Am Freitag, 24. Juni, feiern Leipzigs Hochschulen und Forschungseinrichtungen die nächste Lange Nacht der Wissenschaften. Da öffnen dann wieder mehr als 70 Einrichtungen ihre Türen für 318 Veranstaltungen und laden alle Leipziger ein zum Besuch. Und das Besondere im Jahr 2016: Diesmal ist Gottfried Wilhelm Leibniz höchstpersönlich dabei. Das Wunderkind, das die Leipziger Uni seinerzeit nicht haben wollte.
Wie hätten sie es auch ahnen können, die ehrwürdigen Professoren der Alma Mater Lipsiensis, dass gerade dieser Bursche … Natürlich konnten sie es ahnen, wahrscheinlich wussten sie es alle, denn der Jurist und Professor für Moralphilosophie Friedrich Leibnütz war ihr Kollege gewesen. Deswegen wurde der kleine Gottfried ja auch 1646 im Roten Kolleg der Universität geboren. Nur erlebte der Vater nicht mit, was für einen rasanten Lernprozess das Kind hinlegte. Gerade 55 Jahre alt war Vater Leibnütz, als er 1652 starb, der Sohn war gerade sechs Jahre alt. Mit acht Jahren lernte der kleine Gottfried autodidaktisch Latein und Griechisch und bediente sich freizügig in Vaters großer Bibliothek.
Mutmaßen darf man, dass ihm seine Mutter Catharina dabei behilflich war. Die war ja selbst aus einer Leipziger Gelehrtenfamilie, Tochter des Leipziger Professors und Rechtswissenschaftlers Wilhelm Schmuck. Sind es nicht die Mütter, die ihren Kindern Mut machen zum Lernen und Selberdenken? Im Fall Leibniz war das wohl so. Mit 14 beendete der Knabe seine Zeit an der (Alten) Nikolaischule und wechselte an die Universität, studierte Jura und Philosophie, später in Jena auch noch Mathematik, Physik und Astronomie. Als er sich 1666 (vor 350 Jahren) an der Universität zum Doktor der Rechte promovieren lassen wollte, lehnte es das ehrwürdige Kollegium ab. Der wichtigste Grund, der seinerzeit an der Uni sehr streng beachtet wurde, war die Anwartschaft älterer Bewerber, denn damals besorgte man sich den Doktortitel nicht einfach im Discounter, wie es einige Titelträger der Gegenwart handhaben. Der Titel war in der Regel mit Amt und Lehrbefugnis verbunden. Genie war kein Grund für diesen titulären Aufstieg in der damaligen Wissenschafts-Hierarchie.
Und so verlor Leipzigs Universität den Mann, der ständig am Denken und Knobeln war und schließlich Höchstleistungen in der Mathematik vollbrachte, das duale Zahlensystem entwickelte, eine Rechenmaschine entwarf, die alle vier Grundrechenarten beherrschte, aber auch als Philosoph Furore machte und letztlich als herzoglicher Bibliothekar in Hannover landete, wo er am 17. November 1716 dann auch starb. Weswegen ja in diesem Jahr Leibniz-Jahr gefeiert wird.
Und Leipzig feiert diesen Universalkopf natürlich auch. Einer der Termine, mit denen das geschieht, ist der 24. Juni. Das beginnt nicht erst um 18 Uhr, wenn die Veranstaltungen zur Langen Nacht der Wissenschaften anheben. Denn schon vorher – um 16 Uhr – wird die Lange Nacht der Wissenschaften im Uni-Campus eröffnet. Unter freiem Himmel mit großer Kaffeetafel, Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka und OBM Burkhard Jung. Und einer hat auch zugesagt, dass er mitfeiert: Gottfried Wilhelm Leibniz.
In diese Rolle ist Roland Keil vom Theater aus dem Hut geschlüpft und hat den Journalisten zur Auftaktpressekonferenz schon mal gezeigt, wie ein prächtiger Professor mit Allongeperücke aussieht. Damit füllt er ganz augenscheinlich eine Lücke unter den Leipziger Darstellern, wo man Bürgermeister Lotter, die Dichterin Lene Voigt, Thomaskantor Bach, der (singenden) Clara Schumann und Mephisto schon regelmäßig begegnen kann. Aber ein Leibniz lief bislang nicht herum. Wenn er angefragt werde, werde er sich in Schale werfen, verspricht Roland Keil alias Leibniz.
Dass man in Leipzig auf den Spuren des jungen, begabten Leibniz wandeln kann, wird am 24. Juni ebenfalls erlebbar sein. Gleich zwei Mal: einmal mit einem Leibniz Challenge, einer mathematischen Geocaching-Tour, zu der die INSPIRATA einlädt. Da braucht man ein Smartphone oder ein anderes GPS-fähiges Gerät. Treffpunkt ist ab 18 Uhr stündlich am Leibniz-Denkmal. Teilnahmebedingungen findet man unter: www.inspirata.de
Und um 19 Uhr beginnt am Roten Kolleg in der Ritterstraße 16 – 22 ein Leibniz-Spaziergang, der anfangs auf den Spuren des kleinen Gottfried durch die Innenstadt führt und dann hinausführt in die heutige Wissenschaftsstadt mit ihren vielen Leibniz-Instituten und am Deutschen Platz bei Nationalbibliothek und Bio-City endet. Dabei geht es dann eher um „Gedankengänge auf einem Spaziergang“ auf Leibniz’ Fersen.
Schon am Samstag, 18. Juni, wird in der Alten Nikolaischule die Fotoausstellung „II00II0IIIo – Leibniz“ eröffnet mit Fotos, in denen sich der Fotograf Olaf Martens mit Leibniz visuell auseinandersetzt. Die ist natürlich in der Langen Nacht der Wissenschaften ebenfalls geöffnet.
Die Universität ist an der Langen Nacht allein mit 120 Veranstaltungen an 16 Standorten vertreten.
Und die HTWK im Leipziger Süden hat sich – zumindest mit ihrem Zentralen Infostand – diesmal mit der Hochschule für Telekommunikation zusammengetan. Und dort gibt es diesmal etwas besonders Schickes zu sehen: Ein Kleid aus Beton, getragen von Cara Julienne, die dieses ganz besondere Kleid auch schon zur Nacht der Wissenschaften in Dresden gezeigt hat. Es ist 7 mm dünn und 2,5 kg leicht – das Betonkleid ist nicht schwerer als ein Brautkleid. Möglich wird dies durch die Verwendung von Carbonbeton, einem neuen Werkstoff mit herausragenden Eigenschaften. Eigentlich soll es zeigen, wie leicht und flexibel man heute mit Beton bauen kann, wenn man ein Carbon-Netz zur Grundlage nimmt. Die Forschungsgruppe „Nachhaltiges Bauen“ der HTWK zeigt hier, was mit modernen Baustoffen schon alles möglich ist. Aber aus Anlass der Wissenschaftsnacht gibt es am 24. Juni ab 18 Uhr „Modeschau“ mit Cara Julienne, wo auch Fotos und Selfies möglich sind.
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