Auch das gibt es, dass ein Antrag noch in der Ratsversammlung zurückgezogen wird, weil die Stadt ihn tatsächlich schon umgesetzt hat. So ging es dem Grünen-Antrag „CO₂-Rechner für Kultureinrichtungen“, den die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen bereits 2022 gestellt hatte, um diesen CO₂-Rechner noch in den Doppelhaushalt 2023/2024 hineinzubekommen. Aber der war ja sowieso schon ein Haushalt knapp auf Kante. Da passten viele solcher Anträge aus den Fraktionen nicht mehr hinein.
Für manche stellte sich dann im Lauf des ersten Halbjahres heraus, dass es doch noch ein paar Spielräume gibt, sie umzusetzen. Gerade dann, wenn die Summen überschaubar waren wie bei dem Grünen-Antrag. Immerhin kann das Instrument Leipziger Kulturbetrieben helfen, ihre Belastung fürs Klima zu errechnen und nach Wegen zu suchen, diese Belastungen zu minimieren – ein Weg, den ja bekanntlich die Oper Leipzig schon begonnen hat.
Aber nicht nur in Leipzig sah man die Notwendigkeit, auch die Kulturbranche auf dem Weg in die Klimaneutralität zu unterstützen. Auch in Dresden sah man die Notwendigkeit.
Und so verkündeten beide Städte kurz vor der Ratsversammlung, am 8. November, dass sie gemeinsam den CO₂-Rechner für Kulturbetriebe veröffentlichen.
„Der webbasierte CO₂-Rechner – das E-Tool Kultur – wurde speziell für die Kultur angepasst. Bei der Entwicklung fand ein Beteiligungsprozess inklusive Schulungen und Workshops mit rund 150 Kultureinrichtungen in beiden Städten statt. So ist das Tool einerseits genau auf die Spezifika der Kultur abgestimmt und andererseits bildet es die Emissionen nach globalem Standard, dem GHG-Protokoll ab“, erklärte Dr. Skadi Jennicke, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur der Stadt Leipzig, am 8. November.
„Für die präzise Ermittlung der Daten ist es wichtig, dass der CO₂-Rechner alle spezifischen Anforderungen des Kulturbereichs abbildet. Erst dann lässt sich für jede Kultureinrichtung und (Kultur-)Veranstaltung ein vollständiger CO₂-Fußabdruck berechnen. Dazu gehört auch die Erfassung der zentralen Emissionsquellen einer Kultureinrichtung, so bspw. die An- und Abreise des Publikums.
Durch die Datenerfassung und Auswertung können Potenziale im Kulturbereich sichtbar gemacht werden, um zukünftig Emissionen einzusparen“, betonte Falk Wittmann, Projektleiter und Fachbereichsleiter für Energietechnik/-effizienz der GICON-Großmann IngenieurConsult GmbH.
Hilfe vom Handwerk
„Im Zuge der Haushaltsverhandlungen hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Initiative dazu und stand in engem Austausch mit dem Kulturamt, das unter anderem durch das Interesse der Stadt Dresden eine Finanzierung ermöglichte.
In einem Kooperationsprojekt der Stadt Leipzig und dem Landesamt für Kultur und Denkmalschutz mit der Mittelstandsinitiative ‚Energiewende und Klimaschutz‘ der GICON Großmann Ingenieur Consult GmbH und der WIPS-com GmbH sowie Leipziger Kultureinrichtungen wurde ein bestehender Rechner der Handwerkskammer angepasst“, freuten sich die Grünen über die Umsetzung.
Denn auch andere Branchen haben das Thema längst auf ihrer Agenda – in diesem Fall die Handwerker, für die ein solcher CO₂-Rechner schon entwickelt worden war. Dieser musste nur noch für Kultureinrichtungen angepasst werden.
Auf der Webseite www.energie-tool.de können sich seit dem 8. November Kultureinrichtungen mit Sitz in Leipzig und Dresden unabhängig ihrer Trägerschaft für die lizenzfreie Nutzung registrieren, teilte das Kulturamt mit. Es stehe auch im Gespräch mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien darüber, dass der Rechner deutschlandweit verwendet werden könnte.
„Wir begrüßen das vorbildhafte Engagement der Stadtverwaltung, mit der sie die dringend notwendige Entwicklung eines CO₂-Rechners für die Kultur vorantreibt. Das ist ein wichtiger Schritt, damit unsere Kulturinstitutionen und die Freie Szene effektiv ihre eigene CO₂-Bilanz erstellen und daraus klimafreundliche Maßnahmen ableiten können“, freute sich Annette Körner, Stadträtin und kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.
Sie nutzte die Gelegenheit am 15. November noch einmal dazu, sich bei der Verwaltung für die Erledigung dieses Projekts zu bedanken. Der Antrag war ja dadurch hinfällig geworden. Den Rechner gibt es ja schon, sodass Annette Körner den Antrag zurückziehen konnte.
Dankenswerterweise hatte sich die Handwerkskammer Leipzig bereit erklärt, ihren bestehenden CO₂-Rechner mit Namen „E-Tool“ für die Anforderungen im Kulturbetrieb anzupassen. Die Daten bleiben so auf einem Leipziger Server und der Rechner wird für alle, also auch die Freie Szene, kostenfrei zugänglich sein.
Weil auch andere Städte dringend auf ein solches Tool warten, hat sich das Kooperationsprojekt mit der Stadt Dresden ergeben. Unterstützt durch die benannten Partner, wurde der Rechner gemeinsam mit dem DOK Leipzig, der Oper, dem Theater der Jungen Welt und der Gesellschaft für Zeitgenössische Kunst am Bedarf entlang entwickelt.
So wurde ermöglicht, Funktionen zu- und abzuwählen, jeden Prozess zu bilanzieren und den Energieverbrauch nach Bereichen auszuwerten. Workshops und Support waren begleitende Maßnahmen für die Kulturbetriebe.
„Das nun für den Kulturbereich angepasste Webtool hat eine sehr benutzerfreundliche Oberfläche und stellt eine Erleichterung dar“, bestätigte auch Grünen-Stadträtin Anna Kaleri, Mitglied im Kulturausschuss.
Sie hat sich im Theater der Jungen Welt in die Anwendung des Rechners einführen lassen und sagt: „Die Analyse des Status quo, also der Energiebilanz unserer Kultureinrichtungen und der Ermittlung der Hauptemissionsquellen, ist das Eine, weitere Fragen und Zielkonflikte gilt es dann aber zu klären, zum Beispiel zu Ausgleichszahlungen für nicht vermeidbare Emissionen, oder wie man mit denkmalgeschützten Gebäuden umgeht.“
Wozu brauchen Kultureinrichtungen einen CO₂-Rechner?
Das Thema Klimaneutralität bewegt Akteur/-innen der Leipziger Kultur, aber es fehlte ein einfaches Instrument zur Ermittlung des ökologischen Fußabdrucks. Auch bereits im Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand wird deutlich, dass für das Ziel klimaneutraler Veranstaltungen und Einrichtungen ein CO₂-Rechner benötigt wird. Hinzu kommt, dass für Förderanträge immer häufiger eine CO₂-Bilanz erforderlich wird.
Um die zentralen Emissionsquellen einer Einrichtung oder Veranstaltung zu ermitteln, wurde jetzt dieses geeignete Webtool entwickelt. Die eingespeisten Daten wie etwa Strom- und Wärmerechnungen ergeben dann eine CO₂-Bilanz und bilden somit die Treibhausgasemissionen der jeweiligen Kultureinrichtung und deren Hauptemissionsquellen ab.
Hierbei spielen jedoch nicht nur Strom- und Wärmeverbrauch, sondern auch die An- und Abreise von Mitarbeitenden und Publikum eine Rolle.
Laut Aussage der Verwaltung konnte in einem ersten Schritt bereits festgestellt werden, dass die zentralen Emissionsquellen im Bereich Energie, Mobilität und der Nutzung der Klimaanlagen liegen und sich daraus weiterführende Schritte ableiten lassen. So könnte beispielsweise die noch stärkere Bewerbung von ÖPNV-Kombitickets und damit eine noch intensivere Kooperation mit der LVB einerseits ein Ansatzpunkt sein, andererseits natürlich auch die Installation von PV-Anlagen auf den Dächern unserer Kulturbetriebe.
Bisher gab es nur einen CO₂-Rechner mit Lizenz in England oder umständliche Excel-Tabellen. Bestehende CO₂-Rechner aus der Wirtschaft waren hingegen nicht passgenau. Zudem stellt die Vergleichbarkeit der Daten eine Herausforderung dar.
Kultureinrichtungen unterliegen individuellen Bedingungen. So bedeutet es einen Unterschied, ob eine Opernproduktion, ein Konzert, ein Filmfestival, eine Bibliothek oder Ausstellung bilanziert werden sollen.
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