Und damit das Ganze auch “das Herz durchfließt”, so Claudia Marks, gibt es hinterher noch praktische Angebote, die Anna Magdalenas Leben mit den Händen greifbar machen. “Sie liebte Hänflinge”, weiß Claudia Marks. “Also Singvögel in Käfigen.” Und da fällt ihr sofort etwas ein, was man da basteln kann und was die jungen Besucher dann mit nach Hause nehmen können. Als Erinnerung und als Anregung. Denn wenn so ein “Museums-Erlebnis” das Herz erreicht, könnte es sein, dass es auch ein paar Talente und ein bisschen Neugier weckt. Auf die Zeit und auf die Musik. “Meine Erfahrung sagt mir: Da klappt wunderbar”, sagt Claudia Marks.
Am Mittwoch, 24. September, haben die kleinen Thomaner-Anwärter im Sommersaal schon einmal eine Generalprobe für Sonntag absolviert. Am Sonntag stehen dann schon ein paar kleine Profis vor dem Publikum.
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