Manchmal ist Vorwärts eine Runde rückwärts. In die 1980er Jahre zum Beispiel, in denen es nicht nur einen gewissen Herrn Jackson und eine Frau Madonna gab. Sondern auch ein Feuerwerk der synthetischen Sound-Operas. Sie verzauberten die frühen 1980er noch, als die Radio-DJs schon anfingen, im Party-Sound zu ersaufen. Manchmal wird Musik erst wieder atmosphärisch, wenn man 30 Jahre abtaucht. Mit mjuix aus Leipzig zum Beispiel.
Die vierköpfige Band legt im September ihre neue Scheibe vor, die vierte nach “Episode” (2008), “Fell the dark forest at night!” (2009) und “Humours the Owlet” (2010).
Die neue heißt “Sea Horses” und wird bei Manchem neue Urlaubs- und Reiselust erwecken. Nicht nur mit den beiden selbstgehäkelten Bären auf dem Cover, die am Meeresstrand schmusen und sich beim Umblättern als etwas anderes entpuppen.
Release-Party ist am 22. September in “Ilses Erika”, wo am 12. Dezember 2008 auch die Leipziger Konzertauftritte der vierköpfigen Band begannen, deren Mitglieder sich gar nicht erst mit bürgerlichen Namen abgeben, sondern sich präsentieren als Bassman (der natürlich den Bass spielt und ab und zu mitsingt), Ronson (der aus der Gitarre bezauberte Klangwelten lockt) und Dan K. (der am Schlagzeug sitzt). Die Synthesizer bedient Tru D. Mjuic selbst, die der Band auch ihre Stimme gibt. Atemlos, verzückt, temporeich. Mancher kennt sie von der Band “Die Tornados”, die seit über 15 Jahren in Leipzig zu erleben ist.
Man ahnt, warum man es bei “mjuix” wirklich nicht mit dem quirligen Ich-mach-mal-Musik-Sound all der vielen Bands mit “charismatischen” Girlies am Mikrofon zu tun hat, die einen Sommer oder einen Wettbewerb lang blühen – und dann haben sie nichts mehr zu erzählen.Musik ist immer auch eine Erzählung, eine gute Story und unten im Publikum das Gefühl: Ja, das kenn ich. So ging’s mir auch mal. Beim Trampen nach Magdeburg zum Beispiel, wo “mjuix” im April als Vorband für “Philipp Boa & The Voodooclub” auftrat. Oder an einem diesigen, windigen Tag am Markkleeberger See, mal unbehelligt von arroganten Hundebesitzern und vom Rasen besessenen Kampfradlern. Momente, an dem es zwar nie wirklich still ist, aber still genug, dass man das eigene Getriebensein wieder hören kann. Das manchmal auch ein lustvolles ist, ein atemloses, zuversichtliches. Eines, wie man es damals hören konnte, als “Pink Floyd” auf dem Gipfel seiner synthetischen Klänge war und Suzy Quatro noch federleicht die Bühnen rockte.
“mjuix” sieht sich selbst eher als Indiepop-Projekt. Was genug sagt über die Irrwege, die die Partymusik der Radios und der geldgierigen Plattenfirmen in den letzten 30 Jahren gegangen ist. Um sich noch ehrlich und mit Herzen zum Pop bekennen zu können, muss man Indie davorschreiben.
Was zumindest die deutliche Botschaft sendet: Die hier haben einen eigenen Sound, die plärren nicht nach, die pflegen ihre Traditionslinien und bekennen sich zu königlicher Verwandtschaft: “mjuix schlagen eine Brücke zwischen den Synthie-Helden der 80er und dem Disco-Funk-Pop der 2010er J378ahre, weshalb die Band sowohl mit Siouxsie and the Banshees als auch mit The Whitest Boy Alive oder Who Made Who verglichen werden kann”, versprechen sie auf ihrer Homepage, die zwar nichts preis gibt über die Band, aber einlädt zum Reinhören und Mitreisen.Und auch das im September 2012 erscheinende Album “Sea Horses” lädt ein zum Mitreisen. Es ist so ein On-The-Road-Album, bei dem es egal ist, wann man ankommt, weil das Unterwegssein das Wichtigste ist. Ein bisschen Funk, immer unterlegt mit recht flotten elektronischen Beats, der Pop eher trocken englisch als süß. Und allein schon der Einsatz des Synthesizers gibt dem Ganzen einen großen Hintergrund. Keinen Dom, Sphärisches eigentlich auch nur im neunten Titel, der dann tatsächlich “Seepferdchen” heißt, obwohl man dabei ganz Anderes vor Augen hat als kleine, schwebende Seepferdchen.
Nicht nur die farblich gedimmten Fotos erinnern an die handgemachten Filmprojekte, mit denen ihrerseits die Filmemacher der 1980er Jahre versuchten, dem bunten Party-Film-Geflimmer aus Hollywood zu entkommen. Die vier zeigen sich nicht nur etwas großstädtisch unterkühlt – sie finden auch einen Sound, der irgendwie passt zur ganz speziellen Leipziger Ruhelosigkeit, dem Getriebensein, Glücklichseinwollen und dem mit Verve drum Kämpfen.
Selbst die “Summer Romance” ist wie ein wackeliger Super-Acht-Film, in dem man vier junge Leute über den Strand kaspern sieht – so überdreht, dass man kaum wahrnimmt, dass die Sache tatsächlich ernst gemeint ist. Wer gibt das schon gern zu? Außer später, wenn es viel zu spät ist. Wenn der kleine, ernst gemeinte Moment in den “Daily Routines” (Titel Nr. 3) untergegangen ist, mitgewaschen in der Wäschetrommel, die einen schon mal zum Verzweifeln bringen kann, wenn im Kopf noch Bilder flimmern vom “Jump into the Ocean” oder von der im Geflacker endenden “Summer Romance”.
Tanners Interview mit Mjuix: Geheimcode für guten Geschmack
Nun muss aber alles raus! …
Musik also für Leute, die diese Atemlosigkeit kennen. Und ihre schönen Momente zu genießen wissen.
Das nächste Mal erleben kann man “mjuix” in Leipzig übrigens am 7. September im Werk 2 bei “Ein Kessel Buntes aus 20 Jahren Werk 2”. Und dann natürlich am 22. September in “Ilses Erika” zur Record Release von “Sea Horses”.
mjuix “Sea Horses”, Vertrieb: Broken Silence. Erscheint am 28. September 2012.
www.mjuix.de
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