Am Mittwoch, dem 9. Oktober, ist es wieder so weit, feiert Leipzig den Jahrestag der Friedlichen Revolution mit einem Lichtfest. Und da es mit dem 35. Jahrestag wieder ein rundes Datum ist, wird wieder groß gefeiert – mit dem ganzen Ring. Am 9. Oktober 1989 versammelten sich nach den Friedensgebeten in mehreren Kirchen in der Leipziger Innenstadt weit mehr als 70 000 Menschen mit den Rufen „Wir sind das Volk“ und „Keine Gewalt“, um mit Kerzen in den Händen zu demonstrieren – der Durchbruch für die Friedliche Revolution.

Die Demonstranten gingen trotz der angedrohten Gewalt auf die Straße und ließen die Ideen der Freiheit und der Bürgerrechte über die kommunistische Diktatur triumphieren. Dieser Tag gilt als Voraussetzung für den Fall der Mauer am 9. November und die deutsche Wiedervereinigung in einem friedlich vereinten Europa; der Mut der Demonstrierenden ist in die Geschichte eingegangen.

Festakt der Stadt Leipzig und des Freistaates Sachsen

Gewandhaus zu Leipzig, Beginn 14.30 Uhr

Dem 35. Jubiläum der Friedlichen Revolution widmet Leipzig ein herausragendes Programm. Die zentrale Feierlichkeit ist der gemeinsame Festakt der Sächsischen Landesregierung und der Stadt Leipzig am 9. Oktober 2024 im Gewandhaus zu Leipzig. Die Gedenkstunde würdigt die Friedliche Revolution als Ergebnis freiheitlich-demokratischen Handelns von Bürgerinnen und Bürgern in ganz Sachsen. Höhepunkt des Festaktes wird die Rede zur Demokratie von Bundeskanzler Olaf Scholz sein.

Als Festrednerin wird Marianne Birthler erwartet, frühere DDR-Bürgerrechtlerin und ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Neben hochrangigen Repräsentanten des gesellschaftlichen Lebens, darunter zahlreiche internationale Gäste, sind Zeitzeugen, Bürgerrechtler und Vertreter demokratischer Basisinitiativen zum Festakt eingeladen.

Das Gewandhausorchester unter Leitung von Semyon Bychkov und szenische Beiträge des Theaters der Jungen Welt umrahmen die Veranstaltung. Die Teilnahme am Festakt ist nur mit persönlicher Einladung möglich. Der Festakt wird live in der ARD übertragen.

Friedensgebet in der Nikolaikirche

Nikolaikirche, 17 Uhr

Das Friedensgebet am 9. Oktober 1989 in der Nikolaikirche war ein bewegender Moment. Nicht nur, dass trotz Warnungen vor anschließenden Verhaftungen und staatlicher Gewalt fast 2 000 Menschen gekommen waren, sondern dass die Atmosphäre von einem Geist des Friedens, der Einheit und der Hoffnung geprägt war, machte diesen „Gottesdienst im Alltag der Welt“ so unvergesslich.

Im Anschluss an das Friedensgebet mischte sich die Gemeinde in eine Menge von mehr als 70 000 Menschen, die sich vor der Kirche eingefunden hatten. Der gemeinsame Protestzug um den Innenstadtring besiegelte die Friedliche Revolution und den Anfang vom Ende der DDR. In Erinnerung an dieses historische Friedensgebet vor 35 Jahren werden in diesem Jahr Zeitzeugen zu Wort kommen und Landesbischof Tobias Bilz Hoffnungsworte der Bibel auslegen.

Als musikalische Botschaft erklingen Ausschnitte aus dem Werk „Visions“ des britischen Komponisten John Rutter. Das Friedensgebet aus der Nikolaikirche wird live auf www.mdr.de gestreamt und auf den Nikolaikirchhof übertragen.

Lichtfest Leipzig

Gesamter Innenstadtring, 19 bis 24 Uhr Eröffnung: 19 Uhr Augustusplatz

Anlässlich des 35. Jahrestages findet das Lichtfest Leipzig am 9. Oktober von 19 bis 24 Uhr auf dem gesamten Innenstadtring entlang der authentischen Demonstrationsroute statt. Über 20 lokale, nationale und internationale Künstlerteams greifen die historischen Ereignisse künstlerisch auf und machen sie im öffentlichen Raum erlebbar: Spektakuläre Mappings, Projektionen, Musik, Performance und andere Interventionen werden Zehntausende begeistern und berühren.

Mehrere Partnerstädte Leipzigs sind mit eigenen Projekten vertreten: Frankfurt am Main, Krakau, Lyon und Brünn. Die riesige Kerzen-89, traditionell von Besucherinnen und Besuchern mit tausenden Lichtern befüllt, wird im Jubiläumsjahr auf dem Augustusplatz stehen. Dort findet auch die Eröffnung statt.

Der Abend beginnt 19 Uhr auf dem Augustusplatz mit kurzen Grußworten von Oberbürgermeister Burkhard Jung, Zeitzeugen sowie Vertretern von Bund und Land. Musikalisch umrahmt wird die Eröffnung von der Sächsischen Bläserphilharmonie unter der Leitung von Peter Sommerer.

Alle 21 Lichtprojekte findet man unter www.lichtfest.leipziger-freiheit.de/programm.html bzw. im Programmheft, das kostenlos in Leipzig und Region ausliegt.

Ausgewählte Lichtprojekte

Der Erste macht das Licht an (Nr. 2), Thomas Ritschel & Felix Ruffert (Leipzig), interaktive, audiovisuelle Installation, Standort: Georgiring

„Der Letzte macht das Licht aus“ war eine geflügelte Redewendung in der untergehenden DDR und reflektierte die damals wachsende Ausreisewelle. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Demonstrierenden. Der Erste macht das Licht an, greift die Energie dieses Protestes auf. Am Georgiring gilt es, laut zu sein, denn Ritschel und Ruffert wandeln die Lautstärke der vorbeiziehenden Lichtfestbesucher durch akustische Kameras in Energie und Farben um. Die vorbeiziehenden Menschen steuern durch Rufen, Klatschen oder auch Singen die Projektion.

Lichtprojekt Nr. 11 "Barriere". Visualisierung: Philip Ross
Lichtprojekt Nr. 11 „Barriere“. Visualisierung: Philip Ross

Passage (Nr. 13), Fils de Créa (Lyon, Frankreich), Licht- und Klanginstallation, Standort: Wilhelm-Leuschner-Platz

Eigens für das Lichtfest Leipzig konzipierte Fils de Créa die Licht- und Klanginstallation Passage – einen überdimensionalen Durchgang von sechs Metern Breite und rund vier Metern Höhe und Symbol für Grenzen und deren Öffnung. Passage besteht aus etwa 500 recycelten Lampen und Leuchten. Sie sollen die Vielfalt und Erfahrungen der Beteiligten von 1989 widerspiegeln.

Mit ihrer farblichen, visuellen und klanglichen Ästhetik möchte die Installation die Lichtfestbesucher zu einer Erinnerungsreise einladen. Die Leuchten wurden im Vorfeld des Lichtfestes in Leipzig gesammelt. Daraus resultiert die große Vielfalt an unterschiedlichen Lampenarten, -formen und -farben. Ein Sound aus Archivklängen vom 9. Oktober 1989, Soundeffekten und Musik komplettiert die Installation.

Ode an die Demokratie (Projekt C), Projekt der Partnerstadt Frankfurt am Main, multimediale Inszenierung,
Standort: Evangelisch-reformierte Kirche, Tröndlinring 7

Was macht Demokratie aus? Was sind Herausforderungen, wo liegen Chancen? Diese Fragen stehen im Fokus der Ode an die Demokratie, die 2023 anlässlich der Feierlichkeiten zum 175. Jahrestag der Paulskirchenverfassung in Frankfurt am Main erstmals präsentiert wurde. Zum 35. Jahrestag der Friedlichen Revolution wird dieses Projekt der Partnerstadt Frankfurt für Leipzig adaptiert. Mit der Aufforderung „Wir suchen dein Gedicht“ waren Bürgerinnen und Bürger vom Künstlerinnenduo ZORN x Jasna Fritzi Bauer dazu eingeladen, ihre Gedanken zur Demokratie einzubringen.

Die kuratierten Texte werden beim Lichtfest an die Fassade der Evangelisch-reformierten Kirche projiziert und durch weitere visuelle Effekte sowie Ton ergänzt. So entsteht eine multimediale Inszenierung, welche die abstrakte Natur des demokratischen Grundgedankens zu einem emotionalen, immersiven Erlebnis macht, das zum Nachdenken einlädt.

Atelier Markgraph (Konzept), ZORN x Jasna Fritzi Bauer (Textauswahl), bright! Studios (Video, Motion Design), Projekt der Partnerstadt Frankfurt am Main

Frankfurt am Main ist seit dem 3. Oktober 1990 Partnerstadt von Leipzig. Die beiden Städte eint eine enge Verbindung, die unter anderem auf den historischen Schnittstellen (Paulskirchenverfassung, Friedliche Revolution) rund um die Themen Freiheit und Demokratie basiert. Anlässlich des 175. Jubiläums der Deutschen Nationalversammlung hatte sich Leipzig mit dem Projekt „Bei Anruf Demokratie“ am Paulskirchenfest 2023 in Frankfurt am Main beteiligt.

Blaues WundAR (Nr. 5), Maix Mayer (Leipzig), 3D-Animation mittels Augmented-Reality-Web-App
Standort: Goerdelerring

Der Leipziger Maix Mayer beteiligte sich 1989 aktiv an den Montagsdemonstrationen auf dem Leipziger Ring und dokumentierte diese per Video. Der wichtigste Standpunkt für die mediale Dokumentation der Demonstrationen war damals die Fußgängerbrücke (2004 abgerissen) – von den Leipzigern „Blaues Wunder“ genannt. Mittels Augmented-Reality (AR) wird das Bauwerk im Stadtraum am alten Ort nun wieder erlebbar.

Denn Mayers Web-App Blaues WundAR errichtet die Brücke virtuell wieder und macht so das „Blaue Wunder“ zum „WundAR“. Via Handykamera entsteht eine Überlagerung des Livemodus mit einer 3D-Animation der Brücke.

Barriere (Nr. 11), Philip Ross (Eindhoven, Niederlande), interaktive Installation, Standort: Martin-Luther-Ring, Neues Rathaus, Höhe Goerdelerdenkmal

Barriere besteht aus neunzehn hellen, vertikalen Lichtstrahlen, die auf den Eisernen Vorhang verweisen. Die Lichtstrahlen reagieren auf Berührung und können durch die Lichtfestbesucher „bewegt“ werden. Im Normalzustand bleiben die Strahlen wie ein Vorhang miteinander verbunden – bis durch Wegschieben des Vorhangs eine Öffnung geschaffen wird.

So entsteht das Gefühl, körperlich eine Grenze zu durchbrechen. Der Haken: Sobald die Lichtfestbesucher sich zurückziehen, schließt sich der Vorhang wieder. Barrieren abzubauen, erfordert stete Anstrengung und Aktivität.

Lichtfest XXL: 10. bis 12. Oktober, 19 bis 23 Uhr

Im Jubiläumsjahr sind fünf Lichtprojekte über den Lichtfestabend hinaus bis zum Wochenende zu sehen. Dafür wechseln zwei Installationen (Nr. 4 und Nr. 6) den Standort. Lichtfest-XXL gilt für
1 „Where does the hero come from?“, EunJin Park, Nikolaikirchhof
4 „Stringed“ Gijs van Bon, Neu: Augustusplatz
5 „Blaues WundAR“, Maix Mayer, Goerdelerring, Web-App: https://blaueswunder.maixmayer.studio/
6 „Freiheit“, Loomaland, Neu: Burgplatz
13 „Passage“, Fils de Créa, Wilhelm-Leuschner-Platz

App-Rundgang Lichtfest: In diesem Jahr können Gäste den Lichtfest-Rundgang über den Innenstadtring erstmals in der App „Explore Leipzig – City Tours“ der LTM GmbH erleben. Die Tour wird in deutscher und englischer Sprache angeboten und ist auch als Audio-version verfügbar.

Kerzen-89, Kerzenpatenschaft, Mehrwegbecher

Auf dem Augustusplatz steht die traditionelle Kerzen-89, die im Laufe des Abends von den Besucherinnen und Besuchern mit tausenden Teelichtern zum Leuchten gebracht wird. Die Kerzen sind kostenlos an mehreren Ständen rund um den Augustusplatz erhältlich. Wer möchte, kann eine symbolische Kerzenpatenschaft übernehmen.

Der Erlös geht an den Wolfsträne e. V., der trauernde Kinder und Jugendliche, die einen Elternteil oder ein Geschwisterkind verloren haben, begleitet. Neu: Für mehr Nachhaltigkeit kommen am Kerzenpodest dieses Jahr 20 000 Mehrwegbecher zum Einsatz, gefertigt aus 100% recyclefähigem, stabilem Kunststoff. Die Besucher werden daher gebeten, die Becher – so schön gestaltet sie auch sind – nicht mit nach Hause zu nehmen, denn sie sollen in den Folgejahren wieder zum Einsatz kommen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar