Wer die Sonar-Reihe aus dem Verlag Voland & Quist sammelt und liest, der lernt seit Jahren einige der aufregendsten und besten Autoren Osteuropas kennen und damit eine literarische Landschaft, die man in deutschen Buchhandlungen eher spärlich vertreten findet. Und diese Bücher sind nur deshalb verfügbar, weil sie von talentierten Übersetzern ins Deutsche übertragen werden. Das ist selbst eine hohe Kunst. Und einer dieser Begabten wird jetzt (wieder einmal) mit einem wichtigen Übersetzerpreis geehrt: Thomas Weiler.

Für die Sonar-Reihe übersetzte er so aufregende Titel wie Alhierd Bacharevič’ „Europas Hunde“, da jetzt auch im Zentrum seiner neuen Auszeichnung steht. Vom belarussischen Autor Viktor Martinowitsch übersetzte er die drei Romane „Revolution“, „Paranoia“ und „Mova“, die auf ihre Weise einen Blick in das Innere einer heutigen Diktatur erlauben.

Und vom polnische Autor Ziemowit Szczerek übersetzte er die beiden fantasievollen Romane „Sieben“ und „Mordor kommt und frisst euch auf“, um nur einmal bei den Titeln aus dem Verlag Voland & Quist zu bleiben, die wir in jüngster Zeit auch hier besprochen haben.

Eine Diskussion zum Kosmos der Übersetzungen, in dem Thomas Weiler tätig ist, findet man auf fussnoten.eu. Eine weitere Ehrung bekommt Thomas Weiler mit der Schlegel-Gastprofessur im Wintersemester 2024/2025 an der Freien Universität Berlin.

Der Paul-Celan-Preis

„Europas Hunde“ hat den Blick erneut auf den Übersetzer gelenkt. Und so meldet der Deutsche Literaturfonds, dass der von ihm alljährlich vergebene „Paul-Celan-Preis“ für herausragende Übersetzungen ins Deutsche in diesem Jahr an Thomas Weiler geht. Der Preis ist seit 2024 mit 25.000 Euro dotiert.

„Sein facettenreiches übersetzerisches Gesamtwerk erschließt dem deutschsprachigen Publikum hierzulande wenig bekannte Literatur aus dem Belarussischen, Polnischen und Russischen, so von Artur Klinau, Viktor Martinowitsch, Volha Hapeyeva, Alexandra Litwina, Ziemowit Szczerek und Julia Cimafiejeva. Die Genres seiner Übertragungen reichen von komplexer Prosa über hochanspruchsvolle Kinderliteratur bis zu feinsinniger Lyrik“, begründete die Jury die Entscheidung.

„Den ‚Paul-Celan-Preis‘ 2024 erhält Thomas Weiler im Besonderen für seine Übersetzung des Romans ‚Europas Hunde‘ von Alhierd Bacharevič (Verlag Voland & Quist), der in Belarus verboten und als extremistisch eingestuft ist. Der 2017 erschienene Text nimmt die Lesenden mit auf eine so düstere wie witzige Reise durch Vergangenheit und imaginierte Zukunft von Belarus (und Europa) und behandelt dabei in prophetisch anmutender Präzision Themen von höchster Aktualität.“

Die Jury, bestehend aus Karin Betz, Ursula Gräfe, Patricia Klobusiczky, Christiane Körner und Ulrich Sonnenberg, würdigt Weilers großartige Übertragung, „in der er die unterschiedlichsten Stimmen im Roman mit beeindruckender Kreativität und Sprachfreude zu Gehör bringt und dabei brillant so unterschiedliche Register wie Slang, Archaik, Mythologie und Satire zieht. Neben dem Belarussischen und Russischen, in denen ‚Europas Hunde‘ verfasst ist, hatte Thomas Weiler auch ein Wörterbuch der Kunstsprache Balbuta zu übersetzen, die in der Romanhandlung entwickelt und gesprochen wird.

Mit seinen experimentierfreudigen Sprachspielen, seinem feinen Sinn für Rhythmik und Klang auf unterschiedlichen Textebenen und seiner Akribie, die ihn die zahlreichen kulturellen Anspielungen des Romans nachzeichnen lässt, schenkt Thomas Weiler der deutschsprachigen Leserschaft unerhörten Sprachgenuss und den Zugang zu einem bisher unbekannten Stück Weltliteratur.“

Der Preis wird zusammen mit dem „Großen Preis des Deutschen Literaturfonds“ und weiteren Auszeichnungen am 21. November 2024 im Literarischen Colloquium in Berlin überreicht. Die Laudatio hält Lorenz Hoffmann. Er ist Autor und Journalist und übersetzt gelegentlich aus dem Russischen.

Der Deutsche Literaturfonds wird durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.

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