Ursprünglich - das ist schon ganz ganz lange her - da hatte der Rap noch Poesie. Da hatte er Farbe, erzählte vom Leben, vom Frust, vom Unbehagen in einer vom Rausch und von Gewalt besessenen Welt. Das ist lange her. Mittlerweile ist er zum Hitparaden-Posieren geworden, zur Ware, zum Kunstprodukt. Tabubruch als Masche. - Eigentlich kein Grund mehr, wieder Rap zu machen, oder? - Oder doch?
In den Hitparaden und in den üblichen Radioverschnitten wird man André Herrmann und Julius Fischer nicht finden, in Magazinen und Anthologien aber tauchen sie auf. Auch als TTZ – Team Totale Zerstörung. Seit 2008 touren die beiden als TTZ durch die Lande. Die Liebhaber der Bühnen-Kunst kennen sie auch aus anderen Zusammenhängen – aus diversen Lesebühnen zum Beispiel. Bei der Lesebühne Schkeuditzer Kreuz sind sie zu finden.
Als TTZ haben sie beim Slam 2011 in Hamburg gwonnen. Und was melden Heidelberg und Mannheim am heutigen 17. November? – “Das “Team Totale Zerstörung” … hat seinen Titel in der Kategorie Team erfolgreich verteidigt.”
Na herzlichen Glückwunsch: Damit sind die beiden Leipziger auch 2012 wieder Slam-Meister.Wie kann man das toppen? Kann man das toppen?
Schon 2010 waren sie Vizemeister der deutschen Poetry-Slammer geworden. Das Finale schaffen die beiden selbst mit Schnupfen. Aber wie schaffen sie das?
Mit Rap natürlich. Mit ihnen ist der Rap wieder da angekommen, wo er früher mal angefangen hat. Vielleicht nicht gerade in brennenden Vorstädten. Aber in ihrem Leben hienieden, beim Lebensgefühl, dem, was Jungen so erleben, wenn sie merken, dass die Dinge nicht so laufen, wie Mama und Papa ihnen das beigebracht haben. Wenn die Girls – statt mit ihnen zum Knutschen in die nächste dämmerige Ecke gehen – ihren Mutterinstinkt entdecken. Irgendwann will man doch aber ernst genommen werden. Oder nicht?
Irgendwann will man doch schrecklich sein?Aber nix ist. Eine Blase nach der anderen platzt. Und die schöne versprochene Macho-Welt löst sich in lauter Problemchen auf, ist gar nicht heroisch. Ihre Welt ist keine mit qualmenden Mülltonen und Gangs auf der Straße. Sie erzählen den Zuhörern nichts, was nicht ist. Sie kommen aus Leipzig. Und während allerlei gut verdienende Sängerknaben auf dem großen Rap-Markt erzählen, wie finster doch ihre Kinderstube war, suchen die beiden auch nur nach dem kleinsten Fitzel Schrecklichkeit. Aber wo soll die herkommen? In Leipzig? Da muss man schon zum Englischen greifen, um die schlichte Erkenntnis etwas weltläufiger klingen zu lasen: “Straight outta Leipzsch”. Und es kommt an.
Und es trifft wohl. In ihren Liedern können sich Viele wiedererkennen. Doch sie nehmen es nicht mit Jammermiene. Warum auch? Wer kann erzählen, dass es anders ist, ohne zu lügen? – Die schicken Jungs, für die immer alles “cool” ist, diese gegelten Flachflieger? – Da haben sie wohl noch nix gemerkt. Denn spätestens wenn Mama anfängt, “cool” zu sagen, ist es nicht mehr “cool”, cool zu sein.
Was die beiden freilich drauf haben, ist der Wortwitz, die Spiellust. Sie haben mit der deutschen Sprache (da und dort ruhig auch mal im sächsischen Idiom) ihre wahre Freude, reimen drauflos, bis die Fahrradreifen quietschen und die Gewürze stieben. Nichts ist ihnen heilig. Auch wenn sie natürlich drauflosrappen, als sei es heilig. So wie die anderen, die ihren Rap so ernst darbieten, als hätten sie so etwas wie eine Botschaft oder einen guten Grund, sich schlecht zu benehmen.
Die beiden hier, beide ordentlich studiert, gebildet und erzogen, werden sich nie schlecht benehmen. Können sie gar nicht,. So wenig wie ihr Publikum. Das natürlich auch zuhört, was der übliche Rap-Konsument ja nicht tut. Nicht wirklich. Sonst wäre er schon längst umgestiegen auf ordentliche Poetry Slams, an denen Herrmann und Fischer natürlich mit Wonne teilnehmen – oder die sie auch – wie die LiveLyrix-Slams in Leipzig – selbst organisieren.
Wer zu solchen Slams geht, will Spaß haben, der will was hören. Man erwartet dort, dass die Akteure oben auf der Bühne keinen Respekt haben – nicht vor der Lyrik und auch nicht vor den heiligen Themen der Nation. Und auch nicht vor all den Dingen, über die “coole” Leute sich nie unterhalten würden, all diese Tabus, über die man mit Gleichaltrigen nie reden kann, weil sie alle “cool” sind und schon immer alles wissen. Weshalb dann am Ende nur Mord und Hass übrigbleiben als Rap-Themen. Und erlogene Tabus.
Was vielleicht sogar diverse Musikkritiker schon gemerkt hätten, wenn sie nicht selber immer nur versuchen würden, “cool” zu sein.
Die wirklichen Tabus sind alle noch da. Und die, die niemals “cool” werden, weil sie viel zu viel nachdenken und noch so ein paar seltsame moralische Maßstäbe von Mama mitbekommen haben, die wissen das und sie leiden drunter. Manche sprachlos. Und manche zum Glück mit aufgewecktem Wort, mit Lust am Sich-selbst-durch-den Kakao ziehen, ohne gleich zum Blödel-Otto zu werden. Das ist ein Unterschied: Sich selbst auf den Arm nehmenzu können und trotzdem noch zu sagen, was einem das Leben dann und wann und immer wieder schwer macht. Bis hin zum viel zu teuren Bier in Toronto.
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Auf dem Cover ihrer ersten CD, auf der sie alle ihre Hits gesammelt haben, präsentieren sich die beiden Poetry-Rapper als Supermänner vor dramatischer Kulisse zum Ausschneiden. Und irgendwie sind sie es auch. Sie sehen sich – wie Herrmann sagt – in der Tradition der Gangster Rapper. Aber irgendwie haben sie mit dem Gangster Rap das gemacht, was ein ordentlicher Mensch mit Importprodukten machen sollte: Sie haben es auf ihre Welt umgemünzt. Sie tun nicht so, als würden sie in der Bronx den dicken Maxen machen. Es reicht schon, mit dem Klapprad durch eine Leipziger Vorortstraße zu jagen – und da ist sie, diese Luft, diese Ahnung von großer, weiter, schrecklicher und manchmal schrecklich peinlicher Welt.
Und das kommt an bei denen, die nicht so tun, als wäre es anders. Und wenn Radiosender in Deutschland diese Songs nicht spielen, sind sie selber schuld. Die Scheibe ist da. Und den zweiten Großen Slam-Titel haben die beiden nun auch.
Herzlichen Glückwunsch.
Team Totale Zerstörung: Wir sind dann mal whack!
www.slam2012.de
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