Es ist schon der 21. Historische Kalender, den die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM) und das Stadtgeschichtliche Museum am Donnerstag, 2. September am fröhlich plätschernden Mendebrunnen vorstellen konnten. Er hat sich zum beliebtesten Leipziger Kalender entwickelt. Und was noch vor einigen Jahren befürchtet wurde, hat sich nicht bewahrheitet: Dem Stadtgeschichtlichen Museum gehen die Motive für den Kalender ganz und gar nicht aus. Deshalb gibt es diesmal auch zwei Neuerungen.

Es gibt einen neuen Fotografen und eine neue Epoche im Bild. Denn natürlich hat die seit einem Jahr von Friederike Degner betreute Fotothek des Stadtgeschichtlichen Museums, aus der die jährliche Bildauswahl stammt, ihre Grenzen. Rein technische Grenzen. Denn die eindrucksvollen Aufnahmen, mit denen die vergangenen 20 Kalender bestückt wurden, stammen fast alle aus der Zeit zwischen 1890 und 1930 und sie wurden sämtlich auf Glasplatten aufgenommen.Solche professionellen Aufnahmen aber fertigten fast nur die berühmten Fotoateliers an, deren Bestände – wie beim Fotoatelier Hermann Walter – das Stadtgeschichtliche Museum übernommen hat.

Entsprechend begrenzt ist die Zahl der Motive. Mit den langen Belichtungszeiten konnten im Freien fast nur Architekturaufnahmen gemacht werden. Erst in den 1930er Jahren wurde das Fotografieren deutlich leichter und es traten auch neue Fotografen und Fotografinnen in Aktion, die jetzt auch die Leipziger selbst in den Bildern in Aktion zeigten.

Das hat auch die Folge, dass die Nachkriegszeit in Leipzig durch mehrere begabte Fotograf/-innen dokumentiert wurde. Manche findet man inzwischen in professionellen Fotobänden vertreten. Andere haben ihr Archiv dem Stadtgeschichtlichen Museum überlassen, wohl wissend, wie wertvoll die fotografierte Stadtgeschichte für die Arbeit des Museums ist.

Und das ermöglichte nun auch erstmals, einen solchen Kalender mit Motiven aus den (späten) 1940er und den 1950er Jahren zu bestücken, als in Leipzig – wie LTM-Geschäftsführer Volker Bremer sagt – „Aufbruch- und Aufbaustimmung im wahrsten Sinne des Wortes“ zu erleben war.

Denn es stimmt ja: Die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg waren eine bewegte Zeit in Leipzig. Alliierte Luftangriffe hatten vor allem Teile der Innenstadt, des Graphischen Viertels und der Südvorstadt zerstört. Bis Ende der 1940er Jahre wurde die Stadt von den Kriegstrümmern beräumt, Gebäude instand gesetzt und teilweise umgenutzt. So wurde zum Beispiel das frühere Gesellschaftshaus am Zoo zum kulturellem Zentrum, das Großkeglerheim in der Elsterstraße zum Hotel (heute „Haus Leipzig“).

Mit Beginn der 1950er Jahre entstand eine Vielzahl von Neubauten. Der Wohnungsbau hatte große Bedeutung und entwickelte sich von der traditionellen hin zur industriellen Bauweise. Beispiele dafür sind einerseits die denkmalgeschützte Ringbebauung entlang des Innenstadtrings mit dem legendären Ring-Café und andererseits die neuen Wohnhäuser in der Südvorstadt. Bemerkenswerte gesellschaftliche Bauten wie die Institutsgebäude im Medizinischen Viertel oder das Opernhaus am damaligen Karl-Marx-Platz (heute Augustusplatz) entstanden ebenfalls in diesen Jahren.

Neben den seit 1946 wieder zweimal im Jahr stattfindenden Leipziger Messen wurde auch das kulturelle Leben neu belebt. Einen besonderen Höhepunkt im Kulturleben stellte das Bachfest im Jahr 1950 dar. Zu den gern besuchten Ausflugszielen dieser Jahre gehörten das Elsterflutbecken im Clara-Zetkin-Park oder die Pferderennbahn im Scheibenholz, zu der an manchen Sonntagen halb Leipzig strömte.

Und fotografiert hat all das der Fotografieprofessor Johannes Widmann.

Er wurde 1904 in München geboren und lehrte ab 1947 als Professor für Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. 1960 verließ er die DDR und starb 1992 in München. Widmann dokumentierte mit seiner Kamera die Umbruchjahre Leipzigs nach dem Zweiten Weltkrieg, die von Zerstörung, Wiederaufbau und einer hoffnungsvollen Aufbruchsstimmung geprägt waren.

In einer klaren Bildsprache zeigt er den architektonischen Wandel, oft mit einem ganz besonderen Blick für Details. Und er hielt die Menschen einer lebendigen und sich verändernden Großstadt fest. Zwischen 1945 und 1960 entstanden so rund 1.500 Aufnahmen, die sich heute im Bestand des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig befinden.

„Sehr viel Leipziger Kolorit ist da drin“, sagt Anselm Hartinger, Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums. Und besonders stolz ist er auf das Titelbild – nicht wegen des darauf abgebildeten, damals modernen Automobils, sondern wegen des eingerüsteten Alten Rathauses im Hintergrund, das 1945 das erste Gebäude in der Leipziger Innenstadt war, das nach den Bombenschäden wieder aufgebaut wurde. Ein hochsymbolischer Vorgang.

Schon im Dezember 1945 konnte es wieder eröffnet werden und stand so am Anfang einer eindrucksvollen Wiederaufbaugeschichte, die im Kalender ja auch mit dem Neubau der Oper, der Wiederherstellung der Kongresshalle (wo ja bald das Gewandhausorchester unterkommen sollte), aber auch der Sicherung des Gewandhauses im Musikviertel zu finden ist. Erst 1968 – faktisch parallel zur Paulinerkirche und zum Augusteum der Universität – wurde auch die Ruine des alten Gewandhauses gesprengt.

Der Historische Kalender 2022 „Leipzig in den 1940er und 50er Jahren“ wird von der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH in Zusammenarbeit mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig in einer limitierten Auflage von 2.000 Exemplaren herausgegeben. 13 spannende Aufnahmen von Johannes Widmann bieten einen Blick in diese bewegten Jahre.

Zu jedem Bild vermitteln Kurzbeschreibungen wissenswerte Hintergründe. Der Kalender erscheint im Hochformat 40 x 50 cm und ist seit seinem erstmaligen Erscheinen im Jahr 2002 ein begehrtes Sammlerstück. Interessenten erhalten ihn für 19 Euro in der Tourist-Information (Katharinenstraße 8, 04109 Leipzig), im Buchhandel sowie in vielen Leipziger KONSUM-Filialen.

Der Kalender ist u.a. in diesen Buchhandlungen erhältlich:

Buchhandlung Bücherwurm, Gohliser Straße 20
Buchhandlung Grümmer, Zschochersche Straße 18
Buchhandlung Hugendubel, Paunsdorf Center
Buchhandlung Südvorstadt, Karl-Liebknecht-Straße 126
Buchmeile im Moritzhof, Zwickauer Straße 127
Ludwig Presse & Buch, PROMENADEN Hauptbahnhof
Thalia, Karl-Liebknecht-Straße 8–14

Kalender: Format 40 x 50 cm, Preis: 19 Euro, ISBN: 978 3 946933069, Herausgeber: Leipzig Tourismus und Marketing GmbH

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