A: Autorin, junge Frau. P1: Prüfer 1 – weiblich, mittleren Alters. P2: Prüfer 2 – männlich, mittleren Alters. A, P1 und P2 sitzen auf unbequemen Holzstühlen. A beginnt ihre Einreichung vorzulesen. P1 + P2 haben ebenfalls ein Exemplar vorliegen, in das sie gemeinsam schauen. A: Ich wäre für einen Zusammenschluss mit Österreich. P1: (rauft sich die Haare. Lakonisch) Das hat doch schon mal nicht funktioniert.
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Mit rund 700 Einsendungen hat der bundesweite Schreibwettbewerb „Die Freiheit, die ich meine – Meinungsfreiheit“ eine überwältigende Resonanz erfahren. Vor wenigen Tagen hat die siebenköpfige Jury die Shortlists in den verschiedenen Kategorien auf der Website des Wettbewerbs veröffentlicht.
Insgesamt haben es 43 Werke verschiedenster literarischer Gattungen in die Vorauswahl geschafft. Die LEIPZIGER ZEITUNG veröffentlicht einige davon nach eigener Auswahl. Die Sieger*innen werden am 28. April online veröffentlicht.
Bis zum 27. April haben nun Leser*innen die Möglichkeit, aus den Shortlist-Beiträgen ihren Publikumsliebling zu wählen. Für das Voting haben die Veranstalter auf der Website unter https://3oktober.org/schreibwettbewerb/shortlist-2023/ ein entsprechendes Abstimmungs-Formular eingerichtet.
Die feierliche Preisverleihung findet im festlichen Rahmen am 28. April, 11 Uhr, auf der Leipziger Buchmesse im Forum Sachbuch (Halle 4) statt. Dafür konnten die Veranstalter prominente Partner gewinnen. So stiftet die Kampagne des Freistaats Sachsen „So geht sächsisch.“ die Preise für die Sieger in den drei Kategorien in Höhe von insgesamt 3.000 Euro.
Mehr Informationen finden sich unter www.3oktober.org/schreibwettbewerb
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A: Richtig. Aber anders. Nicht großdeutsch, sondern großösterreichisch.
P2: (lacht) Das lässt sich ja nicht mal aussprechen. „Großösterreichisch.“
A: Außerdem möchte ich einen Kaiser. Am besten Günther Jauch.
P1 + P2: machen große Augen.
A: Doch, er würde das Volk, – gibt es noch ein Volk? -, sagen wir also die Bevölkerung, einen. Alle mögen ihn. Und er sollte Putins Tochter heiraten, felix austria nube.
P1: Moment. Das geht mir jetzt zu weit. Da war jetzt sehr geballt einiges dabei, das man so nicht sagen kann. (Schaut zu P2) Oder geht das noch?
P2: Wahrscheinlich eher nicht. Was meinst du denn?
P1: Großösterreich ist schon ziemlich suspekt. Ich meine, das können wir doch unmöglich durchgehen lassen. Das ist ja fast Nazi. Lacht.
A: Warum eigentlich? Es gibt doch etwas „Deutsches“, das über die Bundesrepublik hinausreicht. Eine gemeinsame Vergangenheit, sprachlicher und kultureller Natur. Vielleicht auch etwas Ethnisches? In den USA arbeiten sie wundersamerweise noch mit Blumenbachs Rassenlehre … wodurch wir, fernab des Kaukasus, zu Kaukasiern werden. Das ist ein bisschen Nazi und das sollten die mal verbieten.
P2: nickt. Richtig.
A: Vielleicht darf man bei uns noch von Ethnien sprechen? Ich will hier niemanden vor den Kopf stoßen. Falls es ein geeigneteres Wort gibt, lassen Sie es mich wissen. Dann füge ich es hier ein.
P1 + P2 lachen.
A: Wie dem auch sei… Sie wissen, was ich meine? Österreich wollte sich nach dem ersten Weltkrieg mit Deutschland vereinen, da sich die Österreicher deutsch fühlten. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker galt jedoch ein bisschen mehr für Sieger und ein bisschen weniger für Österreicher. Sogar Stefan Zweig ist dieser Meinung, dem man in dieser Hinsicht sicherlich nichts vorwerfen kann …
P1: notiert sich Stefan Zweig und murmelt nickend: Stefan Zweig …
A: Und um noch jemanden heranzuziehen, der über jeden Verdacht erhaben sein sollte – kennen Sie Friedrich Adler?
P2: Hmm, ja, habe ich schon mal gehört, aber kann ich jetzt nicht richtig zuordnen.
P1: (Stutzt) Moment mal, gehören da nicht überall Anführungszeichen dran?
P2: Ja, das gibt Abzug für den Aufbau.
A: Obwohl Nabokov auch keine hatte.
P2: Oh weh, auch noch ein Nabokov-Vergleich. Sie sind ja nicht Nabokov und außerdem, irgendwie ist der inzwischen auch heikel. So lolitaesque.
A: Also, Adler erschoss 1916 den österreichischen Ministerpräsidenten Stürgkh, um seinem Protest gegen die Kriegsfinanzierung Ausdruck zu verleihen.
P1: Wie hieß der nochmal mit Vornamen?
A: Friedrich. Friedrich Adler. Er kam ins Gefängnis und wurde 1918, durch eine letzte Amtshandlung Kaiser Karls aus der Haft entlassen und in einer kakanischer Kutsche durch Wien hofiert. Adler war zum Volkshelden geworden. Er wurde Generalsekretär der Sozialistischen Arbeiternationalen und später im zweiten Weltkrieg führende Kraft der österreichischen Exilsozialisten.
P1: Spannend. Noch nie gehört. Aber wie spricht das jetzt für Großösterreich?
A: Nicht explizit für Großösterreich. Vielleicht wollte ich Sie damit tatsächlich nur ein bisschen provozieren. Aber es spricht schon dafür, dass es da doch etwas Gemeinsames gibt. Denn nach dem Krieg fiel Adler in Ungnade, da er sich, man merke auf, zuerst als Internationalist, dann aber als Deutscher, in dem Sinne wie ich das Wort hier verstanden wissen will, fühlte, und eben nicht als Österreicher. Eine österreichische „Nation“ hielt er für utopisch.
P1: Ich verstehe. Trotzdem politisch sehr schwierig. Wir haben ja um vorurteilsfreie, respektvolle und nicht-diskriminierende Beiträge gebeten.
P1: Was? Wirklich? Beim Thema Meinungsfreiheit?
P2: Ja, steht auf der Webseite … Was will man machen? Öffentlich gefördert … Hätte ich das jetzt sagen dürfen?
P1: zuckt mit den Schultern. Also das mit dem Kaiser. Das ist ja schon ziemlich skurril. Es hat für mich auch so was Reaktionäres. Ist das vielleicht schon verfassungswidrig?
P2: Naja, ich vermute, das ist von der Kunstfreiheit gedeckt. Aber es passt so gar nicht in den Zeitgeist. Hat was von Reichsbürger …
P1: Obwohl, naja, Günther Jauch, das klingt jetzt nicht so Reichsbürger. Aber das mit Putins Tochter?!
A: (leicht frustriert) Es ist nur ein Theaterstück …
P2: Irgendwie so absurd, dass es wieder witzig ist. Aber vor dem Hintergrund der Ukraine? Nein, das geht zu weit. Außerdem Persönlichkeitsrechte …
A: Vielleicht störts ihn gar nicht. Er würde sie bestimmt Googeln. Ich denke, sie gefällt ihm. Bei WWM ist er immer etwas netter zu den blonden Kandidatinnen.
P2: Ist sie hübsch?
A: Joa, schon.
P1: Aber er ist doch schon verheiratet!
A: Das hat Schröder auch nie abgehalten oder Lafontaine
P1: Das ist doch Privatsache!
P2: Wenn du in die Politik gehst, wird das Private öffentlich.
A: Danke
P1: Aber wo ist die Grenze?
A: Wenn du nicht mal eine Ehe führen kannst, wie willst du ein Land regieren?
P1: Das ist doch etwas anderes!
A: Sicher?
P1: Ich finde schon.
A: Für mich gibt es immerhin Hinweise. Wie dem auch sei. Meines Erachtens gehört die staatliche Ehe ohnehin abgeschafft.
P1: Schon wieder nicht tragbar.
A: Warum denn das? Mir scheint, die Ehe ist ein Relikt aus uralten Zeiten, dessen ursprüngliche Funktion sich längst erübrigt hat. Wissen Sie, Alexandra Kollontai, die erste weibliche Ministerin, sah das ähnlich und schlug ihren männlichen Genossen in der Sowjetunion vor, die Ehe abzuschaffen. Und jene, die doch nichts weniger wollten als die Weltrevolution, haben den Vorschlag entsetzt verworfen. Derlei würde nie mitgetragen. Man müsse realistisch bleiben!
P2: lacht.
P1: Ja, das klingt jetzt eher links.
A: In unserer Sattheit bedroht das Alleinsein nicht unsere Existenz. Wozu bräuchten wir noch die Ehe? Im Grunde ist sie zu einem romantifizierten Steuersparmodell verkommen.
P2: Das denke ich auch manchmal …
A: Auch den Kindern ist es einerlei, ob ihre Eltern verheiratet sind oder nicht, insbesondere wenn man die Güte hat, von einer diesbezüglichen Indoktrinierung abzusehen … Sie brauchen Liebe, Fürsorge, Sicherheit … Verheiratete sind noch nicht einmal glücklicher als andere. Wie viele glücklich verheirate Paare kennen Sie? Vielleicht zwei?
P2: Ja, ungefähr zwei.
A: Es ist mir ein Rätsel, warum eine Institution mit so geringem Glückswert so überhöht wird. Überhaupt dieser Traum vom weißen Kleid, vom Haus mit Baum und Hund – mein Traum ist das nicht!
P2: Meiner auch nicht.
P1: Warum? Ist doch schön… Ich bin sehr glücklich verheiratet.
P2: Dein Mann auch?
P1: (schaut P1 böse an.)
A: Erlauben Sie mir noch einen Gedanken dazu.
P1: Ungern …
A: Ist die Institution der Ehe nicht der Sieg des Kommunismus im Privaten? Eine Frau für jeden Mann – eine weitestgehend leistungsunabhängige Verzerrung der, erlauben Sie mir das unglückliche Wort, „Ressourcenallokation“?
P1: Ich bin keine Ressource …
A: Natürlich nicht. Entschuldigen Sie. Aber erlauben Sie mir, den Gedanken weiterzuführen. Sozusagen als Experiment. Wir haben sehr viel weniger männliche als weibliche Vorfahren. Das hat seine Gründe … Denken Sie mal drüber nach …
Wissen Sie, vor den 1930er Jahren haben sogar der marxistischen Lehre zugetane Soziologen, etwa Müller-Lyer – das ist der, der die optische Täuschung, mit den Pfeilen, die wider Erwarten gleich lang sind gemacht hat – Müller-Lyer also hatte gemahnt, man solle sich nicht fortpflanzen, solange, nun, sagen wir, es dafür Geeignetere gäbe.
P1: Können wir das hier abbrechen?
A: Warten Sie! Bernhard Shaw, Kautsky, Theodor Roosevelt, und auch Churchill hatten auf die ein oder andere Weise etwas für diese Art der Eugenik übrig … Damals waren solche Überlegungen, nun, sagen wir, noch frei von dem Schmerz, den sie heute in uns hervorrufen.
Es ist durchaus nicht meine Absicht, eine Lanze für die Eugenik zu brechen, – DURCHAUS NICHT! – aber ist es nicht bemerkenswert, dass sich das kommunistische Gleichheitsprinzip der Ehe durchsetzen konnte, der Kommunismus als Wirtschaftsordnung jedoch nicht? Frauen sind eben wichtiger als alles andere. Hier ist man nicht bereit, es drauf ankommen zu lassen. Jedem Mann eine Frau!
Doch auch im Privaten … Spricht es tatsächlich für eine Beziehung, wenn ich diese vertraglich absichern muss? Mir leuchtet nicht ein, warum wir diese Scharlatanerie weiterhin dulden. Es steht doch jedem frei, privatrechtliche Verträge zu schließen. Jeder kann seine Beziehungen gestalten, wie es ihm beliebt.
Vor Gott, meinetwegen. Mit ewiger Treue oder ohne. Ganz gleich! Wozu das staatliche Monopol? Sollen doch Kirchen, Vereine und allerlei Unternehmungen verschiedener Rechtsformen ihre eigenen Ehen feilbieten! Vielleicht fände sich so ein Ehemodell, das zu mir passte!
P2: Hm. Aber Sie können doch jetzt heiraten, wen Sie wollen. Einen Mann, eine Frau …
A: Sicherlich. Aber nur eine. Ich möchte einen von der Steuer absetzbaren Harem!
P1: Natürlich …
A: Auch für die Erziehung der Kinder scheint mir der Harem mehr Liebe und Fürsorge zu ermöglichen. Mehr echte Gemeinschaft. Aber es ist ein schwieriges Unterfangen. Wissen Sie, ich war einmal bei einem Treffen polyamoröser Frauen.
P2: Witzig.
A: Ich dachte da wären vielleicht ein paar Lesben, die waren aber alle Hetero. War also eh nicht so spannend für mich.
P1: (zu P2) Ist sie lesbisch?
P2: Keine Ahnung. Denke nicht.
A: Sagen wir eine solide Fünf auf der Kinsey-skala.
P2: Auf der was?
P1: (drückt auf ihrem Handy rum) Scheint so eine Schwulenskala zu sein, die misst, wie schwul man ist.
P2: Achso. Okay. Noch nie gehört.
A: Nie habe ich einer traurigeren Veranstaltung beigewohnt! Die Frauen dort, also bei der Polyamorösen Veranstaltung, waren nicht eigentlich polyamorös! Sie sind verlassen worden oder waren dabei, verlassen zu werden. Entweder „Er“ hatte eine andere und wollte nichts mehr von ihr wissen, bis sie vorschlug, man möge doch eine polyamoröse Beziehung eingehen, woraufhin man gelegentlich gemeinsam aß, beziehungsweise miteinander schlief.
Die zweite Variante war noch trauriger: „Er“ liebt sie nicht mehr und schlägt eine polyamoröse Beziehung vor, um die Trennung nicht vollziehen zu müssen. Sie ist verlassen worden, ohne ihre Freiheit wiedererlangt zu haben!
Diese Scheinpolyamoren machten mir allesamt einen sehr unglücklichen Eindruck.
Ich legte den Damen nahe, ihren Weg zu überdenken, da sie nicht, wie sie zu meinen glaubten, polyamorös, sondern lediglich in einer unglücklichen Situation gefangen seien. Ich war, wie Sie sich vorstellen können, nicht der beliebteste Gast. (lacht) Meinungsfreiheit. Autsch.
P2: lacht.
A: Aber zurück zur Ehe. Früher handelte es sich bei der Ehe um eine Institution zur Klärung der Verantwortlichkeiten, gegenüber der Frau. Frauen verheirateten sich und tun es vielerorts noch immer, um ihre Versorgung sicherzustellen. So wie es auch Mohammed angedacht hatte, als er die begrenzte Polygamie erlaubte.
Fielen die Männer im Krieg, so war es besser, die Witwen hätten die Möglichkeit, einen verheirateten Mann zu ehelichen, als schutz- und mittellos zurückzubleiben. Der Staat war damals noch zu schwach, zu arm an Ressourcen, als dass er diese Aufgabe unmittelbarer hätte tragen können.
Handlungsfähige Staaten, Sozialstaaten, sind gut für Frauen, wissen Sie? Man merkt es gleich, wenn man durch Länder reist, in denen Frauen kaum allein leben. Immer bedürfen sie eines Mannes, um in Ruhe gelassen zu werden. Doch häufig findet sich dann niemand, der sie vor diesem, ihrem Beschützer, schützt.
Wovon leben? Wohin gehen? Viele haben keinen einzigen Tag ihres Lebens selbstbestimmt verbracht. Kein Tag, an dem sie nicht abhängig gewesen wären. Ein trauriges Leben, denke ich manchmal. Allerdings oftmals auch weniger einsam als die unseren.
P2 + P1: nicken.
A: Der Islam ist eigentlich eine originär feministische Religion, wissen Sie? Sogar auf die sexuelle Befriedigung der Frau wird hier wert gelegt und es wird als selbstverständlich hingenommen, dass es etwas wie weibliches Begehren gibt und mehr noch – das selbiges seine Berechtigung hat. Mehr als in anderen Religionen.
P2: Wollen Sie das nicht lieber umschreiben? Islamkritik ist total heikel!
A: Wieso ist doch gar keine Kritik? Im Gegenteil! Das ist doch etwas überaus Positives! Was sind Sie denn für ein Macho?
P2: Jesus! Ich meine es doch gut mit Ihnen. Ich will Sie nur warnen. Islam, Sex und Frauen ist suuper schwierig.
A: Ich finde, ich habe etwas sehr feministisches geschrieben. Es ist nun einmal so, dass weibliche Befriedigung im Christentum nicht vorkommt. Der Islam ist in dieser Hinsicht sicherlich, sagen wir, feministischer als das verbohrt-spröde Christentum. Bei Matthäus 1:18-19 heißt es:
„So verhielt es sich mit der Geburt Jesu Christi: Seine Mutter Maria war Joseph verlobt. Ehe sie aber wie Mann und Weib zu leben begannen, erwies sich Maria schwanger. Joseph aber war ein guter Mensch und wollte sie nicht demütigen; er nahm sie zum Weibe und hatte keinen Verkehr mit ihr, bis dass sie ihren ersten Sohn geboren und nannte ihn Jesus.“
P1: Diese Passage hat sie schön eingerückt! (notiert etwas)
A: Aus diesem rücksichtsvollen Text, voll Verständnis und Zartheit, musste noch die Jungfrauengeburt geschlagen werden! Wie unendlich viel gröber, plumper und dem Menschen entgegen …
Der Muslima hingegen steht es frei, sich scheiden zu lassen, sollte sich ihr Erwählter als impotent erweisen. Bedenken Sie den dahinterstehenden Gedanken. Eine Ehe ist der Frau nur zumutbar mit einem Mann, der seinen Aufgaben nachkommt!
P1: Vielleicht ist seine Aufgabe in diesem Fall nur die Kraft der Zeugung und weniger die Befriedigung der Frau?
A: Vielleicht. Sie haben wahrscheinlich recht. Doch hören Sie die muslimische Variante der Josephsgeschichte: (theatralisch)
Joseph kommt als Sklave in das Haus des Wesirs, der ihn aufnimmt wie einen Sohn. Josephs außergewöhnliche Schönheit bleibt auch des Wesirs Frau, Suleika, nicht verborgen. Sie ruft ihn in ihr Schlafgemach und sucht ihn zu verführen. Doch er weist sie aus Rücksicht auf seinen Herrn zurück.
Suleika will ihn an der Flucht hindern und packt ihn am Kragen, woraufhin sein Hemd rückseitig zerreißt. Als der Wesir nach Hause kommt ruft Suleika: „Me too! (mit erhobenem Zeigefinger) Dein Sklave wollte Hand an mich legen, bestrafe ihn …“ und so weiter … Die Damen litten es auch damals schon nicht gut, zurückgewiesen zu werden …
Es kommt zu einer kleinen Offenbarung, in der ein sprechendes Kleinkind Josephs Unschuld beteuert und den rückseitigen Riss im Hemd als Beweis anführt, da dieser nur entstanden sein konnte, wenn Suleika Joseph bei sich halten wollte… Nicht aber wenn die Schuld bei Joseph läge. Es leuchtet ein, nicht wahr?
Doch der Vorfall verursacht Gerede! Die Weiber des Ortes machen sich über Suleika lustig. „Nicht mal dein eigener Sklave…“, spotten sie. Suleika lädt die spitzzüngigen Damen daraufhin ein, mit ihr zu speisen. Sie platziert sie um sich und reicht ihnen Messer, um das angerichtete Obst zu schälen. Unter einem Vorwand ruft sie nach einem Diener. Joseph tritt ein. Die Hand einer jeden Dame rutscht ab. Alle schneiden sie sich, in dem Moment, in dem sie Joseph erblicken. Augenblicklich verstummt der Spott.
Dies sei kein Mann, sondern ein Engel! rufen sie erfüllt vom Verständnis für die Zurückgewiesene. Verstoßen wird Joseph letztlich doch.
Aber, dass es das Weib ist, welches begehrt, kommt für einen religiösen Text gut heraus, finden Sie nicht? Ich habe den Eindruck, dass in unseren Kreisen immer sehr selbstverständlich der Mann als der dargestellt wird, der will. Das deckt sich nicht mit dem, was ich beobachte oder dem, was mir zugetragen wird. Es erstaunt mich, dass die Männer selbst sich so wenig gegen dieses verfälschende oder doch zumindest einseitige Narrativ wehren.
Mir scheint, mit der Verbreitung der Errungenschaften der sogenannten Aufklärung haben wir auch unseren Beitrag zur sexuellen Unzufriedenheit der Frau in die Welt getragen. Der weibliche Orgasmus ist für die Fortpflanzung nicht notwendig, also gibt es ihn nicht. Jedenfalls braucht man ihn nicht. Die alte chinesische Literatur hingegen ist sehr auf die weibliche Lust bedacht.
Auch in der mittelalterlichen arabischen Literatur ist es das weibliche Verlangen, welches stärker und welches zu befriedigen die Pflicht des Mannes ist. Es schmerzt zu sehen, was daraus geworden ist …
P1: Schön und gut. Aber ich habe das noch nie gehört und es geschieht so viel im Namen des Islams, dass es mir, gelinde gesagt, gewagt erscheint, dass gerade Sie meinen, die Deutungshoheit innezuhaben. „Der Islam als Religion der weiblichen Lust …“ Naja …
A: Das habe ich nicht gesagt! Das wäre freilich übertrieben. Allerdings: was ist der Islam? Islam ist, was du draus machst! Wie Religion überhaupt. In unseren post-christlichen Breiten halten wir uns auch nicht zu lange mit Texten auf, die allzu aus der Zeit gefallen scheinen. Man übergeht sie geflissentlich. Wie die wunderbar unterhaltsame Geschichte Lots, die sich leicht abgewandelt auch im Koran findet. Es gibt interessante Auslegungen dieser Geschichte!
Kennen Sie sie? (Fährt fort, ohne eine Antwort abzuwarten)
Gott beschließt, die sündige Stadt Sodom zu zerstören und schickt zwei Engel, um die Rechtschaffenden zu erretten. Lot drängt die Engel, bei ihm einzukehren, und kaum hatten die himmlischen Gäste Quartier bei ihm bezogen, belagerten die Sodomiter sein Haus. Er solle die Männer herausrücken, sie wollten mit ihnen verkehren. „Nie, werde ich solches meinen Gästen tun.“, entgegnete Lot entsetzt. „Nehmt lieber meine jungfräulichen Töchter!“
P2: (Zu P1) Das kann doch da unmöglich stehen?
P1: (Drückt auf ihrem Handy) Stimmt wirklich …
A: Daraufhin führt Gott Lot und seine Familie aus der Stadt, bevor er diese zerstört. Da Lots Frau sich nach der Heimat umblickt erstarrt sie zur Salzsäule. Nur Lot und seine beiden Töchter überleben. Die Töchter gehen nun selbstverständlich davon aus, dass es ihnen obliegt, den Fortbestand der Menschheit zu sichern, da doch alles Leben, das sie kannten, zerstört worden war. „Naturgemäß“ verführen sie den Vater und beide werden sie schwanger.
P1: Auch noch Inzest?
P2: Naja, aber wenn es doch in der Bibel steht?
P1: Wie viele unangenehme Themen kann man in einem einzigen Text denn ansprechen?
A: Welche Lehren zieht man wohl aus diesem christlichen Lehrstück? Die wenigen, die es überhaupt für nötig erachten, derlei Fragen Beachtung zu schenken, schlagen zaghaft vor, dass Sodom nicht wegen der homosexuellen Neigungen seiner Bewohner zerstört worden sei, sondern da die Gesetzte der Gastfreundschaft missachtet worden waren!
In der Tat. Die Gastfreundschaft ist die höchste Tugend aller Wüstenvölker. Würden Reisende nicht aufgenommen, wären sie dem Untergang geweiht. (theatralisch und mit erhobenem Zeigefinger)
Man nickt beruhigt, ob dieser Interpretation. Was nun die Mädchen angeht, bleibt nur schweigen …
So wird gefiltert, ausgelegt und allzu Erstaunliches stillschweigend übergangen. Außerdem scheint es auch gar nicht mehr erwartet zu werden, dass der Gläubige seinen Lebenswandel der immerwahren Religion unterwirft. Im Gegenteil! Werden die Gräben zu tief, wird das Immerwahre angerufen, sich doch endlich den modernen Bedürfnissen der Gläubigen anzupassen.
Das System prägt die Jünger und die Jünger prägen das System. Frei nach Luhmann, wie in der Politik, wie überall. Was ich damit sagen will ist, dass Religionen sehr dehn- und wandelbar sind. Beinahe grenzenlos.
Wir haben in der Weltgeschichte gesehen, dass es politische Zustände gibt, in denen braun für rot gilt, dass Gerechtigkeit gerade Ungerechtigkeit bedeutet und Freiheit sich durch Unfreiheit auszeichnet. Sogar damit können sich einige Jünger eine gewisse Zeit lang arrangieren, wenn es ihnen in den Kram passt, versteht sich, oder auch aus Gründen der persönlichen Sicherheit.
Man findet in religiösen Texten häufig das, was man in ihnen sucht. Wenn man den historischen Kontext, den intendierten Zweck der offenbarten Schriften berücksichtigt, stößt man auf einen sanften, großherzigen Kern. Woran es liegt, dass gerade die grausamsten Vertreter enger Gedankenwelten, den Islam so lautstark für sich beanspruchen?
Eine Vielzahl von Gründen. Den Lauten wird das Megafon der Presse gereicht. Die Reh-Seelen bleiben ungehört.
Außerdem war Religion schon immer ein Instrument politischer Macht. Das Entstehen einer Religion ist auch eine soziale, eine politische Revolution. Zugehörigkeiten, Loyalitäten, Rechte, Gerichte … So viel, dass es zu regeln gilt. In seinem Ursprung war der Islam Staatsmacht, wie Religion. Din wa Daula, heißt es auf Arabisch.
Mohammed war Feldherr und Prophet, Richter und Regierender. Nach seinem Tod sprossen die Ränke und die politisch-motivierte Auslegung nahm ihren Lauf. Sie sehen, die Frage, was der Islam sei, ist so alt wie dieser selbst.
Die Völker, die zum Islam bekehrt wurden, vermengten ihre heidnischen Rituale mit der fremden Religion. Manche halten diese Vermengung für „den wahren Islam“. Manche, die sich jetzt Moslems nennen, können kaum lesen. Manche derer die bereit waren für den sogenannten „Islamischen Staat“ „Ungläubige“ zu köpfen, haben den Koran nie in der Hand gehabt.
Ich denke, das, was diese Menschen zum Islam zieht, hätten ihnen auch ein paar Springerstiefel in Pirna geben können. Eine Sekte, eine Gemeinde, eine „echte“ Freundschaft zwischen groben „rechtschaffenden“ jungen Männern. Ein Refugium für jene ohne Aufgabe im Leben.
Überhaupt: Wenn man sich anschaut, wer in Deutschland bei der Frage, was der Islam sei, alles mitreden darf – man schlägt die Hände über dem Kopf zusammen! Türkische und saudische Marionetten… Ich denke nicht, dass wir uns damit einen Gefallen tun. Geschweige denn den deutschen Muslimen.
(kurze Pause)
P1: (vorsichtig) Es leben auch sehr viele nette Menschen in Pirna.
A: Das ist richtig. Ehrlich gesagt, war ich noch nie in Pirna. Ich finde übrigens auch, dass Auferstanden aus Ruinen die viel bessere Hymne für Deutschland wäre. Was für ein Text! (singt laut): Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt …
P2: (steht auf.) Das geht jawohl nicht. Das war doch die Hymne eines Unrechtsregimes.
A: Naja, dafür haben wir eine absolut generische Strophe eines Liedes, das man halb verboten hat.
P2: Geht das zu weit?
P1: Ich befürchte, für unsere Zwecke geht das zu weit. Obwohl da natürlich was dran ist …
P1: Vielen Dank Frau … Sie können gehen.
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