In der Auseinandersetzung mit den Verwerfungen des derzeitigen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Status Quo hört man viel zu oft: Das war schon immer so und Alternativen gibt es nicht. Das ist natürlich völliger Unsinn, schließlich ist die Erdbevölkerung nicht aus Stein und selbst diese, die Steine, unterliegen Veränderungen. Also, frisch aufgemacht und nachgefragt, zum Beispiel bei Peter Noack, Schriftsteller, Philosoph und Zweifler. Und vielleicht bleibt ja was hängen. "The Future is unwritten", wie es von The Clash so schön gesungen wurde.

Lieber Herr Noack. Gerade ist Ihr erstes wissenschaftliches Buch herausgekommen: “Die Deutschen spielen verrückt – Wie deutsche Eliten über Wirtschaft und Wirtschaftspolitik debattieren”. Steht in diesem Buch die Antwort auf alle Fragen drin? Die Fragen nach dem Sinn, dem Universum und dem ganzen Rest?

Im Prinzip ja, aber einige Details fehlen noch, wenn man die Wirtschaft als Ganzes für solch ein Universum halten will. Mit den Antworten, die Medien, von Fachjournalen bis zum öffentlich-rechtlichen TV, veröffentlichen, war ich meistens unzufrieden. Viele Fragen blieben ohne Antwort. Manche finden sich im Buch wieder. Bei einigen stelle ich meine Antworten vor. Andere müssen späteren Projekten vorbehalten bleiben.

Sie haben jahrelang wissenschaftlich geforscht zu philosophisch-erkenntnistheoretischen Problemen der Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftspolitik. Was ist das denn zum Teufel? Wirtschaft ist ja schon ein Buch mit sieben Siegeln für mich – aber dieser Rattenschwanz, da stehe ich ja vollkommen im Walde.

Nichts leichter als das. Erkenntnistheorie befasst sich damit, wie Menschen zu Erkenntnissen kommen. Welche Bewusstseinsinhalte sind Erkenntnisse im Unterschied zu Phantasien, Fiktionen oder Meinungen. Gibt es Besonderheiten bei wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen und wie gelangen die Wirtschaftsforscher dazu? Etwas allgemeiner: Was untersucht Wirtschaftswissenschaft und mit welchen Forschungsmethoden sollen die Erkenntnisse erreicht werden? In den Lehrbüchern für Volkswirtschaftslehre ist darüber kaum noch etwas zu erfahren.Einmal in der Woche stehen Sie ehrenamtlich beratend im Stadtteilladen Leipziger Westen zur Verfügung – im Auftrag des Zentrums für Integration. Wie kam es denn dazu? Und was machen Sie da genau?

Meine Beratung ist Hilfe zur Selbsthilfe für hilfebedürftige Arbeitslose, also Hartz-IV-Empfänger. Dabei geht es um Anträge, Prüfung der Bescheide und Aufklärung über die Anspruchsberechtigung. Manchmal muss man zum Widerspruch raten oder sogar eine richterliche Prüfung vorschlagen. Rechtsberatung im juristischem Sinne findet nicht statt.

Ehrenamtlich leiste ich das, was Jobcenter oder die Stadt Leipzig als Partner leisten müssten. Die Erfahrung lehrt, dass diese Beratung bitter nötig ist.

Zurück zum Buch. Demnächst ist ja in Leipzig auch Buchmesse. Eine gute Chance Ihre Positionen vorzustellen. Wird es eine Veranstaltung zum Buch geben? Und wo? Und wann? Und unter welchen Voraussetzungen?

Am Stand des Projekteverlages Halle werde ich selbst anwesend sein und kann mit Besuchern ins Gespräch kommen. Weiterhin nutze ich die Gelegenheit, bei anwesenden Medienvertretern mein Buch und mich bekannt zu machen. Eine Lesung findet am 16. März um 18:00 Uhr in der Naumburger Straße 39 in Plagwitz statt. Gern bin ich auch bereit, vor Interessenten Lesungen zu halten. Dazu habe ich Kontakt zu Studenten in Leipzig angeknüpft.

Finden Sie Gehör? Mischen Sie sich auch außerhalb Ihres Buches in Debatten ein? Und wenn ja, wo?

Wenn sich Gelegenheiten bieten, immer. So nerve ich Abgeordnete des Bundes- bzw. Landtages und halte auch auf Veranstaltungen des DGB oder der Friedrich-Ebert-Stiftung mit meiner Ansicht nicht hinter dem Berg. Auch im Bekanntenkreis kann ich mich mit meinen Auffassungen kaum zurückhalten.

Sie sagen, dass “Die Deutschen verrückt spielen” – da ist erstens “Das Spielen” darinnen. Ist dies alles nur ein Spiel oder nicht viel schlimmer, da es Existenzen bedroht – und sind es nur die Deutschen? Wer macht’s besser?

Dummerweise sind die meisten öffentlichen Debatten über Wirtschaft und Krise reines Verwirrspiel, und das mit voller Absicht. Das gilt auch dann, wenn es Existenzen oder das Leben kosten könnte, egal ob dabei Menschen oder Unternehmen vernichtet werden.

Ein Beispiel: Seit zwei Jahren wird dem geneigten Publikum die griechische Tragödie aufgeführt. Diese Tragödie soll das Publikum genauso erschüttern, zu Tränen rühren oder um Hilfe ersuchen, wie die Tragödien der Antike. In diesem Sinne ist das Ganze ein Spiel. Es kann noch mehrere Akte bis zum tragischen Ende so weitergehen oder das Drama findet eine glücklichere Lösung. Die Zielgruppe meiner Thesen sind die eigentlichen Eliten, die mit ihren Entscheidungen über das Wohl und Wehe der normalen Menschen bestimmen. Dagegen kann man sich leider kaum wehren.

Gibt es einen Rat an den normalen Mitmenschen von Ihnen, wie dieser sich vor den Unbilden wappnen kann?

Einen Rat will ich dennoch geben. Glauben Sie nichts, was Ihnen nicht plausibel ist oder Sie nicht verstehen. Die Experten sind selber oft nicht viel klüger und die Prognosen treffen meist nicht zu, weil sie in die Zukunft gerichtet sind. Gesunder Menschenverstand hilft zwar nicht immer, in den meisten Lebenslagen aber doch. Falls die Menschen einmal nicht mehr weiter wissen sollten, dann fragen sie doch vorsichtshalber mich.

Danke für das Gespräch.

Mein Dank gilt Ihnen.

www.projekte-verlag.de/Sachbuchprogramm/Peter Noack

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