Wer seit Anfang Mai die neue Website des Bacharchivs Leipzig besucht hat, hat sich möglicherweise schon über das neue Layout gefreut. "Aber das wäre eigentlich kein Anlass für uns für einen Extra-Pressetermin", sagte Dr. Dettloff Schwerdtfeger, als er in der vergangenen Woche die Presse dennoch einlud zur Präsentation in den Sommersaal im Bosehaus. Denn das eigentlich Verkündenswerte steckt in den Tiefen der Seite.

Es sind drei Angebote mit den gar nicht so umwerfenden Namen “Bach-Bibliographie”, “Bach digital” und “Bach interaktiv”. – Wie wir sehen, sind die Zuhörer in der hinteren Reihe schon eingeschlafen. Aber so ist das im Internet. Wer nichts anklickt, sieht auch nichts.

Bach-Bibliographie

Auf das Projekt “Bach-Bibliographie” sind die Forscher besonders stolz. Hier wird alles gesammelt, was rund um das Thema Bach erschienen ist und erscheint und in den Bibliotheken zu finden ist. Weltweit. Ein Projekt, das der Bachforscher Prof. Yo Tomita von der Queens University in Belfast vor ungefähr 30 Jahren begonnen hat. Als einsamer Kämpfer. Manchmal muss auch einfach erst einmal so etwas wie das Internet in die Gänge kommen, damit eine kluge Forscheridee auch umgesetzt werden kann. Die Idee von Yo Tomita war ganz simpel: Tausende Forscher beschäftigen sich weltweit mit Johann Sebastian Bach, seiner Welt und seiner Musik. Ihre Texte erscheinen in Büchern, wissenschaftlichen Abhandlungen und Zeitschriftenbeiträgen. Sie landen für gewöhnlich auch in Bibliotheken. Aber nicht alle überall. Wer dann zu einem Bach-Thema forschen muss, der muss reisen – nach Berlin, nach Leipzig, nach Paris oder New York. Die einen wollen alles zu den Instrumenten der Bach-Zeit wissen, die nächsten alles zu den Krankheiten des Thomaskantors, der nächste alles zur Aufführungspraxis.

Blöd, wenn man dazu im Digitalzeitalter erst drei Mal um den Erdball düsen muss, wenn die meisten Bibliotheken das Material schon digital aufbereitet haben. Also kommt das alles in eine große Datenbank mit Schlagwortverzeichnis. Genau die verbirgt sich hinter dem auch auf der neuen Bacharchiv-Seite zu findenden Button “Bach-Bibliographie”. 65.000 Titeldaten sind hier schon hinterlegt. Die Forscher – und Forscher sind hier natürlich zuerst angesprochen – können also ausfiltern, in welcher Bibliothek welches der von ihnen gesuchten Werke steht. Und da es von vielen Texten auch schon digitale Varianten gibt (bis hin zum E-Book), können sie zumeist auch gleich bestellen. Das spart Zeit und Reisespesen.

Und natürlich soll weitergearbeitet werden. Jede neue Publikation, die den beteiligten Bibliotheken bekannt wird, wird eingearbeitet und mit einem Lesezettel versehen. Und weil das Ziel Vollständigkeit ist, dürfen auch alle Nutzer der Bibliographie anzeigen, wenn sie eine neue Arbeit gefunden haben zu Bach oder eine, die noch nicht drin steht. Das Formular ist gleich beigefügt.

Aber nicht nur für die Forscher gibt es was Neues. Auch für Musiker. Das Projekt ist zu finden unter:

Bach Digital

Hier ist die Titelzahl noch nicht so groß. Was simple Gründe hat: Hier geht es um die Originale. Die originalen Partituren von Johann Sebastian Bach bzw. die direkten Abschriften und Drucke seiner Zeit, die auch die originale Spielpraxis sichtbar machen. Früher war auch das ein reines Forscher-Thema. Aber seit einigen Jahren versuchen immer mehr Musik-Ensembles, auch die originalen Partituren mit den originalen Besetzungen und den Instrumenten der Bach-Zeit nachzuspielen. Und zwar sehr erfolgreich. Auch Leipziger Konzerte, in denen Musiker so ein Projekt ankündigen, sind in der Regel ausverkauft.

Aber auch hier mussten sich die Musiker in der vergangenen Zeit die originalen Stücke in Kopie für teuer Geld erwerben. Sie waren auch nicht immer verfügbar. Aber viele sind es mittlerweile, denn insbesondere die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat in den letzten Jahren die Digitalisierung der Bestände wichtiger Bibliotheken in Deutschland gefördert. Da es andere Länder genauso gehalten haben, liegen viele Partituren von Bach mittlerweile digital vor.

Und genau das findet man hinter “Bach Digital”: Derzeit 7.660 Datensätze. Jedes Notenblatt nicht nur digital darstellbar, sondern auch als PDF ausdruckbar. “Wir wollen, dass die Menschen die Quellen auch nutzen”, sagt Dr. Christine Blanken, die das Projekt am Bach-Archiv betreut. Und bei den 7.660 Datensätzen soll es nicht bleiben. Weitere 13.561 Seiten sollen bis 2016 dazu kommen, vor allem frühe Abschriften von Bach-Musik, die die Spielpraxis seiner Zeit sichtbar machen. Und die verschiedenen Spielweisen.

Es stecken ja auch einige Bach-Originale drin, die dem Nutzer sichtbar machen, wie der berühmte Komponist gearbeitet hat: von der ersten Niederschrift (mit entsprechenden Klecksen und Korrekturen) bis hin zu den späteren Anpassungen an die Kirchenmusik. Zu etlichen Stücken liegen die diversen Auszüge für verschiedene Stimmen und Instrumente vor. Man kann sich zu manchen Stücken gleich das ganze Orchester zusammenstellen.

Und als Zukunftsprojekt steckt auch schon ein Audio-Angebot im System, mit dem man eine Auswahl unterschiedlicher Aufnahmen des gleichen Stückes anhören kann. Für Musiker und alle, die mit möglichst quellennahem Bach-Material arbeiten wollen, eine echte Fundgrube.Bleibt noch das dritte Angebot, das man nicht unter Bacharchiv findet, sondern unter Bachmuseum. Mit dem neuen Auftritt wurde die Gemeinschaftsseite www.bach-leipzig deutlich aufgeteilt und führt den Benutzer jetzt in die unterschiedlichen Kosmen, die sich alle ums Bacharchiv gruppieren. Dort ist es denn gleich zu finden unter:

Bach Interaktiv

Besucher des Bachmuseums können das jetzt dort zu findende Angebot auch in der Ausstellung selbst nutzen. Aber man ist ja nicht jeden Tag im Bosehaus. Wer “Bach Interaktiv” anklickt, kommt direkt auf den Thomaskirchhof, wo drei nächtlich leuchtende Button zum Anklicken einladen.

Während die alte Schinkellaterne erst einmal Text enthält, mit dem man sich informieren kann, wird es beim Anklicken des Bach-Denkmals gleich musikalisch. Drei Bach-Stücke erfreuen das Kinderherz – und wer mag, kann bunte Käfer springen lassen, wenn ihr Einsatz gekommen ist. Etwas komplexer wird es bei Besuch der Thomaskirche, wo man vier Bach-Kompositionen samt Pauken, Trompeten und Thomanerchor hören kann – und selber aussuchen kann, welche Stimme oder welche Instrumente man genauer kennenlernen möchte. Den Zink zum Beispiel, ein gar seltsames Tier im Orchester. Oder ist es die Zink? Oder das?

Man lernt was dabei. Und man sollte auch ein gutes Gedächtnis haben, auch ein gutes Hörgedächtnis, denn das wird gebraucht, wenn man dann beim Besuch des virtuellen Bach-Museums ein Memory spielt. In vier Steigerungsgraden. Wer eh schon ein musikalischer Schwerenöter ist, der hat es hier schwer. Aber wer hat gesagt, das Musik etwa Leichtes ist?

Alle Links in der Übersicht:

Zur neu gestalteten Seite des Bach-Archivs Leipzig:
www.bacharchivleipzig.de

Zur Bach-Bibliographie: www.bach-bibliographie.de

Zu den digitalen Original-Noten der Bachzeit auf Bach Digital: www.bach-digital.de

Bach-Museum Leipzig mit dem Spiel “Bach Interaktiv”: www.bachmuseumleipzig.de/de/bach-museum

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