Heißt das Ding nun wirklich "Bach Channel"? Nicht wirklich. Auch bei Youtube firmiert das Bach Archiv Leipzig als Bach Archiv. Nur heißt ein eigenes Profil bei Youtube nun einmal Kanal. Da kann sich jeder, der eigene Clips einstellt, wie ein Fernsehmacher fühlen. Aber darum geht es dem Bach Archiv gar nicht, das seinen Youtube-Kanal am Mittwoch, 14. November, medienwirksam in Betrieb nahm.

Zwei kurze Film-Clips sind jetzt dort zu sehen – einer als kurze Werbevorstellung für das Bach Archiv, seine Forschung und das Museum im Bosehaus. Und einer zeigt die junge Cembalistin Cornelia Osterwald, wie sie im Sommersaal des Bach-Archivs am Cembalo den ersten Satz aus Johann Sebastian Bachs “Italienischem Konzert” F-Dur, BWV 971 spielt. Aufgenommen am 8. November von Studierenden der HTWK Leipzig.

Und darum geht’s beim “Bach Channel”: Er ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bach Archiv und der Medienausbildung an der HTWK Leipzig. Da werden die Praktiker für das moderne Mediengeschäft ausgebildet – Tonmeister, Schnitttechniker, Kameraleute – die technischen Fachleute also, die die Ideen von Regisseuren und Autoren in Film verwandeln. Dabei probieren sie sich seit über drei Jahren auch in der Praxis aus. Dazu wurde an der HTWK an der Fakultät Medien extra ein eigener Campus-Sender geschaffen: Floid TV. Da die moderne Studio-und Kameratechnik sowieso da ist, mit der die angehenden Medientechniker ihr Handwerk lernen, lag eigentlich nahe, dass sie – in einem zusätzlichen Angebot zum Studium – auch ausprobieren können, ob sie es auch in praktischen Sendungen umsetzen können.

Ein Beitrag entsteht so in der Regel jede Woche in Eigenregie. Auch wenn Prof. Dr. Ing. Uwe Kulisch, Dekan der Fakultät Medien der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK), sich so ein bisschen als Programmdirektor empfindet. Das ist in einem üblichen Fernsehsender der Bursche, der immer sagt, was er gern sehen möchte auf seinem Kanal.

Umsetzen müssen es dann die Redakteure und ihre Mitarbeiterstäbe. Was dann bei Floid TV Studierende wie Martin Blum sind, Student im 5. Fachsemester Medientechnik und Chefredakteur beim hochschuleigenen Fernsehsender. Er war gleich Feuer und Flamme, als sich da ein neues Projekt mit dem Bach Archiv ankündigte.

Die Kooperation zwischen HTWK und Bach Archiv besteht schon länger, war einige Jahre relativ locker, beim Bachfest kam man dann etwas enger zusammen – die Medienmacher aus der HTWK begleiteten das Bach On Air. Aber da wäre noch mehr drin, dachte sich Dr. Dettloff Schwerdtfeger, der Geschäftsführer des Bach Archivs, der seine Aufgabe auch darin sieht, Marketing zu machen für das Haus und auch die dort stattfindenden Konzerte. Denn seit der Sanierung 2009/2010 wird auch der einmalige Sommersaal im Bosehaus wieder bespielt.Dessen Markenzeichen ist der barocke Himmel, der zu Konzerten einfach abheben kann und oben – im Himmelsblau – die Musiker frei gibt, die den kleinen Saal, der 70 Zuhörer fasst, bespielen können. Wer unten sitzt, hat so das Gefühl: Herr Bose hätte beinah die Stereoanlage erfunden – wenn das im 18. Jahrhundert schon möglich gewesen wäre.

Aber von diesem Schmuckstück wissen nur wenige Leipziger und Bachfreunde. Und viele, die davon wissen, können an den Konzerten nicht teilnehmen. Zum Beispiel weil sie im australischen Outback wohnen und mit Leipzig nur per Internet verbunden sind. Aber das Internet hat sich längst schon als weitere Verbreitungsplattform auch für Filme etabliert. Youtube macht es seinen Nutzern sogar ganz einfach – bis hin zur Einrichtung eines eigenen “Channels”.

War nur noch die Frage: Was kann man da tun für die Australier? – An dieser Stelle wurde die Kooperation mit der HTWK reaktiviert, man setzte sich zusammen. Und mittlerweile steht außer Frage, dass das ein interessantes Projekt für die angehenden Medienmacher sein kann. Am 8. November wurde kurzerhand der erste Projekttermin anberaumt. Im Sommersaal natürlich. Mit Cornelia Osterwald am Cembalo. “Sowas habe ich ich das erste Mal gemacht”, sagt Martin Blum. “Ich habe auch zum ersten Mal mit Campus Records zusammengearbeitet.”

Campus Records ist neben Floid TV ein weiteres Projekt an der Fakultät Medien, wo sich die Studierenden mit der Produktion von (Musik-)CDs beschäftigen. “Von Musik habe ich ja eher keine Ahnung”, sagt Blum. Doch die Projekte an der Fakultät sind ja gerade dazu da, auch die so genannten “soft skills” zu üben – die Fähigkeit, gemeinsame Projekte zu organisieren. Mitmacher zu gewinnen, Ideen zu entwickeln. Das, was Medienmachen erst so richtig kreativ macht.Entstanden ist am 8. November ein 4:29-Minuten-Clip. Ein Testballon. Ein Pilotprojekt. Es soll zeigen, wie Konzertaufzeichnungen im Sommersaal aussehen könnten. Hier noch ohne Publikum. Aber für 2013 haben sich HTWK und Bach Archiv Großes vorgenommen. Acht bis zehn der Konzerte, die ab Januar 2013 im Sommersaal stattfinden, sollen von den Studierenden aufgezeichnet und im Anschluss zu einem richtigen Konzert-Clip geschnitten werden.

“Kein Live-Streaming”, betont Schwerdtfeger. Aber wenige Tage nach dem Konzert soll der Clip dann im Youtube-Kanal eingestellt werden. Ein komplettes Konzerterlebnis für alle, die nicht dabei sein konnten. Wie die Bach-Verehrer im australischen Outback. Und gerade für die Bach-Gemeinde in aller Welt ist der Kanal auch gedacht, so Schwerdtfeger. Als Werbung für Bach, Leipzig und den einmaligen Sommersaal.

Ob es reibungslos klappt, werde man sehen, meint Kulisch. Denn die Studierenden machten das ja trotzdem als Lernende. “Da können Fehler passieren”, sagt er. Aber er traut den jungen Medienmachern auch zu, das Projekt mit eigenen, kreativen Lösungen umzusetzen. Denn anders als den großen Kultursendern, die bis zu zehn große Kameras zur Verfügung haben, wenn sie etwa im Gewandhaus ein Konzert aufzeichnen, werden die “Bach Channel”-Macher vom Bach Archiv nur drei Kameras zur Verfügung gestellt bekommen. “Die technische Ausstattung besorgen wir jetzt”, sagt Schwerdtfeger.

Sie werden sich vor dem Konzert mit der dargebotenen Musik und der Instrumentierung beschäftigen müssen, die richtigen Standpunkte für die Kameras finden müssen. Denn die Aufführung stören darf die Aufzeichnung auf keinen Fall. “Wir weisen die Konzertbesucher im Flyer aber darauf hin, dass aufgezeichnet wird”, sagt der Geschäftsführer des Bach Archivs.

Und wenn das Material im Kasten ist, wird es der Finesse der jungen Leute obliegen, den Konzerteindruck auch in einen Film-Clip zu verwandeln, der keine Langeweile erzeugt, vielleicht sogar sehr jung und animierend wirkt. Denn die Zuschauer werden ja möglicherweise nicht nur in Australien sitzen, sondern auch mal selbst in ein Sommersaal-Konzert gehen wollen.

“Wir sind gerade am Konzertprogramm für nächstes Jahr”, sagt Schwerdtfeger. “Aber eins der Konzerte im Januar werden wir auf jeden Fall aufzeichnen.” So wird sich der “Bach Channel” dann nach und nach füllen. Und wer ihn besucht, wird mit der Zeit auch verschiedene Handschriften wahrnehmen – mit jedem neuen Jahrgang werden sich neue Studenten ausprobieren.

“Das ist eine echte Herausforderung”, sagt Blum. Und weil nicht jeder bei Youtube immer findet, was er sucht, ist der “Channel” auch auf der Website des Bach Archivs verlinkt:

www.bach-leipzig.de

www.youtube.com/bacharchivleipzig

www.floidtv.de

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