Sachsens Clubs und Livespielstätten sind seit über einem Monat wieder dicht. Mit Inkrafttreten der Coronaschutzverordnung vom 8. November 2021 (und denen danach) war klar: Ab jetzt bleiben die Tanzflächen leer. Einen Betrieb mit Abstand und Maskenpflicht stellte die hiesige Clubszene einem „Todesstoß“ gleich.
„Das Publikum ist in der Regel nicht bereit, unter diesen Bedingungen Konzert- oder Tanzveranstaltungen zu besuchen, zumal die Durchsetzung von Abstands- und Maskenpflicht eine Unzumutbarkeit für das ohnehin in andere Branchen abwandernde Personal darstellt“, schrieb die Liveinitiative Sachsen (LiSa) im Vorfeld zum Beschluss der Verordnung.Die LiSa vereint den Club-Zusammenschluss „Livekommbinat Leipzig“ sowie die Netzwerke aus den anderen großen sächsischen Städten, das „Clubnetz Dresden“ und „Hand in Hand“ aus Chemnitz unter sich. Umgestimmt haben diese Sorgen die Entscheidungsträger/-innen allerdings nicht.
Ende November reichten nun stellvertretend die Distillery Leipzig und das objekt klein a Dresden, beide ebenfalls Mitglieder der Liveinitiative, eine Klage im Eilverfahren an das Oberverwaltungsgericht Bautzen ein. „Wir wollen schwarz auf weiß den Beweis haben, ob die Schließung der Clubs überhaupt geeignet ist, um die Pandemie nachhaltig zu beeinflussen“, erklärt Steffen Kache, Chef der Distillery und Mitglied im Livekommbinat Leipzig.
Wie soll es weitergehen?
Schon im September hatten Betreiber/-innen von Clubs und Livespielstätten Konzeptvorschläge für Innenveranstaltungen vorgelegt und plädierten für ein 3G-Modell mit PCR-Tests oder aber die Durchführung von Veranstaltungen unter 2G. Vor allem aber ging es auch darum, Verständnis zu generieren.
„Das Wesen von Tanzveranstaltungen in Innenräumen von Livemusikspielstätten und Clubs […] scheint die Landesregierung bis heute im Kern nicht verstanden zu haben. Denn eine dortige Maskenpflicht ist seitens des Personals schlichtweg nicht umsetzbar und aus Sicht des Publikums derart ungewünscht, dass deren bloße Ankündigung ein rentables Wirtschaften verunmöglicht“, erklärte die LiSa im Herbst.
„Wir hetzen momentan von einem Krisenstab zum nächsten und versuchen, Lösungen zu finden und der Politik klarzumachen, dass wir nicht bis Ende März oder sogar Ende Mai nächsten Jahres die Schotten dichtmachen können“, beschreibt Kache die Lage.
Auch den Mitgliedern der Initiative sei klar, dass man in der derzeitigen Situation in Sachsen nicht auf eine Öffnung auf Gedeih und Verderb drängen sollte, dennoch sei es wichtig, Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen.
„Ab dem Moment, ab dem die Booster-Impfungen durch sind und die Personen geschützt sind, die sich schützen lassen können und wollen, fordern wir zumindest die Öffnung mit 2G+Modell. Und Öffnung bedeutet: ohne Abstand und ohne Maske. Das wird hoffentlich im Januar der Fall sein.“
Im Anschluss an den neuerlichen Kulturlockdown brauche es daher endlich eine differenzierte Risikobewertung. Sichere Räume seien durch die konsequente Umsetzung von 2G+ möglich, ist sich die LiSa sicher: „Gerne mit höchsten Anforderungen an entsprechende Schnelltests.“ Weiterhin müssten die Betriebe für die Zeit des unvermeidbaren Lockdowns entschädigt werden.
„Das bedeutet mindestens die Verlängerung der Antragsfrist des Soforthilfe-Zuschuss-Programmes ‚Härtefälle Kultur‘. Sinnvoll wäre auch, wenn sich der Freistaat beim Bund um eine Verlängerung des Maßnahmenzeitraumes für das ‚Förderprogramm für kleinere und mittlere Musikbühnen‘ bei der Initiative Musik bemüht.“
Verlagerung des Geschehens
Wie man in dieser Zeit und mit der derzeitigen Notlage in den Kliniken ans Tanzen denken kann, mag sich sicher manch einer fragen. Andererseits ist die Branche seit Beginn der Pandemie fast nahtlos aus den Angeln gehoben, ein normaler und rentabler Betrieb seit nahezu zwei Jahren nicht möglich.
„Die vorgesehenen Änderungen […] werden zudem ihre Wirkung vollkommen verfehlen. Zum einen ist durch die Maßnahme kein Rückgang der Infektionszahlen zu erwarten. Abzusehen ist hingegen die erneute Verlagerung des Geschehens in den privaten und somit gänzlich unreglementierten Raum, was die Infektionen eher anheizen als bremsen wird“, so die LiSa.
Die Initiative argumentiert außerdem, dass die Regelungen vor allem geimpfte Personen „über die Maßen“ belasten würde, von denen viele sich auch mit der Aussicht auf ein normales Kulturleben mit 2G-Optionsmodell für die Impfung entschieden hätten. Es gäbe mehr Lösungen als einen Lockdown, bekräftigt Kache.
Zumal eine erfolgreiche Reduzierung der Infektionszahlen keine Sicherheit für die Zukunft der Kulturbetriebe bedeutet. Felix Buchta, Mitglied der LiSa, beschreibt das Dilemma: „[Wir hoffen] sehr, dass sich die Lage mit dem Gesamtpaket an Maßnahmen nachhaltig beruhigen lässt. Doch was, wenn die Zahlen nach Wochen nicht gesunken sind? Wird dann die Staatsregierung verzweifelt an einer Schließung von Clubs als vermeintliche Hotspots festhalten, notfalls mit der erneuten Auferlegung von Masken- und Abstandspflicht? Und was, wenn die Zahlen gesunken sind? Interpretiert die Staatsregierung ihre Maßnahmen dann pauschal als Erfolg und hält ebenso an der Schließung fest?“
Es ginge jetzt vor allem auch darum, Vertrauen zurückzugewinnen, welches durch falsche Versprechungen in den vergangenen Monaten verspielt wurde. Kache verweist auch auf die mangelhafte Durchsetzung der bisher geltenden Maßnahmen. Vielerorts, in Restaurants, öffentlichen Verkehrsmitteln etc., würden die Kontrollen nach 2G, 3G und Vollständigkeit der Daten nicht gründlich genug durchgeführt – oftmals ist fehlendes Personal der Grund für die Versäumnisse.
Durchaus ist zu vermuten, dass die Kontrollen an den Clubtüren strenger sind, als an so manch anderen Orten. Der Blick auf den Ausweis der Gäste gehört für das Security-Personal schließlich nicht erst seit Corona und der Zeit der Impf- und Genesungszertifikate zum alltäglichen Geschäft. „Unsere Meinung aber ist: Bevor man Maßnahmen verschärft, müssten die alten zunächst einmal richtig umgesetzt werden.“
„„Öffnung bedeutet: ohne Abstand und ohne Maske“ – Sachsens Club- und Livemusikkultur wird einen weiteren Lockdown nicht überstehen“ erschien erstmals am 17. Dezember 2021 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 97 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.
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