Nicht nur Gohlis feiert in diesem Jahr ein großes rundes Jubiläum. Großzschocher kann sogar das 800. Jahr der Ersterwähnung feiern – samt 800-jährigem Kirchweihfest, denn es war die Kirche, die 1217 erwähnt wurde, als sie dem Leipziger Thomaskloster zur Morgengabe gemacht wurde. Und deshalb gibt’s dieses Jahr nicht nur einen neuen Kalender für Großzschocher, sondern auch eine Zeitreise, für die sich der Ausflug nach Südosten lohnt.
Der Kalender gehört schon fast als Tradition zum Sommer in Großzschocher. Seit 14 Jahren entwirft ihn Werner Franke mit dem Bildmaterial, das er im Lauf der Zeit im „Heimatblick“” gesammelt hat, dem kleinen, ganz privaten Ortsteilmuseum für Großzschocher, das fast ebenso lange auch Treffpunkt der Interessengemeinschaft ist, die die große, bilderreiche „Chronik Großzschocher-Windorf“ auf die Beine gestellt hat – einbändig geplant. Geworden sind es fünf Bände, die bei den Käufern erstaunlichen Anklang fanden. Plus einem Ortstbildband in Farbe und ein großes Ansichtskartenbuch und ein Ortsteil-Lexikon …
Sie treffen sich immer noch. Denn die gemeinsame Erforschung der Ortsteilgeschichte hat zusammengeschweißt. Und eigentlich können sie auch nicht tatenlos herumsitzen. Werner Franke schon gar nicht. Dazu liegt ihm sein Ortsteil zu sehr am Herzen. Deswegen lädt er auch Politiker gern ein, die Sammlung einmal zu besuchen, die für Leipzig in dieser Art einmalig ist. Er will nicht nur für sich sammeln.
Er will auch zeigen, wie bunt die Geschichte des etwas abgelegeneren Ortsteils ist. Deswegen versucht er auch jedes Jahr, einen Motiv-Kalender zusammenzustellen. Auch wenn das Schönste alles schon gezeigt wurde.
Was tun? Für 2018 gibt es mal etwas, was Großzschocher so tatsächlich noch nicht hatte: einen Früher-Heute-Kalender.
13 bekannte Bauwerke, die sich mit Aufnahmen aus der Zeit vor 80 bis 100 Jahren erhalten haben, hat Werner Franke diesmal nicht nur in den Kalender aufgenommen – auch wenn das vielen, die den Ortsteil lieben, vielleicht sogar schon völlig gereicht hätte – er ist sogar extra noch einmal losgezogen und hat alle abgebildeten Orte noch einmal vom selben Standpunkt des damaligen Fotografen aufgenommen.
Manchmal ist es ein glücklicher Moment, so wie im März, wenn das abgebildete Gebäude die 100 Jahre überlebt hat. Hier ist es das Körnerhaus, das in emsiger freiwilliger Arbeit saniert und wieder erlebbar gemacht wurde – der nach der Kirche wohl historischste Ort in Großzschocher. Das alljährliche Körnerhausfest lockt jedes Jahr Geschichtsbegeisterte nach Großzschocher. Den nächsten Termin kann man sich gleich merken. Denn am 9. September lädt der Bürger- und Förderverein Körnerhaus Großzschocher e.V. zum mittlerweile 21. Körnerhausfest ein.
Was auch wieder mit Werner Franke zu tun hat. Denn er nutzt die Gelegenheit, um im Körnerhaus eine kleine Ausstellung mit Bildern von Ortsbildmalern aus Großzschocher zu zeigen. Wer die diversen Chronik-Bände gelesen hat, kennt einige dieser Maler schon, die sich in Großzschocher wohlfühlten, weil sich hier das Dörfliche mit dem Städtischen verbindet, das Moderne mit der nahen Elsterlandschaft.
Und wer den 9. September verpasst, kann sich am 10. September nach Großzschocher verlaufen. Dann ist „Tag des offenen Denkmals“ und auch in Großzschocher öffnen historische Kleinode – so wie die Apostelkirche, das Geburtstagskind. Dort zeigt Werner Franke in der Patronatsloge schon seit einigen Wochen eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Kirche. Man kann sie während der Gottesdienste besuchen. Oder dann am 10. September. Zum letzten Mal übrigens. Was eine doppelte Gelegenheit ist – nicht nur um Spannendes aus der Zschocherschen Kirchengeschichte zu erfahren (über Patronatsfamilien und berühmte Pfarrer zum Beispiel), sondern auch die Loge der Herrschaft einmal von innen zu bestaunen. Wann kann man das schon einmal? So viele (Dorf-)Kirchen, die ihre alten Patronatslogen erhalten haben, gibt es in Leipzig nicht.
Und nicht nur dafür lohnt sich am 10. September die Fahrt nach Großzschocher. Denn um 16 Uhr hält Werner Franke in der Apostelkirche noch einmal seinen aufwendig gestalteten Vortrag „800 Jahre Großzschocher“. Als der im April zum ersten Mal stattfand, platzte die Kirche aus allen Nähten. Es mussten noch extra Stühle hereingeholt werden. Das Interesse für Ortsteilgeschichte ist ungebrochen. Drei Jahre hat Werner Franke mit Helmut Bayer an diesem Vortrag gearbeitet. Denn er sollte unbedingt der Höhepunkt zum 800. werden – eine Bilderflut mit jeder Menge Geschichte. Er hätte noch viel länger werden können. Die beiden haben den Vortrag auf zwei Stunden eingedampft, mit eingebauten Filmclips und Musik von Ingolf Bauer, der mit seinem „Windorfer Abend“ dieser Leipziger Ecke jahrelang treu war. Und der Bogen spannt sich im Grunde von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Archäologische Funde bestätigen die lange Siedlungsgeschichte.
Blättert man vom März auf den April, glaubt man beinah, eine steinzeitliche Fundstelle im Bild zu sehen. Aber tatsächlich ist Werner Franke da nur ein paar Schritte weiter gegangen und hat den Schutthaufen fotografiert, unter dem die Reste des einstigen Schlosses begraben liegen, das im 2. Weltkrieg zerstört wurde. Es ist nicht das einzige Kalenderblatt, das zeigt, dass die vergangenen 100 Jahre auch Verluste im Ortsbild von Großzschocher mit sich gebracht haben. Manche Lücke klafft noch heute.
Aber – das zeigt der Vortrag – es wird auch wieder emsig gebaut. Auch Großzschocher ist mit eingetreten in den Leipziger Wachstumsprozess.
Den Vortrag „800 Jahre Großzschocher“ kann man in der Apostelkirche Großzschocher am Sonntag, 10. September, um 16 Uhr erleben.
Den Kalender „Großzschocher gestern und heute“ bekommt man für 9 Euro in einschlägigen Geschäften in Großzschocher oder direkt in der „Herberge zur Alten Bäckerei“, wo man auch das kleine Ortsteilmuseum „Heimatblick“ findet.
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