Es ist in der Musik wie in jedem guten Unternehmen: Es gibt den kreativen Kopf, der den Ton angibt. Und es gibt eine hochbegabte Mannschaft, die daraus erst was Richtiges macht. Wenn das zusammenkommt, dann entsteht Neues und Faszinierendes. Bei "Socalled" kommt es zusammen. Auch wenn man bei einer Genre-Bezeichnung wie "Yiddish Hip Hop Funk Pop Madness" erst einmal die Augen verdreht. Muss denn alles in irgendwelche Schubladen?

Muss es nicht. Und wer’s hören und erleben will, der fährt, rennt, läuft, eilt am Montag, 29. April, 21 Uhr in die nato. Wenn es noch Karten gibt. Rechtzeitiges Kommen ist wohl der beste Rat, den man geben kann. Wer draußen steht, wenn’s drinnen anfängt, verpasst was. Zwei Tage später ist die Gruppe aus Montreal schon in Prag, einen Tag später in Budapest.

„Socalled“ – das ist die liebreizende Stimme von Katie Moore, ohne die es nun mal nicht geht, und das sind auf der jetzigen Europa-Tournee Michael Winograd (cl + iPad), Patrice Agbokou (b) und Jean Sebastien Williams (g). „Socalled“ ist alles mögliche – Idee, Liebe zur Musik, Spiel mit den Melodien der Welt.

In der Mitte immer der Kanadier mit der Professorenbrille und der dazu passenden Stirnglatze, der „Sogenannte“, ein Tausendsassa aus Montreal, der gerne als Fotograf, Filme- und Puppenmacher, Zauberer und Comic-Zeichner begeistert.

Vor allem ist er aber ein musikalischer Entertainer der dritten Art, ein klassisch ausgebildeter Musiker, der zum DJ und Sampler-Beherrscher wurde, dazu ein Produzent und Kollege von Gonzales, Mocky und etlichen mehr. Seit über einem Jahrzehnt tourt Socalled mit seiner eigenen Band und an der Seite von so unterschiedlichen Künstlern wie dem Klezmer-Star David Krakauer oder Funk-Legende Fred Wesley durch die Welt.

Als Kind zum Klavierunterricht gezwungen, durfte Socalled erst dann Jazz, Salsa, Funk, Gospel und Rock auf seinem Instrument spielen, nachdem er artig alle verfügbaren Pianowettbewerbe der Stadt gewonnen hatte. Man darf sich also nicht wundern, wenn sich auch klassische Klavierstücke in die musikalische Weltreise mischen.

Bald schon reichte ihm auch das nicht mehr und er begann, Beats zu basteln und mit zahlreichen Rappern zu arbeiten. Außerdem sammelte er alle möglichen Platten und verarbeitete bald auch alle möglichen „jüdischen“ Musiker in seine deepen Funkgrooves: chassidische Gesänge, israelischen Pop, Klezmer, die Chants aus der Synagoge, all das fand sich bald in den sample-basierten Beats seiner Songs.

Das neue, etwa dreieinhalbte Album von „Socalled“ heißt „Sleepover“ und präsentiert den manischen Maestro an der Seite von Gästen wie Gonzales, Fred Wesley, Boban Markovic, der Calypso-Legende „The Mighty Sparrow“, Rap-Veteranin Roxanne Shante und über zwanzig mehr.

Auf ebenso gelassene und gekonnte Art und Weise verbindet es eingängigste Pop-Melodien mit aufregenden Grooves, analog und digital, dazu Funk und Hip-Hop mit Balkan-Beats, Calypso-Styles und allem anderen, was ihm und uns Spaß macht. Und all das nur, damit etwas Neues und herrlich Smartes, Lustiges, Intelligentes und Zeitloses in unsere Ohren kommt.

Dabei gibt es hinreißende Adaptionen etwa des alten Songs „Springhill Mine Disaster“, den schon Peggy Seeger und The Dubliners auf ihre Weise gesungen haben. Eigentlich ein Dauerbrenner des Folk – dass man das Lied freilich fast beswingt neu interpretieren kann und die Trauer dennoch spürbar bleibt, das beeindruckt doch. Dasselbe gilt für „Beautiful“. Und den Titel „Unlvd“ kann man natürlich auch mit Vokalen lesen – dass man aber bei aller Enttäuschung trotzdem mit Lust und Phantasie und Schulterzucken drüber reden und singen kann, ist vielleicht typisch „Socalled“.

Deutsch ist es jedenfalls nicht. Aber könnte es ja mal werden, wenn wir uns in abendlichem Mitvergnügen so nach und nach verabschieden können vom schluchzenden Bardengedöns in Lederhosen. Gefühle müssen nicht klebrig sein. Und wenn die Leichtigkeit des Seins so zwischen Funk und Klezmer tanzt, kann das nur guttun im Land der großen Mitleidsmienen und Taschentücher.

Und das Schöne dabei ist: Das kommt alles spielerisch daher. Selbst wenn die Jungs auf einmal in Rap verfallen. Die Übergänge sind gleitend. Diese Truppe weiß, was Musik ist.

Veranstaltungshinweis: Am Montag, 29. April, um 21 Uhr Uhr beginnt das Kontert von „Socalled“ in der naTo (Karl-Liebknecht-Straße 46). Eintritt: 12 Euro / erm. 10 Euro. Und präsentiert wird dieses Päckchen aus dem großen Land der Weltmusik von radioglobalistic.

www.radioglobalistic.wordpress.com

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