Seit einigen Jahren hat sich der Aufbau Verlag des großen Romanschriftstellers Hans Fallada besonders angenommen. Er veröffentlicht nicht nur sein umfangreiches Werk in lesenswerten neuen Ausgaben. Vor ein paar Jahren setzte der Verlag mit der Fallada-Biografie „Mehr Leben als eins“ der irischen Germanistin Jenny Williams schon ein Achtungszeichen. Auf einmal wurde Falladas Leben selbst als Abenteuerroman sichtbar. Jetzt gibt’s die Draufgabe.

Am Donnerstag, 15. Juni, um 19:30, Uhr wird Peter Walther sein Buch „Hans Fallada. Die Biographie“ im Literaturcafé des Hauses des Buches vorstellen.

Die Faszination, die von Hans Falladas (1893-1947) Biographie ausgeht, hält bis heute an, betont der Sächsische Literaturrat zur Einladung.

Und er zitiert den Autor Peter Walther: „Sie liegt, außer im bewegten und verwickelten Leben selbst, auch darin begründet, dass sich die verschiedenen Bilder nicht zur Deckung bringen lassen: Hier der disziplinierte Arbeiter, der pedantisch den Alltag plant, der respektierte Landwirt, der liebende Familienvater und zuverlässig für seine Angestellten sorgende Vorstand des Hauses, der Schriftsteller, der mit seinen beachtlichen Einkünften die wirtschaftliche Grundlage seines Kleinbetriebs sichert. Und dort der Künstler, bedrängt von seinen Dämonen, der Frauenheld, der politische Opportunist, der Tobsüchtige, der Alkoholiker und Morphinist. Fallada ist am Leben mit einer Größe gescheitert, wie nur wenige sie aufbringen, die es mit Erfolg bewältigen.“

Der Verlag selbst macht ebenfalls neugierig auf die neue Biografie: „Populär war er schon immer, mittlerweile erkennt man seinen weltliterarischen Rang: Der Autor Hans Fallada wurde in den letzten Jahren noch einmal völlig neu entdeckt. Es ist Zeit, sich auch seiner Biographie neu zu nähern und das reiche, bislang unerschlossene Material auszuwerten. So schärfen sich selbst für den Kenner die Konturen und schließen sich die Lücken. Hier der von seinen Dämonen bedrängte Künstler, Frauenheld, Opportunist, Ex-Sträfling und Morphinist, dort der respektierte Landwirt, liebende Familienvater, sich unter Lebensgefahr vom Alptraum des Dritten Reichs freischreibende Nazi-Gegner – die dramatische Biographie einer zerrissenen Persönlichkeit.“

Basierend auf vielen bislang unzugänglichen oder nicht ausgewerteten Originaldokumenten zeichnet Peter Walther ein lebendiges Bild des als Rudolf Ditzen geborenen Schriftstellers.

Peter Walther, geboren 1965 in Berlin, studierte unter anderem in Falladas Geburtsstadt Greifswald Germanistik und Kunstgeschichte und wurde 1995 in Berlin promoviert. Zusammen mit Birgit Dahlke, Klaus Michael und Lutz Seiler gab er die Literaturzeitschrift „Moosbrand“ heraus. Heute leitet er gemeinsam mit Hendrik Röder das Brandenburgische Literaturbüro in Potsdam. Er ist Mitbegründer des Literaturportals „literaturport“ und veröffentlichte Bücher zur Geschichte der Fotografie sowie zu Schriftstellern wie Johann Wolfgang von Goethe, Peter Huchel, Günter Eich und Thomas Mann.

Und dann darf der Leipziger natürlich fragen: Was hat Fallada mit Leipzig zu tun?

Eine Menge. Auch wenn sich damit in Leipzig kaum jemand beschäftigt. Der von Ansgar Bach 2011 veröffentlichte „Dichter und Denker“-Stadtplan „Literarisches Leipzig“ brachte aber mal auf den Punkt, warum Leipzig in Falladas Leben so eine Rolle spielte.

Dazu zitierte Bach den Dichter selbst: „In der modernen Schule kann man nur als Verbrecher oder Irrsinniger enden.“

Das bezog sich wahrscheinlich direkt auf Falladas Zeit am Leipziger Königin-Carola-Gymnasium. Das stand bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg in der Elisenstraße 62 (der heutigen Bernhard-Göring-Straße) direkt neben dem damaligen Landgericht, dem heutigen Amtsgericht.

Und an diesem Gymnasium herrschten augenscheinlich auch für Leipzig besonders rigide Erziehungsmethoden. Allein 1910/1911 ereigneten sich an diesem Gymnasium drei Selbstmorde, stellt Ansgar Bach fest. Die Erziehung sei wohl auch ausgesprochen verklemmt gewesen – der völlig falsche Ort also für den sensiblen Rudolf Ditzen, Sohn des Richters Wilhelm Ditzen, der 1909 mit der Familie nach Leipzig zog, weil er hier eine Arbeit am damaligen Reichsgericht aufnahm. Die Familie wohnte in der Schenkendorfstraße 61.

Zum Skandal wurde dann ein Brief des jungen Rudolf Ditzen, in dem er von Unzucht mit der Tochter eines Kollegen seines Vaters phantasiert. Für den jungen Ditzen bedeutete es den Abgang vom Carola-Gymnasium und den Weggang aus Leipzig Richtung Rudolstadt. Verarbeitet hat er das Ganze in seinem Roman „Der junge Goedeschall“.

Und zumindest die Vermutung liegt nahe, dass einige seiner späteren psychischen Probleme in der Leipzig-Zeit ihre Wurzeln haben.

Die Buchvorstellung am 15. Juni im Haus des Buches beginnt um 19:30 Uhr. Moderation: Jörg Schieke. Es ist eine Veranstaltung des Sächsischen Literaturrates e.V. und des Kuratoriums Haus des Buches e.V. Leipzig. Reservierungen sind möglich unter Tel. (0341) 350 59 61 oder info@saechsischer-literaturrat.de. Eintritt: 5/4 Euro.

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