Zum neuen Jahr startet das GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig mit einer neuen Vortragsreihe: Die Reihe „(Un)-sichtbar?! – Koloniale Spuren in Museen und Gesellschaft“ rückt die nur wenig bekannte Kolonialgeschichte Deutschlands in den Blick. Zum Auftakt am 17. Januar, 19 Uhr, werfen die Gäste einen Blick auf postkoloniale Ansätze und den Umgang mit kolonialem Erbe im ethnologischen Museum.
Das Thema schien jahrzehntelang regelrecht verschwunden aus der öffentlichen Debatte. Die Verbrechen des Nazireiches überschatteten alles. Da schien kein Platz mehr zu sein für die Gräuel der deutschen Kolonialgeschichte. Auch wenn das Deutsche Reich nur kurz mitspielen durfte auf der Bühne der großen Kolonialmächte – besser benommen als die anderen Kolonialmächte hat sich auch Deutschland nicht. Erst im Sommer 2016 gestand die Bundesregierung zu, dass Deutschland schon früh an einem Völkermord beteiligt war.
„Gnadenlos hatten deutsche Truppen den Widerstand der Herero und Nama unterdrückt. Zwischen 1904 und 1908 töteten die kaiserlichen Streitkräfte gezielt bis zu 80.000 Menschen in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Erst jetzt hat die Bundesregierung in einem offiziellen Dokument eingestanden: „Der Vernichtungskrieg war ein Völkermord”, schrieb die „Zeit“ im Juli 2016. Den Artikel konnte sie mittlerweile auffrischen: „Vertreter der Volksgruppen der Herero und Nama aus Namibia haben in New York eine Sammelklage gegen Deutschland eingereicht, um Entschädigungszahlungen wegen der Anfang des 20. Jahrhunderts begangenen Kolonialverbrechen zu bekommen.“
Denn die Folgen des weltumspannenden Plünderns und der grausamen Unterdrückungsmaßnahmen in den Kolonien sind bis heute spürbar. Sie sind die wesentliche Ursache für die tiefe Kluft zwischen dem armen Süden der Welt und dem Reichtums des Nordens, der bis heute auf der Plünderung der Ressourcen im Süden beruht.
Aus den Augen, aus dem Sinn, kann hier aber nicht wirklich gelten. Denn die koloniale Vergangenheit wurde und wird in Deutschland gern verklärt. Für das Museum für Völkerkunde ist das Anlass genug, das Thema in einer Vortragsreihe klarer zu beleuchten.
Relikte einer kolonialen Vergangenheit finden sich in Deutschland bis heute in gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen und äußern sich in Vorstellungen und Umgangsweisen. Die Veranstaltungsreihe sucht deren Spuren in Museum und Alltag, in Sprache und Bildung, in Völkerschauen und Kolonialausstellungen sowie in kolonialen Erinnerungsorten. In Gesprächen diskutieren Ethnolog*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen etwa über die Frage, warum die Aufarbeitung dieser Geschichte für die Gegenwart so wichtig ist und welche Potentiale die postkoloniale Auseinandersetzung bietet.
Was sind eigentlich postkoloniale oder dekoloniale Perspektiven? Anhand des ethnologischen Museums lassen sich zentrale Aspekte anschaulich diskutieren und die Aktualität der Diskussion aufzeigen. Welche historische Rolle spielt das ethnologische Museum, wie trägt es zur Herstellung kolonialer Kontinuität bei und welche Aufgaben und welche Potentiale hat es als Institution in einem postkolonialen Zeitalter?
Die erste Veranstaltung gibt es am Dienstag, 17.Januar, um 19 Uhr im Großen Vortragssaal des GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig.
Das Thema: „Kolonialismus in Museen und dekoloniale Perspektiven“
Zu Gast ist Susanne Wagner, Promotionsstipendiatin am Kompetenzzentrum Medienanthropologie der Bauhaus Universität Weimar. In ihrem Promotionsvorhaben zu postkolonialen Ausstellungen untersucht sie auch die Sonderausstellungsreihe des Leipziger Völkerkundemuseums „GRASSI invites“.
Ebenfalls zu Gast ist Bernard Müller, Forscher der Anthropologie und Performance Studies (IRIS, Paris). Er koordiniert das „Broken Memory“-Projekt zur Aktualität kolonialer Kriegsbeute im Zusammenhang mit der Debatte um Restitution und Reparation. In Kooperation mit dem GRASSI Museum für Völkerkunde und dem Institut für Ethnologie zu Leipzig leitet er das Seminar „Museum on the Couch – Reflexive und kreative Erkundungen in den ethnographischen Sammlungen“.
Eintritt frei.
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