Es ist auch das reiche Leipziger Nachtleben, das die Stadt nicht nur für junge Leute, sondern auch für Unternehmen attraktiv macht. Ein Pfund, mit dem gewuchert werden kann, das aber auch gefährdet ist. Denn je mehr sich die Stadt verdichtet, umso mehr Konflikte gibt es. Weshalb die Stadt 2023 die Koordinierungsstelle Nachtkultur als Geschäftsstelle des Nachtrates einrichtete. Doch die drohte im Frühherbst ohne Anschlussfinanzierung auszulaufen.
Was auch daran lag, dass die Stadt eigentlich gehofft hatte, dass sich die Stelle nach dem ersten Jahr selber tragen könnte. Doch so gut geht es Leipzigs Clubszene noch lange nicht. Die Corona-Jahre haben bei vielen Clubs ins Kontor gehauen, etliche haben bis heute Schwierigkeiten, sich von dieser Zeit zu erholen.
Weshalb Stadtrat Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) noch im Oktober den Antrag stellte: „Die Koordinierungsstelle Nachtleben wird ab dem 1. Januar 2025 durch städtische Mittel verstetigt. Bis zur Errichtung des Kompetenzzentrums Freie Kunst und Kultur wird die Stelle an das Amt für Wirtschaftsförderung angegliedert.“
Denn in der Clubszene ging schon eine gewisse Panik um, dass die Stelle mit Kristin Marosi als Koordinatorin einfach sang- und klanglos auslaufen könnte und damit ein Jahr Aufbauarbeit für die Katz gewesen sein könnte. Es ist die wichtigste Verbindung der Clubszene direkt zur Verwaltung, sodass hier Probleme auf dem kurzen „Dienstweg“ geklärt werden können.
„Ursprünglich wurde beschlossen, dass die Koordinierungsstelle Nachtleben Leipzig von der Nachtkultur finanziert werden muss. Bereits zur Beschlussfassung war dies eine absehbar große Herausforderung und ist in der aktuellen Situation nach Pandemie, Energiepreissteigerung und Wirtschaftskrise nicht mehr durch die Akteure der Nachtkultur tragbar“, so Kumbernuß in seinem Antrag.
Nachtleben ist auch ein Wirtschaftsfaktor
Seine Rede im Stadtrat verwendete er dann eher dazu, die Wichtigkeit der Nachtkultur für Leipzig zu betonen. Was dann Juliane Nagel (Die Linke), Anne Vollerthun (Grüne) und Christopher Zenker (SPD) in ihren Redebeiträgen ergänzten. Zenker mit deutlichem Hinweis darauf, welche Rolle die Nachtkultur für Leipzig als attraktive Stadt für junge Menschen spielt. Er reagierte damit auf den knurrigen Vortrag von AfD-Stadtrat Jörg Kühne, der die Koordinierungsstelle für die Nahtkultur für völlig überflüssig hielt und im aktuellen Haushalt gar nicht darstellbar.
Obwohl auch dabei spürbar wurde, dass der Riege alter Herren in der AfD-Fraktion die Jugendszene in der Stadt völlig egal ist und sie selbst die Nachtkultur nicht einmal wahrnehmen – schon aus Altersgründen. Welche vielen Leute das waren, die da in der AfD-Fraktion ihren Unmut über die Koordinierungsstelle Nachtleben ausließen, sagte er zwar nicht. Aber das Gerede von den vielen Leute, die sich in einer Fraktionsgeschäftsstelle zu Wort melden, erzählt nun einmal nichts über die gesamte Stadt, sondern nur über die Wählerklientel der AfD.
Menschen, die die Nachtkultur in Leipzig lieben, werden ganz gewiss nicht in der Fraktionsgeschäftsstelle der AfD anrufen.
Das Kulturdezernat reagierte
Tatsächlich hatte das Dezernat Kultur die Hilferute aus der Clubszene sehr wohl vernommen und eine eigene Vorlage ins Verfahren gegeben, die die Koordinierungsstelle Nachtleben wenigstens für die nächsten beiden Jahre sichert:
„2023 konnte aufgrund des Beschlusses zum Haushaltsantrag VII-HP-08926 ‚Unterstützung der Nachökonomie (A 122/ 23/24)‘ die Koordinierungsstelle Nachtkultur eingerichtet werden. Somit konnte das zugrundeliegende Konzept der ‚Botschaft der Nacht‘ mit einer Doppelspitze aus verwaltungs- und szeneseitiger Vertretung nachtkultureller Themen umgesetzt werden. Der Haushaltsantrag war jedoch befristet. Seit September 2023 ist die die Koordinatorin Nachtleben Leipzig beim LiveKommbinat Leipzig e. V. mit einer 75 %-Stelle analog der Entgeltgruppe 11/1 (Berücksichtigung Besserstellungsverbot) angestellt“, betonte das Dezernat in seiner Vorlage.
„Die in Aussicht gestellte Deckung der Personalkosten durch Fördermittel konnte trotz intensiver Fördermittelsuche und verschiedenen Anträgen und Bewerbungen nicht umgesetzt werden. Grund hierfür ist ein systemischer Mangel an Förderinstrumenten für Struktur- und Netzwerkarbeit.“
Also musste die Stadt ran. 60.000 Euro werden dafür für die nächsten beiden Jahre zur Verfügung gestellt.
Orte des sozialen Miteinanders
Und das Kulturdezernat betonte auch, worum es bei dieser Koordinierung tatsächlich alles geht – zum Beispiel darum: „Urbane Nächte in Leipzig sind seit Jahrzehnten ein Schmelztiegel der Kultur, der sozialen Begegnung und des Austauschs zwischen Bewohnenden und Gästen. Die einzigartige Atmosphäre der Stadt, die sich durch ein pulsierendes kulturelles Leben zu allen Tages- und Nachtzeiten präsentiert, zieht Einwohner/-innen und Gäste der Stadt gleichermaßen an.
Den Räumen der Nachtkultur wohnt eine große Bedeutung für das soziale Miteinander vieler – vor allem jüngerer – Bevölkerungsgruppen inne. Es ist jahrelanger – meist ehrenamtlicher – Arbeit zu verdanken, dass diese Räume zur persönlichen Entfaltung, für den interkulturellen Austausch mit Gleichgesinnten und zum Genuss der Musik und zum Feiern des Lebens entstehen konnten.
Egal ob preisgekrönte international bekannte Clubgrößen, kleine familiäre Techno-Clubs oder soziokulturelle Zentren mit Musikbühnen: Die Leipziger Club- und Musikkultur mit ihren vielfältig kuratierten Spielstätten und Künstler/-innen bietet für sehr verschiedene Zielgruppen die passenden kulturellen Erlebnisse für den nächsten Streifzug durch die Nacht.“
Aber um das zu verstehen, muss man wohl jung sein. Oder zumindest jung im Herzen.
Geholfen hat die Arbeit von Kristin Marosi aber auch bei wichtigen Konfliktlösungen: „Seit Arbeitsaufnahme der Koordinierungsstelle Nachtkultur konnten vermehrt und schnell Konflikte in den Bereichen Emissionsschutz und Nutzungskonflikte bearbeitet und gelöst werden. Die Stelle fungiert als wichtige Schnittstelle für Betreibende und Bürger. Besonders im Wissensmanagement für Betreibende hat sich ein großer Nutzen aufgezeigt. Erfahrungen anderer Akteure können mit aktuellen Anliegen verknüpft und so schnelle Hilfe geleistet werden. Beispiele hierfür sind die Unterstützung des Westbahnhofes und der RadTanke. Hier wird auch eine wichtige Koordinierungsfunktion bei bauordnungsrechtlichen Fragen zwischen Akteuren und Amt für Bauordnung und Denkmalpflege wahrgenommen und so die freie Szene auch professionalisiert.“
Thomas Kumbernuß jedenfalls fand den Vorschlag der Stadt gut und ließ den zur Abstimmung stellen. Was dann das eigentlich zu erwartende Ergebnis mit sich brachte: Ein klares Votum von 37:17 Stimmen für die Fortführung der Koordinierungsstelle in den nächsten beiden Jahren, getragen von der jüngeren Mehrheit im Stadtrat.
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