Ralf Schmidt kommt wieder nach Leipzig. Der Ex-Sänger von Stern Meißen, Klang-Elektropionier namens IC, später dann verpopter als IC Falkenberg und nun als Falkenberg ein melancholischer Weiterdenker und Dunkelpirat hat ja mit seiner letzten Platte "Freiheit" gezeigt, wo die Harke liegt. Jetzt ist er wieder in der Stadt und er hat Weisheit im Gepäck. Tanner traf ihn zum Kaffee in Halle, der Stadt am Rande Leipzigs, in der Falkenberg mittlerweile wieder lebt.
Durch die Social-Media-Welt flimmert seit ein paar Tagen: Falkenberg in Leipzig – am 30. März im Anker. Dass mit Falkenberg nicht der kleine schmuddelige Ort unweit der Messestadt gemeint ist, wissen Musikenthusiasten schon. Was aber geschieht am 30. März? Das wiederum weiß kaum jemand. Deshalb frage ich mal unverblümt: Kommst Du mit großem Orchester um die Freiheit einzufordern, nach der Du Dein letztes Album benannt hast?
Nachdem ich mit der Band im letzten Jahr ein wunderbares Konzert im Anker erleben durfte, werde ich am 30. März allein auf der Bühne sitzen. Das Leben muss dynamisch bleiben, so auch das Konzerterleben für das Publikum und letzten Endes auch für mich. Die Solokonzerte haben ja ihre ganz eigene Atmosphäre. Da ist keins wie das andere. Ich kann spontan entscheiden wann ich welchen Song wie spiele und welche Geschichten mir dazu einfallen bleibt im Grunde genommen auch dem Zufall überlassen.
Dein Song “Vor den Kathedralen” hat sich zu einer Hymne der Occypy-Bewegung gemausert. Nun wandelt sich diese doch sehr freie Struktur gerade, spaltet sich in einen außerparlamentarischen, einen radikal-anarchistischen und einen radikaldemokratischen aber auch einen parteinahem Arm – dabei nutzt sie aber auch frische Elemente, wie die italienische Fünf-Sterne-Aufmerksamkeit. Wo siehst Du Deinen Part, wo stehst Du in dieser Bewegung? Und wohin, denkst Du, steuert das Schiff? Die Regierenden ziehen ihren neoliberalen Stiefel ja trotz aller Proteste gnadenlos durch.
Ich glaube das wichtigste an all diesen Bewegungen ist die Bewegung an sich. Ich bewege mich in ihnen, indem ich mich als Künstler dazu verhalte. Es macht mich glücklich diese gesamtgesellschaftliche Entwicklung nicht nur beobachten zu können, sondern auch etwas dazu beitragen zu können und vor allem das alles zu erleben. Mein Leben wäre ärmer ohne all die Gedanken, die sich mit diesem Prozess verbinden.
Im Grunde genommen sind sich doch alle einig, dass die derzeitige Wirtschafts- und Gesellschaftsform nicht das Zukunftsmodell sein kann. Es kommt aber keiner um die Ecke mit einem Neuen. Darauf brauchen wir nicht zu warten. Die Revolutionen der jüngeren Geschichte haben die Menschen unterm Strich nicht glücklicher gemacht. Wir sehen das ganz deutlich an China. Maos Kulturrevolution hat Millionen von Menschen das Leben gekostet, altes Wissen und Kultur zerstört. China wird in naher Zukunft so kapitalistisch sein wie keine Nation in der der westlichen Welt zuvor. Der Mensch ist das Problem, die Gier des Einzelnen. Die gute Nachricht ist deshalb, nur der Mensch kann aus diesem Grunde die Lösung sein. Und wir verändern uns doch, langsam aber stetig in die richtige Richtung, auf uns zu. Die letzte Revolution heißt Evolution.
Ist es nicht eigentlich mal an der Zeit, dass auch Du ein Buch schreibst? Ich meine, Dirk Zöllner hat eins geschrieben, Maurenbrecher schiebt auch immer mal eins zwischendurch rein – wo ist Deine Lebensbeichte – Deine Geschichte zwischen Buchdeckeln?
Mein Anspruch an Literatur ist so hoch, da will ich im Moment noch nicht ran, da fehlt mir einfach noch das Handwerk, darauf möchte ich persönlich nicht verzichten. Ich glaube auch nicht, dass es für eine Zusammenfassung des persönlich Erlebten schon an der Zeit ist. Vielleicht schreib ich etwas ganz anderes. Mein Kopf ist voll von Geschichten, die den Rahmen eines Songs sprengen würden.
Die Zeit der großen Hits ist ja vorbei, was nicht unbedingt zu bedauern ist, schließlich schafft die Abwendung vom “Totalen Markt”-Zwang ja zuallererst Freiheit im Schaffen. Wie lebst Du in Halle? Gutbürgerlich? In einer Arme-Künstler-WG? Oder in einem Schloss über der Saale? Wie muss man sich das ganz normale Falkenberg-Leben vorstellen?
Das ganz normale Falkenberg-Leben kann man sich als ganz normal vorstellen. Ich wohne in einer ganz normalen, viel zu teuren Wohnung. Ich bringe meinen Müll selber raus und feiere keine Kokspartys. Ich höre laut Musik weil ich tolerante Nachbarn habe und über mir ist nur der Himmel.
Es gibt Leipziger Bands, die international Erfolge …
Drei junge Frauen in einem Provinzstädtchen …
Eine wirklich humane Welt werden wir …
Bringst Du Frisches mit am 30. März? Neues Liedgut? Neue melancholische Weisen? Oder holst Du die Schenkelklopfe-Karte aus der Tasche? Erzähl mal.
Es werden natürlich Songs von “Freiheit” zu hören sein aber auch ältere Stücke die ich lange nicht gespielt habe, in einer neuen Bearbeitung, sowie natürlich auch ausgewählte Klassiker, die sich aber auch im Laufe meiner Entwicklung mit mir verändert haben. Die ersten Solokonzerte in diesem Jahr waren, wenn ich den Reaktionen des Publikums glauben darf, emotionale Erlebnisse. Und darum geht es doch letztendlich, und auch ich möchte berührt werden.
Der 30. März ist in Leipzig recht kulturvollgepackt. Warum sollen sich die Menschen aber ausgerechnet auf den Weg in den Anker machen? Irgendwie ist ja auch Ostern, hab ich gehört.
Weil ohne die Menschen ein Konzert völlig sinnlos ist und weil ich mich immer freue, Menschen und ihren Geschichten zu begegnen und weil auch die Konzerte in Leipzig immer schöne Momente waren und bleiben sollen.
Danke Ralf!
Vor den Kathedralen als Video:
www.youtube.com/watch?v=jX7PS3Ss0Us
Falkenberg im Anker Leipzig; 30.03.2013; Karten gern über Anker Leipzig:
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