Auch Leipzigs Hochkultur ist in der Spitze fast komplett männlich. Das ergab jetzt eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat. Anlässlich des diesjährigen Equal Pay Days, der sich unter dem Motto „Die Kunst der gleichen Bezahlung“ dem Gender Pay Gap im Kunst- und Kulturbereich widmete, hatte die Fraktion eine Stadtratsanfrage genau zu diesem Thema gestellt. Aber zu den möglichen Gehaltsunterschieden gab es dann keine Auskunft. Dafür zur Besetzung der Leitungspositionen.

Die unbereinigte Lohnlücke in Deutschland lag im Jahr 2022 bei 18 Prozent – wobei dieselbe Größe in Sachsen zum Zeitpunkt der letzten Datenauswertung 2020 bei 7,6 Prozent liegt, stellen die Grünen fest. Was freilich eher daran liegt, dass das Lohnniveau in Sachsen insgesamt noch immer deutlich unterm Bundesdurchschnitt liegt.

Beim unbereinigten Gender Pay Gap im Bereich „Kunst und Kultur Unterhaltung und Erholung“ kommen Frauen noch schlechter weg, so die Grünen. Hier lag er im letzten Jahr sogar bei 20 Prozent deutschlandweit, verweisen die Grünen auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

Wobei das Problem in den Leipziger Kultureinrichtungen eher nicht die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern ist, wie das Kulturdezernat in seiner Antwort betont: „Bei den städtischen Eigenbetrieben ist die Vergütungsstruktur unabhängig von Geschlecht geregelt durch Tarifverträge; Gagenverhandlung im NV Bühne und bei Gastverträgen. Zudem erfolgen jährliche Abfragen der Frauenförderstatistik, innerbetrieblich gibt es keine Geheimhaltungsklauseln in Arbeits- oder Honorarverträgen; Vergütungsstruktur basiert rein auf Leistung, Betriebszugehörigkeit und Verhandlungen.“

Die Antwort des Kulturdezernats auf die Anfrage „Geschlechtergerechtigkeit in der Leipziger Kulturlandschaft“.

An der Parität hapert es noch

Doch an anderer Stelle sieht die Grünen-Stadträtin Anna Kaleri, die auch Mitglied des Kulturausschusses des Stadtrates ist, eine auffällige Diskrepanz: „Die Antwort auf unsere Anfrage zeigt, wie weit die städtischen Kulturinstitutionen noch von paritätischer Besetzung entfernt sind. So sind auf der ersten Leitungsebene aller kommunalen Kulturbetriebe noch immer 13 von 15 Stellen von Männern besetzt. Das ist eine Katastrophe. Auch auf der zweiten Ebene ist Nachholbedarf, hier liegt der Frauenanteil bei 38 %, in der dritten Ebene bei 40 %. In einer progressiven Stadt sollte sich die fortschrittliche Haltung auch in den Kulturinstitutionen ausdrücken.

Insofern erwarten wir bei künftigen Stellenbesetzungen, dass der nach wie vor fehlenden Geschlechtergerechtigkeit in den Leitungsebenen aktiv mit dem klaren Bekenntnis zu einer paritätischen Besetzung entgegengewirkt wird.“

Aber die Grünen waren auch auf einen anderen Aspekt neugierig. Wie sind eigentlich Künstlerinnen in den Programmen der großen Häuser vertreten? Und wie tauchen ihre Arbeiten eigentlich in den Sammlungsbeständen der Leipziger Museen auf?

Auch Kunst war jahrhundertelang „männlich“

„Im Museum der Bildenden Künste ist aus der Sammlungsgeschichte und dem historisch-gesellschaftlichen Kontext heraus nachvollziehbar, dass der Anteil weiblich gelesener Positionen noch sehr gering ist. Unter der jetzigen Leitung nimmt das Museum in seinen Sonderausstellungen eine insgesamt positive Richtung“, meint Annette Körner, Stadträtin und kulturpolitische Sprecherin der Fraktion.

Wobei die Antwort des Museums der bildenden Künste sogar in Zahlen zeigt, wie die Aufmerksamkeit für weibliches Kunstschaffen über die letzten Jahrhunderte erst langsam wuchs: „Aktuell beträgt der Anteil an Künstlerinnen in der permanenten Ausstellung unter 1 % im 15.-19. Jahrhundert, ca. 11 % in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, ca. 18. % in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie ca. 45 % im 21. Jahrhundert. Hinzukommt, dass die meisten Kunstwerke aus einem spezifisch männlichen Blick heraus geschaffen wurden, was zur Folge hat, dass die Geschlechterrollen häufig nicht gleichberechtigt oder hinreichend divers dargestellt werden.

Auch ist das MdbK als Institution durch männliche (weiße), heteronormative Strukturen geprägt. Dies hat über die Jahrzehnte in der Ausstellungs- und Ankaufpolitik zu strukturellen Überrepräsentationen geführt.“

Das löst man nicht einfach durch eine veränderte Ankaufpolitik auf.

Anderswo hat eine Kultureinrichtung deutlich mehr Einfluss – nämlich wenn es um den Einsatz von lebendigen Künstlerinnen gibt. Wobei es der Oper Leipzig gelingt, sogar ein relativ ausgewogenes Verhältnis herzustellen. So kamen in den letzten fünf Jahren auf den Einsatz von 72 Solisten immerhin auch 68 Solistinnen. In der Musikalischen Komödie ist das Verhältnis 50 zu 40, während das Gewandhaus bei Solistenauftritten nur auf ein Verhältnis von 119 zu 64 kommt. Da ist also noch etwas ausbaufähig.

Dass Bühnenkünstlerinnen auch mehr Unterstützung brauchen, dessen ist sich der gleichstellungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Martin Biederstedt, sicher: „Im Bereich unterstützender Maßnahmen muss nachgeholt werden. Weitgehend fehlende Kinderbetreuungsangebote für die Abendstunden führen dazu, dass sich Bühnenkünstlerinnen zwischen Beruf und Elternschaft entscheiden müssen. Der Anteil von Dirigentinnen in Oper und Gewandhaus ist erschreckend niedrig. Es fragt sich, wie auf diese Weise die Berufschancen für Frauen erhöht und Sehgewohnheiten geändert werden können.“

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