„Ich bin fest davon überzeugt, dass ein lebendiges Nachtleben und die Clubkultur mehr sind, als nur Lifestyle – das ist auch Lebenskultur und etwas, das Leipzig attraktiv macht.“ Zum ersten Mal kann diese Überzeugung, geäußert von Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Die Linke), nun schwarz auf weiß belegt werden. Im vollbesetzten Foyer des Museums der bildenden Künste (MdbK) wurden am Montagabend die Ergebnisse der Studie zu Clubs und Livemusikspielstätten in Leipzig (CLIV) vorgestellt.

Acht Jahre, zwei Stadtratsbeschlüsse, zahlreiche Workshops und Auswertungsrunden sowie die Befragung von 129 musikalischen Einrichtungen und 3289 Privatpersonen hat es gedauert, bis die Idee einer Erhebung eigens für die Stadt Leipzig und ihre vielfältige Nachtkultur zur Realität wurde.

Was lange währt …

„Seit 2018 haben wir uns als Kulturdezernat mit dem damals frisch gegründetem Livekommbinat Leipzig e. V. Gedanken darüber gemacht, wie man wirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen der Clubkultur sichtbar machen kann.“ Jennicke sowie ihr Amtskollege Clemens Schülke (CDU), Leiter des Leipziger Wirtschaftsdezernats, ordneten gemeinsam mit Nils Fischer, Leipzigs Fachbeauftragter für Nachtkultur und Jörg Kosinski, Vorstandmitglied des Livekommbinats, die Ergebnisse der Studie ein.

Zum Vorbild habe man sich die bundesweite Clubstudie genommen, welche 2019, im Jahr vor der Corona-Pandemie, von der Initiative Musik durchgeführt wurde. Corona war letztendlich auch einer der Gründe, weshalb die Ergebnisse der CLIV so lange auf sich warten ließen. Zum einen wären andere Themen auf einmal in der Prioritätenliste nach oben gerutscht, erläuterte Nils Fischer. Zum anderen hätte eine Befragung vorher schlichtweg keinen Sinn ergeben. „Um realistische Ergebnisse zu erhalten, war es notwendig, Daten aus einem ‚normalen‘ Geschäftsjahr zu analysieren.“

Mit der Erhebung und Auswertung der Daten war das Leipziger Beratungs- und Forschungsunternehmen Conoscope betraut. Befragt wurden Einrichtungen mit einer Publikumskapazität von maximal 2000 Personen. Laura Oppermann und Markus Schubert von Conoscope führten an diesem Montagabend „durchs Programm“, das einige wichtige Erkenntnisse zu bieten hat. Etwa, dass 80 Prozent der 47 Millionen jährlichen betrieblichen Ausgaben, welche Clubs und Livemusikspielstätten in Leipzig tätigen, in der Kommune bleiben – immerhin 37,4 Millionen Euro.

Oder, dass zwei Drittel der in der Nachtkultur Beschäftigten im Ehrenamt arbeitet. „Das ist eine sehr positive Seite, gerade in Zeiten des Verdrusses und des Rückzugs ins Private. Wir können davon ausgehen, dass das diejenigen sind, die sich einbringen wollen und für Kultur brennen“, betonte Jörg Kosinski. Gleichzeitig stelle diese Zahl gut dar, wie fragil der Betrieb eines Clubs oder einer Musikspielstätte sei.

Ohne dieses ehrenamtliche Engagement könnten viele Einrichtungen nicht bestehen. „Die Lage wird nicht einfacher“, schlug Jennicke auch mit Hinblick auf die unsichere kommunale Haushaltslage in dieselbe Kerbe. Gerade deshalb aber müsse man „umso geschlossener und in Kooperation miteinander vorgehen.“

Steigende Hürden

2,2 Millionen Menschen ziehen Leipzigs Clubs und Livemusikspielstätten jährlich an. Etwa 2400 Personen arbeiten in der hiesigen Nachtkultur. Leipzigs vielfältige (Nacht-)Kulturszene ist ein Aushängeschild und Tourismusfaktor für die Stadt, gleichzeitig machen Auflagen und Verordnungen die Errichtung und den Betrieb neuer Spielstätten zu einem schwierigen Unterfangen. Als Probleme können im Zuge der Studie ganz klar bürokratische Hürden bei der Projektförderung, Lärmauflagen und Gentrifizierung festgehalten werden.

Seit 2022 gibt es das städtische Kulturkataster, welches das Stadtplanungsamt seitdem verpflichtend für seine Planungen nutzt. „Wir sind derzeit aber noch dran, dass auch das Bauordnungsamt dazu verpflichtet wird“, macht Nils Fischer deutlich. Zwar arbeite man in Leipzig bereits sehr gut dezernatsübergreifend zusammen, dennoch sei dies oft „eine Mammutaufgabe“.

Als größte Hürde, vor welche Clubbetreiber*innen und Konzertveranstalter*innen sich gestellt sehen, werden laut CLIV allerdings die steigenden Lohnkosten für das Personal wahrgenommen – während dieses ohnehin immer schwerer zu finden ist. Ziemlich genau ein Drittel geben Betreiber*innen für ihre Angestellten aus. Kosten, welche zu großen Teilen über den Eintritt und Barbetrieb wieder eingespielt werden müssen.

Die Hauptsache: Sicherheit

Ein „Extra-Gimmick“ der Leipziger Studie ist die Publikumsbefragung. Damit wollte man Erkenntnisse erlangen über, klar, die Besuchenden, aber auch über Nicht-Besuchende. Wen treibt es aus welchen Gründen selten bis nie in das schillernde Labyrinth der Nachtkultur? An der Auswahl an Möglichkeiten liegt es nicht – laut Studie bieten Clubs und Livemusikspielstätten in Leipzig nahezu die volle Bandbreite an musikalischen Genres.

Für den Besuch einer bestimmten Einrichtung scheuen viele Interessierte auch nicht einen Anfahrtsweg von mehr als 50 Kilometern. Allerdings gehört zur Wahrheit auch dazu, dass fast die Hälfte der Clubgänger*innen nach der Pandemie seltener bis viel seltener ausgehen.

Neben den Nachwirkungen der Corona-Zeit können als Faktoren dafür, eine Einrichtung eher zu meiden, auch zum Teil als elitär wahrgenommene Strukturen, hohe Eintrittspreise und ein gewisses Gefühl von „zu weit weg vom persönlichen Alltag“ genannt werden. Abgesehen davon schneiden Leipzigs Clubs und Livemusikspielstätten sehr gut ab, werden als „spannend, offen und authentisch“ wahrgenommen.

Die Hauptgründe, sich regelmäßig in die Nachtkultur stürzen, sind für die Befragten das Aufeinandertreffen mit Freunden und Bekannten, der Auftritt eine*r bestimmten Künstler*in und schlichtweg die Teilhabe an Kunst und Kultur. Um aber überhaupt erst einmal über die Club-Schwelle zu treten, braucht es für die Mehrzahl der Besuchenden ein hohes Sicherheitsgefühl.

52 Prozent der Befragten schätzten diesen Faktor als „sehr wichtig“ ein – wichtiger noch, als ein gut kuratiertes Programm oder der Flucht aus dem Alltag. Der geringste Motivator für den Besuch eines Clubs, Konzerts etc. scheint das Kennenlernen neuer Menschen zu sein.

Und nun?

Die Studie endet allerdings nicht mit der Aufbereitung der Daten, sondern gibt ebenso Handlungsempfehlungen für die Stadt mit an die Hand. Als Vorschläge werden beispielsweise die Prüfung und Einrichtung von Kulturschutzzonen genannt, langfristige Mietverträge sowie die Einrichtung von Förderprogrammen für Lärm- und Schallschutzmaßnahmen. Als weiteren Punkt listen die Autor*innen die stärkere Einbindung von Clubs in touristische Strategien und Imagekampagnen für die Stadt Leipzig und die Vertiefung lokaler Netze auf.

Dass die Umsetzung in der Praxis dann meist etwas schwieriger und langwieriger ist, als die Theorie, musste an diesem Abend wohl aber nicht erwähnt werden. Ein Geheimrezept habe er zwar nicht, schloss Kosinski das Podium, „aber diese Studie gibt uns Anlass, über viele Themen weiter nachzudenken, Strukturen weiter auszubauen und für Leipzig einen guten Weg zu finden.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar