Er ist einer der bekanntesten Leipziger Studenten: Uwe Johnson. Von 1954 bis 1956 studierte er unter anderem bei Theodor Frings und Hans Mayer, machte sein Diplom als Germanist und erlebte dann, dass der Staat einem solchen Querkopf keine Chance gab, in seinem Beruf wirklich Fuß zu fassen. Im selben Jahr, in dem im Suhrkamp Verlag sein Roman „Mutmaßungen über Jakob“ erschien, siedelte er in den Westen über. Nun stellt ein Leipziger Herbstfestival den Weggegangenen in den Mittelpunkt: „Eine Reise wegwohin“.
Am 3. Oktober 2020 jährt sich die deutsche Wiedervereinigung zum dreißigsten Mal. Jahrzehnte nach dem Ende der Teilung scheinen die biografischen Unterschiede zwischen Ost und West noch immer, oder immer mehr, eine Rolle zu spielen.
Zum dreißigsten Jahrestag der Wiedervereinigung initiiert das kollektiv WEGWOHIN, geleitet von der Produktionsleiterin Kristina Patzelt und dem Regisseur Maik Priebe, mit der Festivalwoche „Eine Reise wegwohin“ eine Suche nach deutsch-deutschen Identitäten – inspiriert vom Schriftsteller Uwe Johnson.
Gemeinsam mit dem Stadtarchiv, dem Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, der HMT Leipzig, dem Deutschen Literaturinstitut und dem Literaturhaus Leipzig wird die Leipziger DNA als Stadt der friedlichen Revolution neu beleuchtet, mit Theater und Lesung (Video-Screening mit u. a. Corinna Harfouch, Matthias Brandt, Charly Hübner), Hörspaziergang und Diskussion zwischen Stadtarchiv und Augustusplatz: unterschiedliche künstlerische Formate – eine gemeinsame Reise im gesamten Stadtraum und in die eigene Biographie. Ausgangspunkt sind die Texte Uwe Johnsons, dem „Dichter beider Deutschland.“
Uwe Johnson (1934–1984) stand wie kaum ein anderer für die literarische Aufarbeitung der Beziehung zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Verlorenes Land, verlorene Heimat und verlorene Identität waren zentral für das Schreiben Johnsons, der nach seinem Studium in Leipzig und der Ausreise aus der DDR in der Bundesrepublik, New York und schließlich in England lebte. Die Verbindung zu seinen früheren Kommiliton/-innen in Leipzig riss dabei nie ab.
In der Festivalwoche werden die deutsch-deutsche Geschichte und persönliche Geschichten gesammelt und neu geordnet. Die Besucher/-innen sind eingeladen, sich mit dem heutigen Verhältnis zwischen Ost und West und ihren eigenen Wendegeschichten auseinanderzusetzen.
Nach einer Diskussionsrunde (im Online-Stream ab 28. September) mit der Direktorin des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig Uta Bretschneider und den Soziologen Wolfgang Engler und Steffen Mau, öffnet am Dienstag, 29. September, die Festivalzentrale am Naschmarkt. Hier startet auch der Hörspaziergang, der über die Woche mit Zeitzeug/-innenberichten durch die Leipziger Innenstadt führt. Im Stadtarchiv entsteht vom 1. bis 3. Oktober eine begehbare Zeitreise mit Uwe Johnsons Texten, die in einem Theaterparcours von Studierenden der HTM Leipzig neu interpretiert werden.
Hochkarätig besetzt ist die Screening-Lesung (Video) von Johnsons Briefwechseln zum Abschluss der Festivalwoche am 4. Oktober im Literaturhaus Leipzig: Nina Gummich, Corinna Harfouch, Nicole Heesters, Jutta Hoffmann, Ruth Reinecke, Angelika Waller, Matthias Brandt, Charly Hübner, Ulrich Matthes, Albrecht Schuch und Peter Simonischek.
Eine Festivalwoche von kollektiv WEGWOHIN in Kooperation mit: Stadtarchiv Leipzig, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig, Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig, Deutsches Literaturinstitut Leipzig, Literaturhaus Leipzig.
Das detaillierte Programm findet man unter: www.wegwohinfestival.de
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