Volle Messehallen, stark erwärmte Glastunnel trotz frischer Außentemperaturen und das Dröhnen tausender Gespräche in der Glashalle der Leipziger Messe. Warum noch mal tun sich Menschen so eine Buchmesse an? Vielleicht auch weil die vielen Veranstaltungen in ihrer Vielfältigkeit Denkanstöße bieten. Wer sich von Zeit zu Zeit nicht mit den eigenen sondern auch anderen Themen beschäftigt, der lernt und zwar nicht von der Schule sondern im Idealfall vom Leben, oder auch mal vom Lesen.
Und so stehen im Regal eines Messestandes zahlreiche Fantasy-Bücher des unternehmenseigenen Ablegers einträchtig mit hochpolitischer Literatur des Haupthauses. Kontraste, Widersprüche – auch sie regen zum Nachdenken an, für alle, die nicht nur die Unterhaltung suchen. Auch von der ist natürlich reichlich geboten. Ebenso wie viele Arten von Fachliteratur wieder Bestandteil sind.
Das Nachdenken in den Messehallen ist bei dem gewohnten Lautstärkepegel schwierig. Dennoch wagen es einige Veranstaltungen, genau darauf abzuzielen. So auch eine Diskussion im „Café Europa“. Das Thema lautet „Wer ist das Volk?“ Katja Riemann beschreibt in einer kurzen Eingangsrede, dass der Begriff „Volk“ in Deutschland zunehmend als Abgrenzung zum Rest der Gesellschaft genutzt wird, gerade von Populisten.
Später bringt sie leidenschaftlich auf den Punkt, was sie daran aufregt: „Wir leben in einer Demokratie, jeder hat die gleichen Rechte und Pflichten, kein Künstler ist besser als ein Maurer. Aber wir müssen gemeinsam aktiv für eine Demokratie eintreten und den Populisten die Bühne entziehen.“ Trump habe aus ihrer Sicht auch dadurch die Wahl gewinnen können, weil zu viel über ihn geredet und geschrieben worden sei.
Martin Roth, 10 Jahre lang (2001-2011) Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und auch zuvor schon als Direktor des Hygienemuseums in der Landeshauptstadt, betont: „In Sachsen haben die Christdemokraten zu lange weggesehen und damit den Rechtsruck befördert.“ Er sehe sich als Europäer und wird Mitte des Jahres Präsident des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart. „Wichtig ist, dass wir uns trauen, eine Haltung zur Demokratie zu entwickeln und diese auch öffentlich zu vertreten. Jeder von uns kann das.“
Beim Publikum trifft er damit offenbar einen Nerv. Ebenso mit seinem Hinweis, dass der Frieden in Europa auch mit der Entwicklung der Europäischen Union gesichert worden sei und es sich lohne, dafür einzutreten. Beispielsweise mit Teilnahme an der Bundestagswahl „für irgendeine demokratische Partei, welche werde ich Ihnen nie vorschreiben.“
Über ihr Heimatland Polen erzählt Katarzyna Wielga-Skolimowska, dass sich Populisten eben auch deshalb des Begriffes „Volk“ bedienen, da sie wüssten, dass sie nicht die Unterstützung der Mehrheit hätten. „Sind sie an der Macht, ändern Sie die Gesetze, um die Justiz zu kontrollieren und die Macht für sich zu sichern.“ Polen, Ungarn und auch die Türkei seien Beispiele. Doch es gebe auch viele Proteste in Polen gegen die schon einheitlich agierende politische Klasse. Dass dies funktionieren kann zeigte Rumänien erst vor kurzem.
Eine Stunde währt die Podiumsdiskussion, sehr kurz für das gewichtige Thema. Doch es ist eben auch Charakteristikum einer Messe, dass ein Programmpunkt den nächsten jagt. Und so geht der Streifzug zurück durch die Glastunnel und zeigt, dass nicht nur Bücher, sondern auch Landkarten und Globen ausgestellt und zum Verkauf angeboten werden. Dazwischen wuseln die Manga- und Cosplay-Fans in ihren möglichst schrillen Kostümen. Vielfalt bietet sie also die Buchmesse, wer sich davon nicht erschlagen lässt, kommt vielleicht sogar zum Nachdenken.
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