Der Anna Seghers-Preis 2024 geht an den lateinamerikanischen Autor Carlos Fonseca und an den Leipziger Jugendbuchautor Johannes Herwig. Die Preisverleihung findet am 8. Juni 2024 in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz statt. Zum ersten Mal ist mit Johannes Herwig ein Autor aus dem Bereich Kinder- und Jugendliteratur dabei. Und natรผrlich mit einem Jugendroman, der in Leipzig spielt.
โJohannes Herwig versteht es, historische Zeitlรคufe in einer undogmatischen, zeitgenรถssischen Weise zu erzรคhlen, die deutsche Geschichte fรผr junge Leser/-innen nahbar und nachvollziehbar machtโ, erklรคrt die diesjรคhrige Jurorin fรผr den deutschsprachigen Preistrรคger, Annette Wostrak.
โStets eng an der Perspektive seiner jugendlichen, sich von der Familie emanzipierenden Protagonisten, arbeitet er, insbesondere durch seine authentische Sprachwahl literarisch beeindruckend, politische und gesellschaftliche Umbrรผche, wie die Zeit der Nazidiktatur oder der Nachwende, auf.โ
Herwigs 2023 erschienenen Roman โHalber Lรถweโ, der in der Umbruchzeit in den frรผhen 1990er Jahren spielt, haben wir an dieser Stelle besprochen. Die Rezension zu seinem Punk-Roman โScherbenheldenโ findet man hier.
Annette Wostrak hat mit ihrer Auswahl den Impuls gesetzt, Autor/-innen der Kinder- und Jugendliteratur erstmals fรผr den Anna Seghers-Preis zu berรผcksichtigen.
Johannes Herwig, in Leipzig-Connewitz geboren und groร geworden, erlebte die Nachwendezeit als Punk. Er studierte Soziologie und Psychologie, war viele Jahre selbstรคndig im Kulturbereich tรคtig und Mitbegrรผnder der Filmgalerie Phase IV in Dresden. 2013 widmete er sich endlich seinem lang gehegten Traum, Schriftsteller zu werden. Fรผr seinen ersten Roman โBis die Sterne zitternโ war er fรผr den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Seine Bรผcher sind im Gerstenberg Verlag erschienen.
Carlos Fonseca
Auch der zweite Preistrรคger, der costa ricanisch-puerto ricanische Autor Carlos Fonseca, beschรคftigt sich mit den Spuren, die die Vergangenheit in der Gegenwart hinterlรคsst.
โIn seinen Romanen sind europรคische und lateinamerikanische Geschichte und Gegenwart eng verflochten, spiegeln sich Fiktionen und historische Fakten wechselseitig. Feinfรผhlig folgt er auch in seinem letzten Roman โAustralโ den Wegen und Irrwegen der individuellen wie kollektiven Erinnerungโ, so die Jurorin und รbersetzerin Angelica Ammar zur Begrรผndung.
Carlos Fonseca, 1987 in San Josรฉ/Costa Rica geboren, ist in Puerto Rico aufgewachsen. Er hat bei Ricardo Piglia in Princeton promoviert und lehrt Postcolonial Latin American Literature and Culture an der University of Cambridge. 2021 wรคhlte ihn die Zeitschrift Granta unter die 25 wichtigsten jungen Erzรคhler der spanischsprachigen Welt.
Sein Roman-Erstling โColonel Lรกgrimasโ erschien 2015, gefolgt von โMuseo animalโ sowie dem Essayband โLa Lucidez del Miopeโ (beide 2017 erschienen). โAustralโ, Fonsecas dritter Roman, der unter anderem ins Englische und Franzรถsische รผbersetzt wird, erscheint im Mรคrz 2024 als seine erste Verรถffentlichung auf Deutsch im Wagenbach Verlag.
Der Anna Seghers-Preis
Der mit jeweils 12.500 Euro dotierte Anna Seghers-Preis wird von der Anna Seghers-Stiftung an junge Autor/-innen aus dem deutschen Sprachraum und aus Lateinamerika verliehen, die im Sinne von Anna Seghers mit den Mitteln der Kunst zur Entstehung einer gerechteren Gesellschaft beitragen wollen. Die Auswahl der Preistrรคger/-innen รผbernehmen im jรคhrlichen Wechsel von der Stiftung beauftragte Persรถnlichkeiten aus dem literarischen Leben.
Die Jurorinnen:
Annette Wostrak ist Geschรคftsfรผhrerin von LesArt, dem Berliner Zentrum fรผr Kinder- und Jugendliteratur. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin ist Sprecherin der Berliner Literaturkonferenz und rezensiert fรผr โDer Rote Elefantโ.
Angelica Ammar, in Mรผnchen geboren, studierte Romanistik und Ethnologie in Mรผnchen, Madrid und Paris. Sie รผbersetzte u.a. Werke von Mario Vargas Llosa, Carmen Laforet, Eduardo Galeano und Sergio Pitol ins Deutsche. 2006 bekam ihr erster Roman โTolmedoโ den Preis der Jรผrgen Ponto-Stiftung fรผr das literarische Debรผt. 2019 erhielt sie mit der mexikanischen Autorin Fernanda Melchor den Internationalen Literaturpreis des HKW (Haus der Kulturen der Welt) in Berlin fรผr den Roman โSaison der Wirbelstรผrmeโ.
Empfohlen auf LZ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Keine Kommentare bisher