Wenn Viele sich zusammentun, dann bekommt man auch eine alte Schlosskirche wieder in Schuss. Und kann feiern, so wie am 28. Juni in der Schlosskirche Lützschena. Der Marienalter ist in alter Schönheit wieder hergestellt und wird in einem Festgottesdienst wieder neu geweiht. Und wer auch noch was erfahren möchte über den Altar, kann am selben Tag zum Vortrag in die kleine Kirche kommen.

Die Entstehung des Lützschenaer Marienaltars fällt in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts. Somit wird eine Stiftung durch die seit 1404 mit dem Dorf belehnte Familie von Üchtritz wahrscheinlich. Die Werkstatt, in der er entstand, ist bisher unbekannt, berichtet die Sophiengemeinde zur langen Geschichte des eindrucksvollen Alters.

Die Geschichte des Altars

Als 1822 Maximilian Speck (1776-1856), seit 1829 Freiherr Speck von Sternburg, die Herrschaft Lützschena erwarb, ließ er bereits ein Jahr später das Innere der Kirche klassizistisch umgestalten und einen Kanzelaltar, der den Flügelaltar ersetzte, aufstellen. Anlässlich des Geburtstags seiner Frau Charlotte geb. Hänel von Cronenthall (1787-1836) wurde im Jahre 1835 der Ostgiebel der Kirche neu verputzt und dort der Flügelaltar angebracht.

Pfarrer Ernst Moritz Reichel (1798-1863) vermerkt in dem von ihm verfassten Pfarr- und Ortsjournal: “Der Mai trat sogleich mit dem mildesten Frühlingswetter ein, und bedeckte bald die Bäume um uns her mit einem weißen Blühtenschnee. (…) Auch die benachbarte Kirche erfuhr zu gleicher Zeit die vortheilshafteste Verbesserung und Verschönerung. Der Herr Baron ließ deren Giebel abputzen, um das ehemalige Altarblatt daran zu befestigen und ihn mit einem neuen Zifferblatt zu versehen, (…) Im 8. Mai erschien uns einer der festlichsten Tage, der Geburtstag unserer hochverehrten Frau Charlotte von Speck Sternburg. (…) Gesang und Segen beschloß die religiöse Feier (…), worauf in Lützschena auf dem freien Platz vor dem festlich verzierten Giebel der Kirche ein Frühstück serviert ward.”

Im Jahre 1855 wurde der Leipziger Architekt Oscar Mothes (1828-1903) mit dem Umbau der Lützschenaer Kirche beauftragt. In seiner Eigenschaft als Mitglied der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig setzte er sich dafür ein, dass der Flügelaltar in deren Obhut kam. Eigentümer blieb jedoch weiterhin die Kirchgemeinde Lützschena. Dies wurde in einem Schreiben vom 14. September 1855 und nochmals durch ein Revers vom 19. Mai 1857 juristisch festgehalten. Über das Kunsthistorische Institut der Universität Leipzig gelangte der Lützschenaer Flügelaltar 1947 in das Depot des Stadtgeschichtlichen Museums der Stadt Leipzig.

Generationen von Kirchvorstehern versuchten sowohl vor, wie auch nach dem zweiten Weltkrieg, den Flügelaltar wieder in der Lützschenaer Kirche aufzustellen. Alle diese Projekte scheiterten aus den unterschiedlichsten Gründen. Auch die Grundsanierung der Schlosskirche Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre unter der Leitung des kirchlichen Baupflegers Dr. Gerhart Pasch zielte auf die Wiederaufstellung des Flügelaltars. Seitens der staatlichen Stellen der DDR wurde jedoch auch dieses Projekt verhindert. An seine Stelle trat ein von dem Leipziger Künstlerehepaar Ulrike (1939-2012) und Thomas Oelzner (geb. 1939) geschaffenes Altarkreuz aus Metall und Glas.

Zurück in die Schlosskirche

Im Sommer des Jahres 2012 wurde unter Vermittlung von Wolf-Dietrich von Sternburg ein neuerlicher Anlauf gestartet und Verhandlungen mit der Stadt Leipzig und dem Stadtgeschichtlichen Museum aufgenommen. Im Mai 2013 fasste dann der Lützschenaer Kirchenvorstand einstimmig den Beschluss, dass der Flügelaltar wieder in die Schlosskirche zurückgeführt werden soll.

Am 27. Juni 2013 konnte das Projekt den Gemeindemitgliedern und vielen interessierten Lützschenaern vorgestellt werden, wobei ein Modell in Originalgröße enthüllt wurde und bereits am 24. Juli 2013 – nach einer ersten Notsicherung der Malschicht – konnte die Rückführung des Altars an seinen historischen Ort verwirklicht werden.

Nachdem mit Unterstützung des Vereins Kunstretter e.V. die erforderlichen Mittel eingeworben waren, begann im September 2014 die Restaurierung. Gleichzeitig wurde eine intensive Diskussion über den zukünftigen Aufstellungsort geführt. Eine extra gebildete Kommission sprach sich schließlich für die Aufstellung auf dem Altarplatz und der Präsentation des Oelzner-Kreuzes in der Achse des vormittäglichen Lichteinfalls aus. Dieser Empfehlung folgte der Kirchenvorstand in seinem ebenfalls einstimmig gefassten Beschluss zur Wiederaufstellung vom 14. Mai 2015.

Die Restaurierungsarbeiten am spätgotischen Marienaltar der Schlosskirche werden derzeit beendet. 68.000 Euro hat die Restaurierung gekostet, finanziert von vielen großen und kleinen Spendern, Stiftungen und Landeskirche.

Der Lützschenaer Marienaltar

Der Marienaltar der Schlosskirche zeigt auf der Festtagsseite im Zentrum Maria als Himmelskönigin mit dem Jesuskind auf dem Arm. Beide werden flankiert von acht Heiligen; auf der linken Seite oben Nikolaus und Katharina, darunter Dorothea und Mauritius. Rechts finden sich oben Barbara und Wolfgang sowie unten Georg und Margarethe. In den beiden Seitenflügeln sind die 12 Apostel jeweils in Dreiergruppen angeordnet.

Sowohl die historischen Dokumente, als auch die Anordnung der Scharniere sprechen für einen fünfflügligen Altarschrein. Davon sind drei, der Mittelschrein (1) und die inneren Flügel (2+3), noch erhalten. Im Rahmen der Restaurierung wurden zwei Flügel nach historischem Muster ergänzt, die bewusst nicht gestaltet wurden, um der Gemeinde die Möglichkeit zu geben, nach einer intensiven Auseinandersetzung hier eine Entscheidung zu treffen.

Nach der ersten Wandlung sind somit vier Szenen aus dem Zyklus der Marienfeste zu sehen. Oben links findet sich die Begegnung von Maria und Elisabeth (Mariä Heimsuchung, 2. Juli). Rechts daneben folgt die Christgeburt (Weihnachten, 25. Dezember) und darunter Jesu Darstellung im Tempel (Mariä Lichtmess, 2. Februar). Unten links beschließt das Bildprogramm der Tod Marias inmitten der Apostel (Mariä Aufnahme in den Himmel, 15. August).

Festgottesdienst und Vortrag am 28. Juni

Am 28. Juni wird um 10:30 Uhr der Festgottesdienst in der Schlosskirche gefeiert, um den Altar neu in Nutzung zu nehmen. Danach steht allen die Kirchentür offen, um den Altar kennenlernen zu können. Um 17:00 Uhr lädt die Gemeinde dann zum Vortrag in die Schlosskirche ein. Pfarrer Stefan Zieglschmid gibt Denkanstöße zum Thema „Was geht uns Evangelische Maria an?“ Nach dem Vortrag ist Zeit zur Diskussion.

Der Zeitplan

10:30 Uhr Festgottesdienst, anschließend Kaffee und Kuchen sowie Besichtigungsmöglichkeit des restaurierten Marienaltars, der alle 20 Minuten gewandelt wird
16:30 Uhr Enthüllung der Spendertafeln von Deutscher Stiftung Denkmalschutz und Ostdeutscher Sparkassenstiftung
17:00 Uhr Festvortrag mit Pfarrer Stefan Zieglschmid zum Thema: „Was geht uns Evangelische Maria an?“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar