Michy Reincke ist wieder auf Tournee. Und weil letztes Jahr, als Reincke erstmals in Leipzig konzertierte, die Herzen nur so flogen, hat der Hamburger beschlossen, Leipzig zum Tourauftaktort zu machen. Der Mann, der mit dem Taxi nach Paris fuhr, dabei Valerie Nächte übers Eis schob und später zu noch viel warmherziger und wundervoller Popmusik reifte, weiß die Veranstaltungen in der 2012er Tournee schon mehrfach ausverkauft. Natürlich ließ Tanner es sich nicht nehmen, ein paar Fragen zu stellen.

Hallo Michy, schön mal wieder ein Interview mit dir machen zu können. Am 1. März bist du ja wieder in unserer schönen Stadt – Tourstart für deine 2012er Tour. Gibt’s einen Grund, die Tournee gerade in Leipzig beginnen zu lassen? Du kommst ja aus Hamburg, da ist doch Leipzig nicht gerade “umme Egge”?

Ich liebe die Herausforderung! Im Ernst – wir hatten vor einem Jahr ein wundervolles und interessiertes Publikum in Leipzig. Warum sollte man diese Menschen nicht mit der Premiere der Tour belohnen? Und unter uns: Für mich gibt es nichts Aufregenderes auf der Bühne als bei den Zugaben vom Publikum ein leidenschaftliches “Taxi nach Paris” um die Ohren gepfeffert zu bekommen in dem unser norddeutscher mit dem sächsischen Dialekt verschmilzt.Am 23. Dezember 2011 – genau ein Tag vorm großen Konsumismusfest des deutschen Handels – kam dein neues Album “Der Name kommt mir nicht bekannt vor” heraus. Das grenzt ja an Totalverweigerung. Und vorn auf dem Cover du von hinten. Ohne Schriftzug. Da wälzen sich Marketingstrategen heulend in ihren Kissen, bei diesem Ansatz. – Wie viel Verweigerung ist denn überhaupt möglich im Popzirkus?

Dieses Cover wäre unmöglich bei einer Major-Schallplattenfirma zu veröffentlichen gewesen. Aber mir ging es gar nicht so sehr um Verweigerung. Es geht mir um eine Irritation, die anregen soll, sich mit etwas zu beschäftigen, das man noch nicht kennt. Es ist der Versuch, humorvoll darauf hinzuweisen, dass wir mit unserer Kultur in einer medial völlig überreizten Welt leben, die mehr an Popularität interessiert ist, als an dem Wert einer Sache.

Wer heutzutage berühmt ist – egal wofür – der hat in der Öffentlichkeit häufig eine größere Bedeutung als jemand, der möglicherweise etwas qualitativ Hochwertiges in die Welt trägt, aber nicht so bekannt ist. Die Invasion der Hitparaden hält uns im Schwitzkasten und vielen ist es egal oder nicht bewusst. Ich möchte, dass meine Musik als Musik wahrgenommen wird und nicht als Produkt. Und ich möchte sowohl mit meinem CD-Cover, als auch mit meinen Liedern dazu inspirieren, Beurteilungskriterien zu überdenken, indem ich gängige Perspektiven verschiebe.

Auf dem Album sind wunderbare Liebeslieder, mit phantasievollen, tiefgehenden Texten und richtig schöner Musik. Für wen schreibst du diese Lieder? Alle für deine Frau?

Eine meiner Stärken ist ganz bestimmt meine Frau und sie ist auch die Quelle eines großen Teils meiner Inspiration. Ich bin allerdings auch lange genug am Leben, um ausreichend Erfahrungen der unterschiedlichsten Zustände menschlicher Begegnung gesammelt zu haben.

Wenn man dich auf der Bühne erlebt, erlebt man einen erwachsenen, ausgeglichenen, charmanten und herzlichen Mann. War der Weg weit? Wo war der Bruch? Irgendwann sollte bei jedem Mann ja mal die Richtungsentscheidung anstehen, ein fieser Knochen zu werden oder ein freundlicher, guter Partner. Wo war bei dir die Kreuzung?

Tja, ich bin mir wirklich nicht sicher ob es so eine Kreuzung tatsächlich gibt. Die substanzielle Verwandlung im Laufe eines Lebens ist meiner Meinung nach marginal und weniger die von Kafkas Gregor Samsa. Ich glaube, man hält – unabhängig von Kreuzungen und Brüchen in der Biografie – dann doch jeden Tag mehr Entscheidungen in der Hand, als einem vielleicht bewusst ist. Ich habe es jedenfalls nie lange interessant gefunden ein gelangweilter Teenager, ein Drogensüchtiger oder eine durchgeknallte Zeitbombe zu sein. Das Leben stellt am Weg doch immer die eine oder andere Parkbank parat, auf der man ausruhen und sich ein paar Dinge überlegen kann, zum Beispiel in welche Richtung es nun weitergehen soll. Furchtlosigkeit und Freundlichkeit halte ich auf jedem Weg für gute Berater.

Und was bekommen deine hiesigen Freunde am 1. März im Werk 2 geboten? Worauf können sich die Leute freuen?

Fette Action und niveauvolle Präsentation populärer Musik. Exquisite Musiker, kluge Texte und kultivierte Witze. Ich habe selbst ja schon einige unserer Shows miterlebt und fühle mich von uns – auch nach all den Jahren – immer noch wundervoll unterhalten.

Du bist mittlerweile 52 Jahre auf diesem Planeten. Dafür wurdest Du im Januar Album Platz 6 der Top 20 Newcomer. Das ist ja witzig. Wie wird man denn heutzutage Newcomer? Durch Durchhalten? Oder durch schlechte Recherche und Unwissen der Musikexperten? Was ist das denn für eine Geschichte?

Ich habe keinen Dunst wie das läuft. Als Belohnung fürs Durchhalten gefällt mir aber am Besten. Man sollte das tatsächlich mal recherchieren, vielleicht bin ich ja der älteste Newcomer der Welt und mir steht ein Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde zu.

Wie hälst du dich fit? Tourleben kann ja auch richtig anstrengend sein. Gibt’s Tipps und Tricks vom Meister?

Also – abends keinen deftigen Seniorenteller mehr. Genug Schlaf. Morgens die grünen Pillen und vor dem Auftritt die rosafarbenen. Und nicht jede Nacht mit jemandem mitgehen. Ganz wichtig: ein Brustbeutel mit Tourplan, Adressen und Taxigeld, damit sie einen immer korrekt abliefern können. Dann sollte eigentlich nichts schief gehen.

Danke für das Gespräch!

Sehr gern. Vielen Dank!

Michy Reincke Online:
www.michyreincke.de

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