Es ist die wohl berühmteste Fußwanderung der Welt, die der Leipziger Johann Gottfried Seume da 1801 startete. Oder war es doch 1802, wo er doch in seinem Vorwort von 1803 vom „vorigen Jahr“ spricht? Tatsächlich startete er von Grimma aus im Dezember 1801 und legte über 6.000 Kilometer nach Syrakus und zurück zu Fuß zurück – in einem Paar Stiefel, das bis zum Ende der Reise hielt. Sein Dank an den Leipziger Schumacher, der sie anfertigte, ist legendär.

Er steht am Ende seines Reiseberichts: „Morgen gehe ich nach Grimme und Hohenstädt, und da will ich ausruhen trotz Epikurs Göttern. Mir deucht, daß ich nun einige Wochen ehrlich lungern kann. Wer in neun Monaten meistens zu Fuße eine solche Wanderung macht, schützt sich noch einige Jahre vor dem Podagra. Zum Lobe meines Schuhmachers, des mannhaften alten Heerdegen in Leipzig, muß ich Dir noch sagen, daß ich in den nämlichen Stiefeln ausgegangen und zurückgekommen bin, ohne neue Schuhe ansetzen zu lassen, und daß diese noch das Ansehen haben, in baulichem Wesen noch eine solche Wanderung mitzumachen.“Vom „alten Heerdegen“ sind zumindest aus dem Leipziger Adress-, Post- und Reise-Kalender von 1802 noch die Initialen zu erfahren: J. P. Heerdegen. Seine Werkstatt hatte er genau da, wo man sie in einer alten Stadt erwarten würde: im Schustergässchen, der heutigen Schumachergasse. Im Hausverzeichnis der Stadt hatte sein Haus die Nr. 604, das Grundstück ist heute Teil von Specks Hof.

Aber Seumes „Spaziergang nach Syrakus“ ist ja nicht nur berühmt geworden, weil er die ganze Strecke zu Fuß zurücklegte, sondern weil er seine Beobachtungen von unterwegs mit gesellschaftskritischen Kommentaren spickte.

Schon im Vorwort findet sich der Satz: „Man findet es vielleicht sonderbar, daß ein Mann, der zwei Mal gegen die Freiheit zu Felde zog, einen solchen Ton führt. Die Enträtselung wäre nicht schwer. Das Schicksal hat mich gestoßen. Ich bin nicht hartnäckig genug, meine eigene Meinung stürmisch gegen Millionen durchsetzen zu wollen: aber ich habe Selbstständigkeit genug, sie vor Millionen und ihren Ersten und Letzten nicht zu verleugnen.“

Das „ zwei Mal gegen die Freiheit zu Felde“ bezieht sich auf seine zweimalige Zwangsrekrutierung für die Armeen wildfremder Herren, die entsprechend beißende Kritik in seinem Reisebuch bekommen. Wer das Buch aufmerksam liest, merkt erst, wie modern dieser Seume ist und wie seine Beschreibung der Mitmenschen auch in die heutigen Zeiten passt.

„Ich habe mich in meinem Leben nie erniedriget, um etwas zu bitten, das ich nicht verdient hatte; und ich will auch nicht einmal immer bitten, was ich verdiente.“ Da überlege jeder selbst, ob er es wie Seume gehalten hat oder doch um eine Beförderung gebettelt hat, wo ihn dann das legendäre Peter-Prinzip einholte.

Aber zumindest bei den Leipziger Autor/-innen und Künstler/-innen ist dieser Seume nicht vergessen. Mit mehreren Veranstaltungen erinnern sie jetzt an diesen berühmten Spaziergang vor 220 Jahren.

Die Veranstaltungen

10. September, 19 Uhr im Göschenhaus in Grimma: „Lesezeit im Göschenhaus“, Veranstaltungsreihe zum 220. Jahrestag des Beginns von Johann Gottfried Seumes „Spaziergang nach Syrakus“

Johann Gottfried Seume (1763-1810) und Patrick Leigh Fermor (1915–2011) – Zwei Wanderer in Europa. Eine Veranstaltung mit Jörg Jacob und Elmar Schenkel
Moderation Jörg Jacob.

11. September, 11 Uhr: „Gehen und Hören: Ein literarisch-musikalischer Spaziergang“, mit Jörg Jacob (Texte) & Maria Schüritz (Gitarre)

Start am Haus des Buches (Eingang) Gerichtsweg 28

12. September, 11 Uhr: „Gehen und Hören: Ein literarisch-musikalischer Spaziergang“ mit Jörg Jacob (Texte) & Maria Schüritz (Gitarre)

Mariannenpark (Rosengarten, an der Rohrteichstraße)

14. September, 19.30 Uhr: „Auf San Borondón“, Manuskriptlesung mit Jörg Jacob im Haus des Buches Leipzig (Literaturcafé). Moderation: Elmar Schenkel

Schauplatz einer neuen Erzählung des Leipziger Autors Jörg Jacob ist die mythische Insel San Brondón. Auf der mysteriösen achten Insel der Kanarengruppe sollen – laut dem britischen Naturforscher Edward Harvey – u. a. die erstaunlichsten Tiere leben, genannt seien der eidechsenähnliche „Draco Telli“ und der Flugsaurier „Regina Raptoris“. Hier treffen in Jacobs Erzählung die beiden Freunde Alder und Jablonski aufeinander und erleben diverse Abenteuer. Was als Komödie beginnt, entwickelt sich zu einer Auseinandersetzung von existentieller Bedrohung.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar