Im letzten Jahr gab es die Orchesterakademie erstmals beim Bachfest. In diesem Jahr wartet das Bachfest Leipzig mit einer weiteren Projektpremiere auf: der Chorakademie. Am Montag und Dienstag, 8. und 9. April, trafen sich dazu drei sächsische Schulchöre in Markkleeberg. Aus gutem Grund. Denn auch das Rudolf-Hildebrand-Gymnasium gehört zu den sächsischen Profil-Gymnasien in Sachen Musik. Und Hermann Max schwärmt. "Darum kann man Sachsen beneiden."

Andere, stark industriegeprägte Regionen hätten eine derart verwurzelte und auch institutionalisierte Musiktradition schon lange nicht mehr. In Sachsen hat sie überlebt. Auch in den benachbarten Bundesländern. Hier wurden auch in DDR-Zeiten Gymnasialstufen (EOS) mit verstärkter Musikausbildung unterhalten. Vor allem auch, um den musikalischen Nachwuchs zu sichern – nicht nur für Orchester, Musiktheater und Chöre, sondern auch für den Musiklehrernachwuchs. Ein so sinnfälliges Prinzip, dass es in Sachsen nach 1990 weitergeführt wurde an so genannten §4-Schulen. Fünf Stück gibt es davon in Sachsen. Und das Bach-Archiv wollte sie gern – wie 2012 mit den Jugendorchestern ausprobiert – 2013 bei einer Akademie im Vorfeld des Bach-Festes versammeln und im Programm des Bach-Festes auch auftreten lassen.

Vor anderthalb Jahren trat das Bach-Archiv deshalb an das Rudolf-Hildebrand-Gymnasium heran. Und trat durch offene Türen. “Das einzige Problem”, so erzählt Sven Kühnast, Chorleiter und Musikpädagoge der Rudolf-Hildebrand-Schule, war, den Kern für einen Chor herauszuprofilieren, der dann zum Bach-Fest auf der Bühne steht. Denn man wollte das Ganze auch mit zwei anderen Gymnasien mit musikalisch vertieftem Unterricht machen, mit denen es auch schon Kontakte gab – dem Clara-Wieck-Gymnasium Zwickau und dem Lessing-Gymnasium Hoyerswerda. Jeder Chor hat so um die 80 bis 90 Mitglieder.

Also gab es ein kleines Vorsingen wie bei den großen Profis, bei dem es nicht nur auf das Können der einzelnen Sängerinnen und Sänger ankam, sondern auch auf ihre Vorfreude auf mehrere Tage richtig intensiver Arbeit. Aus Zwickau und Hoyerswerda sind jeweils 20 Sängerinnen und Sänger dabei, aus Markkleeberg 40. Und damit das Ganze auch finanziell zu stemmen war, wurden die Markkleeberger Chormitglieder gebeten, die Gäste aus Zwickau und Hoyerswerda bei sich zu Hause unterzubringen.

Eine besondere Verlockung der Akademie: Die beiden Probentage wurden von Herrman Max, erfahrener Dirigent mit Vorliebe zur historischen Aufführungspraxis, geleitet. Zahllose Meisterwerke hat er vor dem Vergessen bewahrt, in von Fachwelt, Publikum und Presse als aufsehenerregend und überzeugend beurteilten Aufführungen, Rundfunk- und CD-Produktionen realisiert und dazu modernes Aufführungsmaterial nach Originalquellen erstellt. Er ist auch mit zwei eigenen Konzerten zum Bach-Fest 2013 zu erleben. Im Jahr 2008 wurde Hermann Max die Bach-Medaille der Stadt Leipzig verliehen.Und er brachte nicht nur seine Erfahrung aus der Arbeit mit großen Chören mit, er erzählte den jungen Sängern so nebenbei auch, wie er die ausgewählte Musik versteht, welche historischen Zusammenhänge man wissen sollte, wenn man durchaus anspruchsvolle Stücke von Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy singt. Bis hin zum Wissen darum, welcher Bruch da vom 18. zum 19. Jahrhundert eintrat. “Vorher war alles aufs Wort hin komponiert”, erzählt Max. Denn Musik war Träger und Verstärker der christlichen Botschaft. Das war bei Schütz genauso wie bei Bach. Die Komposition diente zur emotionalen Verstärkung der Botschaft. Das änderte sich erst mit der völlig anderen Schwerpunktsetzung auf der Instrumentalmusik im 19. Jahrhundert. Da lauschten auch die jungen Sänger aufmerksam – wenn man so etwas weiß, versteht man zuweilen erst, was die Komponisten eigentlich getan haben.

“Ich habe keinen Moment gezögert, als der Wunsch, die Akademie zu begleiten, an mich herangetragen wurde”, erzählt Max. “Und was ich erlebt habe, hat mich sehr überrascht.” Er brauchte den jungen Sängerinnen und Sängern das Einmaleins nicht mehr beizubringen, konnte mit ihnen arbeiten wie mit einem Profi-Chor.

Die beiden Tage wurden vor allem genutzt, um das Repertoire einzustudieren und sich als Chor zu finden. Acht Stunden an beiden Tagen. “Und danach fanden die Schüler dann sogar noch die Kraft, mit ihren Gästen loszuziehen. Das hat mich selbst überrascht”, erzählt Kühnast. Die nächsten Wochen werden die jungen Sängerinnen und Sänger nutzen, um ihren Teil zu proben.

Eine zweite Arbeitsphase wird direkt vor dem Bachfest Leipzig gemeinsam mit dem Mendelssohn Kammerorchester Leipzig realisiert, bevor die zirka 80 Schülerinnen und Schüler die Ergebnisse ihrer Arbeit am Eröffnungstag des Bachfestes Leipzig 2013, dem 14. Juni, um 21 Uhr auf der Open-Air-Bühne auf dem Leipziger Markt präsentieren. Ein zweites Konzert in der Thomaskirche Leipzig schließt sich am Sonntag, 16. Juni, um 15 Uhr an.

Und auch wenn es gerade bei den ausgewählten Kompositionen aus dem 18. Jahrhundert auf jede Nuance ankommt, haben die Beteiligten keine Bange davor, dass der Open-Air-Auftritt auf dem Markt am 14. Juni nicht gelingen wird. Bei anderen Open-Air-Veranstaltungen auf dem Markt konnte man eine Stecknadel fallen hören, so aufmerksam war das Publikum. Den Rest erledigt dann eine professionelle Beschallungsanlage. Und es wird wohl wieder einige Tausend Leipziger auf den Markt locken, vor allem auch, weil diesmal ein gemischter Jugendchor zeigt, dass Barockmusik nicht nur den Knabenchören vorbehalten ist. Es wird anders klingen, das bestimmt. Und die jungen Leute aus Zwickau, Hoyerswerda und und Markkleeberg werden zeigen, auf welchem Niveau sie ihre Musikausbildung erhalten.

Viele von ihnen, so Sven Kühnast, suchen sich später tatsächlich eine musikalische Karriere. “Ein Viertel etwa schlägt direkt eine musikalische Laufbahn ein”, erzählt Kühnast über den Markkleeberger Musikzweig. “Ein weiteres Viertel ergreift musiknahe Berufe – vom Stimmtherapeuten bis zum Veranstaltungsmanagement.”

40 bis 50 Bewerbungen für die Musikklasse am Rudolf-Hildebrand-Gymnasium gibt es jedes Jahr. 20 bis 25 Schülerinnen und Schüler werden genommen. “Wir haben sogar ein kleines Internat mit 35 Plätzen”, berichtet Kühnast.

Jetzt ist er natürlich auf die Probenwoche vorm Bach-Fest gespannt, wenn die Gäste aus Zwickau und Hoyerswerda wieder nach Markkleeberg kommen und jeden Tag mit dem Mendelssohn-Kammerorchester proben. Nicht ganz so lang wie am 8. und 9. April. Es geht ja eher um das Feintuning. Vier Stunden Probe am Tag sollten reichen.

Das Ergebnis kann man dann am 14. Juni ab 21 Uhr auf dem Markt hören.

www.bachfestleipzig.de

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