Der Wettbewerb um die „Gaffeeganne“ der Lene-Voigt-Gesellschaft findet ja nun schon seit ein paar Jahren nicht mehr statt – anders als der Kinder- und Jugendwettbewerb um das Gaggaudebbchen. Die Nachwuchsgewinnung hat die Lene-Voigt-Gesellschaft nie aus dem Blick verloren. Nur der Wettbewerb mit den Erwachsenen hatte seine Grenzen: Immer weniger ältere Sachsen sprechen überhaupt noch ein passables Sächsisch. Wie soll da ein Wettbewerb entstehen? Die Gesellschaft feiert trotzdem.

Vor nunmehr 25 Jahren erblickte der Rezitationswettbewerb der Lene-Voigt-Gesellschaft e.V. „De Gaffeeganne“ das Licht der Bühnen in Leipzig. Und Rezitationswettbewerb hieß eben nicht, irgendwas zu rezitieren, sondern ausschließlich die Texte der Leipziger Dichterin Lene Voigt (1891–1962).

Man möchte sie kaum eine Mundartdichterin nennen, obwohl sie genau damit berühmt geworden ist, dass sie es wie kein anderer und keine andere geschafft hat, die Leipziger Spielart des Sächsischen in literarische Kostbarkeiten zu verwandeln. Egal, ob sie die Kalamitäten des Alltags aufs Korn nahm oder aus den „Glassiggern“ herausholte, wovon selbst Goethe und Schiller nie vermutet hätten, dass es in ihren Texten stecken könnte.

Mundart unter Druck

Aber Lene Voigt hatte ja bekanntlich mehrfach Pech – nicht nur mit ihrem Liebsten, der ein Vagabund war. Sondern eben auch mit den Zeitläufen und einem kulturfeindlichen Gauleiter in Dresden, der gleich mal die ganze sächsische Mundart verboten haben wollte, die Bücher der Lene Voigt sowieso. Was der sowieso auf ihre Veröffentlichungsmöglichkeiten angewiesenen Dichterin aus Leipzig dann im Grunde die Einkommensgrundlage entzog.

Und dann kam die DDR-Zeit, in der die Bücher der Lene Voigt ebenfalls nicht gedruckt wurden, bis dann der unentwegte Wolfgang U. Schütte mit Veröffentlichungen daran ging, der beherzten Autorin wieder einen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung zu schaffen. Leipziger Kabaretts nahmen die Texte der Dichterin in ihre Programme auf. Und am Ende war Schütte auch mit dabei, als dann die Lene-Voigt-Gesellschaft aus der Taufe gehoben wurde, die neben der Pflege von Voigts Werk auch eine weitere Aufgabe auf ihre Schultern lud: die Werbung für die sächsische Mundart.

Die richtig gut, herzhaft und lebendig klingen kann, wenn sie wirklich sprachbegabte Talente auf die Bühne bringen.

Was freilich schon seit Jahrzehnten ein deutliches Handicap hat. Die Verhunzung des Sächsischen im deutschen Fernsehen als Sprachkarikatur der DDR und bis heute des Ostens hat Wirkung gezeigt im Meinungsbild der Deutschen: Sie halten das Sächsische bis heute für den unbeliebtesten Dialekt, obwohl ihn die Meisten nur aus den üblichen Fernseh-Verhunzungen von Nicht-Sachsen kennen. Aber das färbt auch ab.

Denn wenn man mit einem sächsisch gefärbten Idiom immer wieder Erlebnisse der Ausgrenzung erlebt, beginnt man auch, lieber auf den Heimatdialekt zu verzichten. Was viele Sachsen nach 1989 getan haben. Selbst in Ländern, deren Dialekt sie noch als viel unangenehmer empfinden – ganz besonders Bayern und Baden-Württemberg.

Mit dem Ergebnis, dass es kaum noch selbstverständliche Muttersprachler gibt und Wissenschaftler das Sächsische längst am Aussterben sehen.

25 Jahre trotzdem feiern

Aber das beirrt die Lene-Voigt-Gesellschaft e.V. nicht, die seit 25 Jahren für Lene Voigt und ihr bezauberndes Leipziger Sächsisch wirbt. Getragen wird die Gesellschaft von ihren Mitgliedern und Mitstreitern und kümmert sich um eine intensive Erforschung von Leben und Werk der bekannten Leipziger Dichterin. Zahlreiche Publikationen, Veranstaltungen und Programme sind seit Jahrzehnten Beleg für die ehrenamtliche Tätigkeit. Nur die wirklich fundierte Lene-Voigt-Biografie fehlt bis heute. Während viel Kraft allein schon in die Suche nach immer neuen Lene-Voigt-Texten in deutschsprachigen Zeitungen der 1920er Jahre geflossen ist.

Und das 25-Jährige der „Gaffeeganne“ soll eben doch gefeiert werden, findet der Vorsitzende Klaus Petermann.

„Grund genug für uns dies zu feiern und die besten Rezitatoren, Texte, Sketche und Episoden auf die Bühne des Kabarett-Theaters Sanftwut zu bringen. Natürlich sind auch wieder alle Lene-Voigt-Interpreten, die sich mit einem Text in Sächsisch oder auch in Hochdeutsch versuchen wollen, herzlich eingeladen. Mit einem bunten Programm bringen wir also ‚unsre Lene‘ auf die Bühne, wollen uns erinnern, aber auch nach vorn blicken“, kündigt er an.

„Ein wunderbares Programm wird es sein, mit Lene-Voigt-Texten in Sächsisch und Hochdeutsch, ohne zwingenden Wettbewerbsgedanken. – Alle wollen wir in diesem Jahr Gewinner sein, eine wunderbare Überraschung ist jedem Teilnehmer natürlich gewiss.“

Anmeldeschluss insbesondere für die Teilnehmer war zwar schon am 5. Oktober. Aber am Sonntag, dem 8. Oktober, freut sich Petermann trotzdem über ein volles Haus im Kabarett-Theater Sanftwut (Mädler-Passage Treppe D, Grimmaische Str. 2–4). Beginn ist 15 Uhr. Der Eintritt ist frei!

Petermann: „Es darf gern gespendet werden!“

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